In Europa fast unbekannt, gehört die Erkrankung in Entwicklungsländern oft zum Alltag. In Afrika beispielsweise gibt es zehntausende junge Frauen, die aufgrund der fehlenden medizinischen Möglichkeiten über Tage ein Kind entbinden und gravierende Verletzungen im Beckenbodenbereich davontragen. „Aufgrund einer direkten Verbindung zwischen Harnblase und Scheide, die durch eine ausgeprägte Gewebeverletzung unter der Geburt verursacht wird, kommt es bei geburtshilflich bedingten Fisteln zu einem ständigen unwillkürlichen Urinverlust durch die Scheide“, sagt Priv.-Doz. Dr.
Gert Naumann, Chefarzt der
Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Helios Klinikum Erfurt. „Blasen-Scheiden-Fisteln haben für junge Afrikanerinnen nicht nur medizinische, sondern mitunter soziale Folgen. Es kommt nicht selten vor, dass die Frauen aufgrund des ständigen Urinverlusts massiv sozial isoliert werden. Das geht soweit, dass sie von ihren Familien verstoßen werden“, weiß der Gynäkologe. In Mitteleuropa kommen diese Art der Fisteln nur noch selten vor, da in der modernen Geburtshilfe geburtswidrige Lagen oder Komplikationen schonend mit einem Kaiserschnitt beendet werden können. Aber auch in mehreren Ländern Afrikas gibt es inzwischen zunehmend spezialisierte Ärzte, die mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland Projekte zur Behandlung dieser Patientinnen betreuen. Chefarzt
Dr. Naumann fährt selbst jährlich für ein bis zwei Wochen nach Dar es Salaam (Tansania), um vor Ort in einer Fistelklinik zu unterstützen. Dort werden im Jahr ca. 500 junge Frauen operiert, die zum Teil jahrelang unter diesem massiven Urinverlust leiden. Dr.
Gert Naumann hat bei seiner dortigen Arbeit viele positive Beispiele erlebt. So gelingt es den Frauen nach einer erfolgreichen Operation einen Beruf zu erlernen und damit wieder „Fuß im Alltag“ zu fassen. Für
Naumann ein Grund mehr, auch künftig direkt vor Ort zu unterstützen.