SOP Analgosedierung
Immer wieder gibt es Situationen, in denen der aufmerksame Anästhesist gefragt wird, mal eben schnell "Narkose" zu machen. Einer der originären Aufträge unseres Faches ist es, Prozeduren gut akzeptabel zu ermöglichen. Wie das im Einzelfall aussehen kann, darum geht es in dieser SOP.
Inhaltsverzeichnis
1 Indikationen zur (Analgo-)Sedierung
- Patientenwunsch nach Sedierung zur OP in Lokal-/Regionalanästhesie
- Tolerieren der Lagerung bei OP in Regionalanästhesie
- Dämpfung von Schmerz- u./o. Hustenreiz sowie Sedierung
- Tolerieren von invasiver Diagnostik (z.B. Endoskopien)
- Fiberoptische nasale Wachintubation
- Erwartete Schmerzen bei der Umbettung (Patienten mit Schenkelhalsfraktur und andere)
- Sedierung bei intensivmedizinischen Krankheitsbildern
2 Grundsatz
Eine (Analgo-)Sedierung wird in Verantwortung eines Facharztes für Anästhesiologie an einem Anästhesiearbeitsplatz durchgeführt. Es muss jederzeit die Einleitung einer Intubationsnarkose möglich sein. Da die Schutzreflexe erlöschen und die Spontanatmung insuffizient werden kann, sind folgende (relative) Kontraindikationen zu beachten:
- schwieriger Atemweg
- erhöhtes Aspirationsrisiko
Es sind alle Hilfsmittel zum Sichern des Atemweges vorzuhalten. Eine kontinuierliche Sauerstoffinsufflation (3 – 5 l/min) soll jederzeit möglich sein. Basismonitoring plus Monitoring der Atemfrequenz u./o. Kapnografie sind selbstverständlich.
3 Differenziertes Vorgehen entsprechend des Zieles
3.1 Ziel: Sedierung zur OP in Lokal-/Regionalanästhesie
Vorgehen
- Propofol 20 – 40 mg-weise im Intervall von einer Minute bis zur gewünschten Sedierungstiefe
- anschließend Propofolperfusor 1 % in der Dosierung 1 – 4 mg/kg/h oder Propofol Bolusgaben nach klinischem Bedarf
3.2 Ziel: Dämpfung von Schmerz- u./o. Hustenreiz sowie Sedierung
Vorgehen
- Sufentanil 5 µg-weise, Zeitintervall zwischen den Boli 3 – 5 min bis die erwünschte Wirkung erreicht ist oder
- Remifentanilperfusor 1 mg/ 50 ml Zieldosierung 0,1 µg/kg/min (dies entspricht einer Laufrate von 30 % des Idealkörpergewichts in ml/h)
- zusätzliche Gabe eines Antiemetikums (in der Regel Dexamethason) bei Sedierung mit Opiaten.
Der Medikamentenwirkspiegel nähert sich bei konstanter Laufrate erst nach 10 – 15 min der Zielkonzentration. Daher den Perfusor frühzeitig starten. Bei gleichbleibender Laufrate des Remifentanils können bedarfsweise Propofolbolusgaben (à 20 mg) bis zur gewünschten Sedierungstiefe verabreicht werden. Achtung: Durch die Kombination von Medikamenten ist das Risiko für kurzzeitigen Verlust der Spontanatmung erhöht.
3.3 Ziel: Behandlung von möglichen kurzzeitigen Schmerzspitzen z.B. beim Umbetten von Patienten mit Fraktur
Vorgehen
- Esketamin 0,25 mg/kg in Kombination mit Propofol 0,5 mg/kg fraktioniert
- initial Gabe der halben Dosis
- nach 1 – 2 min und Erhalt der Spontanatmung Gabe der übrigen Dosis
- nach weiterer Minute ist Manipulation möglich
3.4. Ziel: Sedierung bei intensivmedizinischen Krankheitsbildern
3.4.1 Standard - Stufe 1: Kombination Propofol/Sufentanil:
- Propofol 2% 1000 mg/50 ml
- Dosis 0,5 – 4 mg/kg/h
- Laufrate 3 – 15 ml/h
- Sufentanil 500 µg/50 ml
- Dosis 0,1 – 0,7 µg/kg/h
- Laufrate 1 – 8 ml/h
- Ab dem dritten Tag tägliches Monitoring von (Propofol-Infusionssyndrom)
- Laktat
- CK
- Myoglobin und
- Triglyceride
- bei Sufentanilverordnung gleichzeitig den topischen Antagonisten Naloxon ordinieren
3.4.2 zusätzlich möglich - Stufe 2: S-Ketamin
- bei nicht zufriedenstellender Analgosedierung Erweitern der Standardmedikation um:
- S-Ketamin 500 mg/50 Ml
- Dosis 0,2 – 0,5 mg/kg/h
- Laufrate 1,4 – 4 ml/h
3.4.3 bei hyperdynamen Patienten - Stufe 3: Clonidin, besonders bei vegetativer Symptomatik
- Clonidin 900µg/50ml
- Dosis 0,3 – 1µ/kg/h
- Laufrate 1 – 4 (6) ml/h
3.4.4 ANACONDA - Applikation inhalativer Anästhetika via "Anaesthetic conserving device" - Stufe 4
- derzeitige Indikation = mit den o.g. Maßnahmen lassen sich keine ausreichende Analgosedierung erziehlen, z.B.
- schweres Schädel-Hirn-Trauma mit erhöhtem ICP
- SAB-Patienten in der Vasospasmusphase
- Propofol-Infusionssyndrom
Wichtig:
- Regionale Verfahren (PDK/FK) immer erwägen, dann ggf. kein oder nur niedrig dosiertes Opiat in der systemischen Analgosedierung
- Verzicht auf langwirksame Benzodiazepine (Midazolam)
- Täglich einen Aufwach-/Spontanatemversuch zum neurologischen Beurteilen und Einschätzen des Sedierungsbedarfes, unter Beachten der Kontraindikationen (siehe Weaningprotokoll)
4 Literatur
- Picardi S et al.: „Adjuvanzien in der modernen Anästhesie – Lidocain“. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 322–327
- S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ (AWMF-Register Nr. 041/001) Stand: 21.05.2007, inkl. Änderungen vom 20.04.2009 - 01.04.2014 abgelaufen, in Überarbeitung (Stand 08.08.2018)
- Fachinformation Lidocain
- Farag E et al: „Effect of perioperative intravenous lidocaine“ Anesthesiology 2013, 119: 932-40
Dr. med. Achim Spenner
Oberarzt
Telefon