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Das Hauptproblem ist die fehlende Zustimmung zur Organspende

Anfang Mai treffen sich Fachpflegekräfte, Techniker:innen und Ärzt:innen aus ganz Deutschland zur 30. Erfurter Dialysefachtagung.
11. April 2022

Erfurt. Anfang Mai treffen sich Fachpflegekräfte, Techniker:innen und Ärzt:innen aus ganz Deutschland zur 30. Erfurter Dialysefachtagung. Dr. med. Christoph C. Haufe, Chefarzt der Nephrologischen Schwerpunktklinik des Helios Klinikums Erfurt, Leitender Arzt des KfH-Nierenzentrums Erfurt und Thüringer Landesvertreter der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, ist einer der Tagungspräsidenten. Er erläutert vorab den besonderen Stellenwert dieser Veranstaltung und stellt die Situation Nierenkranker in verschiedene, teils kontrovers diskutierte gesellschaftliche Kontexte.

Vom 5. bis 6. Mai 2022 findet in Erfurt ein großes Teamevent der Nephrologie statt. Was macht die Veranstaltung so besonders?
Die Erfurter Dialysefachtagung ist die einzige Veranstaltung ihrer Art, die sich an alle drei in der Nephrologie vertretenen relevanten Berufsgruppen wendet. Pflegekräfte, Techniker und Ärzte aus ganz Deutschland treffen sich, nehmen aktuelle Themen in den Blick und tauschen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen aus. Das Renommee der Tagung ist stetig gewachsen, Referenten und Teilnehmer kommen aus dem In- und Ausland. Nach einer pandemiebedingten Pause erwarten wir in diesem Jahr etwa 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Ins Leben gerufen wurde der Austausch im Jahr 1992 von Prof. Dr. med. Heinrich Thieler, seinerzeit Leiter der Abteilung Nephrologie an der Medizinischen Akademie Erfurt. Der Fokus lag damals auf der Fortbildung von Pflegekräften. Aber auch Techniker und Ärzte waren angesprochen. Hat sich daran etwas geändert? 
Pflege, Ärzte und Techniker arbeiten in der Nephrologie Hand in Hand. Keiner ist verzichtbar. Naturgemäß machen die Pflegekräfte bei der Dialysefachtagung zwar den größten Teil des Teilnehmerkreises aus. Eine Dialysebehandlung ist aber nur im Team erfolgreich. Nach tagesaktuell und individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmten ärztlichen Anordnungen werden die Dialysemaschinen von der Pflege sorgfältig programmiert, die Technik stellt das Funktionieren der Geräte und u.a. die aufwändige Herstellung medizinischer Dialysierflüssigkeit aus örtlichem Leitungswasser sicher.  Entsprechend richtet sich das Programm auch im Jahr 2022 noch an alle drei Berufsgruppen. 
 


Einen Schwerpunkt im stark praxisbezogenen Programm bildet das Thema Personal. Herrscht Not in diesem Spezialgebiet der Inneren Medizin?
Deutschlandweit sind aktuell etwa 90.000 Patient: innen dialysepflichtig. Anfang der 90er Jahre waren es ca. 45.000. Damals hat eine Dialysepflegekraft im Schnitt drei bis vier Patienten je Schicht betreut, heute sind es meist doppelt so viele. Der Fachkräftemangel macht auch um die Nierenzentren keinen Bogen. Umso wichtiger ist es daher, das Fachpersonal sehr gut aus- und weiterzubilden – für die bestmögliche Patientenversorgung.

Wir hatten übrigens Anfang der 90er Jahre einen noch viel rasanteren Anstieg der Patientenzahlen erwartet. Bessere nephrologische Vorsorge und die frühzeitigere Behandlung Nierenkranker bremsten diesen Anstieg. Weiterentwicklungen wie z.B.  die „Dialyse zuhause“ (Heimdialyse), für die unser Erfurter Zentrum über eine besonders hohe Expertise verfügt, aber auch die Einführung verbindlicher Dialysestandards, Qualitätssicherungsrichtlinien und auf wissenschaftlichen Studien basierende internationale Leitlinien für die Behandlung chronisch nierenkranker Patienten haben zudem maßgeblich zu einer deutlich verbesserten Versorgung geführt.

Was könnte die Situation für dialysepflichtige Patient: innen noch verbessern helfen?
Das beste Nierenersatztherapieverfahren ist die Nierentransplantation. Mit Einführung des ersten Transplantationsgesetzes in Jahr 1998 ging die Hoffnung einher, dass die Zahl der Organspenden deutlich steigen würde. Es folgten weitere Gesetzesnovellen, doch die Zahlen stagnieren in Deutschland weiterhin auf beklagenswert niedrigem Niveau. Im Jahr 2020 standen beispielsweise 7338 Menschen aller Altersgruppen auf der Warteliste für eine Spenderniere. Es konnten aber nur 1447 Spenden realisiert werden. Das Hauptproblem ist die fehlende Zustimmung zur Organspende. 

Zehn Organspenden hat das Helios Klinikum Erfurt im Jahr 2021 realisiert – so viele wie nie zuvor – und doch so wenig…
Das erscheint auf den ersten Blick tatsächlich verschwindend wenig. Aber: 2021 sprechen wir von gerade einmal 25 potenziellen Organspendern überhaupt. Kontraindikationen wie beispielsweise eine SARS-CoV-2-Infektion oder die Ablehnung durch Angehörige haben die Zahl am Ende auf zehn reduziert.

Das Helios Klinikum Erfurt gehört deutschlandweit zu den engagiertesten Krankenhäusern, wenn es um das Thema Organspende geht. Mehrfache Auszeichnungen durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation zeugen u.a. davon. Ein Verdienst, das in erster Linie unserem ambitionierten Transplantationsbeauftragten angedeiht.

Welche Themen stehen außerdem noch auf der Tagesordnung der 30. Erfurter Dialysefachtagung?
Wir nehmen gesundheitsökonomische Entwicklungen in den Blick, hinterfragen die Ökobilanz eines Nierenzentrums und besprechen typische, aber auch ungewöhnliche Fälle. Und weil Trinken und Niere bekanntlich zusammengehören und das Bier unangefochten des Deutschen liebstes Getränk ist, haben wir den Gerstensaft ebenfalls mit auf die Agenda genommen und fragen: „Gute Biere, gute Niere! – Welche Getränke sind gut für dieses Organ“


Anmeldungen und weiterführende Informationen zur Veranstaltung unter dft.aey-congresse.de


Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir im Sinne einer geschlechtsneutralen Sprache zumeist die grammatisch männliche Form, schließen jedoch immer gleichermaßen alle Geschlechteridentitäten ein.
 

Das Hauptproblem ist die fehlende Zustimmung zur Organspende