Glauben Sie, dass Ihr Weg nach oben schwieriger war als bei Männern?
Meiner Erfahrung nach ist es heutzutage keine Frage mehr der Geschlechtergerechtigkeit, wer Karriere macht oder nicht. Das heißt zumindest „der Weg nach oben“ ist für Männer und Frauen meines Erachtens nach inzwischen relativ ausgeglichen. Zumindest kann ich retrospektiv und in Vergleich zu Karrierepfaden von Kommilitonen nicht sagen, dass mein Weg schwieriger war als der von männlichen Kollegen. Es kommt dabei letztlich auf die Qualifikationen und den Karrierewillen des Einzelnen an. Dass der Weg in eine Führungsposition nicht immer einfach ist, ist für beide Geschlechter ziemlich gleich.
Viel wichtiger wäre die Frage, warum es immer noch viele Frauen sind, die bei Familiengründung einen „Karriereknick“ verzeichnen. Denn das ist die eigentliche Herausforderung von Frauen in Karriere:
Gesellschaftlich mache ich trotz Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz immer noch die Erfahrung, dass es vor allem die Mütter sind, die den Großteil der Elternzeit nehmen und bei Wiedereinstieg ins Berufsleben meist in Teilzeit arbeiten. Wenn dann – wie in meinem Fall – beide Elternteile in Vollzeit arbeiten, kommen meist skeptische und ein paar bewundernde Blicke. Es gibt in unserer Kindertagesstätte nur wenige andere Kinder (und noch weniger Krippenkinder), die wie meine Tochter in der Vollbetreuung sind. Dabei ist eine ganztägliche Kinderbetreuung in vielen unserer europäischen Nachbarländer die Regel – und die Kinder profitieren davon. Als Mutter macht man sich dann zwangsläufig trotzdem Gedanken, ob man den richtigen Weg eingeschlagen hat, wenn sein Kind als letztes abgeholt und entsprechend beäugt wird. Und mal ehrlich: Als Führungskraft ist der klassische „Feierabend“ auch relativ zu sehen. Das muss die Familie (der Mann) bewusst mittragen. Umgekehrt war das Jahrzehnte lang akzeptiert und doch steht man als „Working Mum“ immer unter Generalverdacht beiden Anforderungen nicht gleichzeitig gerecht werden zu können.
Inwieweit unterschiedet sich Ihr Führungsstil von dem eines Mannes?
Vorurteilsbelastet würde ich zunächst antworten, dass Männer eher zum autoritären und Frauen eher zum kommunikativen Führungsstil tendieren. Führung selbst versteht wohl aber jeder subjektiv. Ich führe mit Zielen, setze klare Grenzen und greife durch, wo nötig. Auf der anderen Seite möchte ich auch meine Mitarbeitenden befähigen, Aufgaben selbstständig zu lösen und Verantwortung zu tragen. Die Ergebnisqualität steht dabei für mich im Vordergrund. Das Einbeziehen von Teams, das heißt das Wissen der Vielen, hat sich bei vielen Projekten bisher bewährt.
Auch gehe ich lösungsorientiert und mit einer positiven Grundeinstellung an alle Themen heran und möchte damit ein Vorbild sein. In jedem Fall sollte man auch als Führungsperson noch authentisch sein. Mir persönlich sind daher Werte wie Loyalität und Einsatzbereitschaft sehr wichtig.
Was geben Sie Frauen mit, die am Anfang ihrer Karriere stehen?
Geht euren Weg und lasst euch nicht durch Hindernisse entmutigen. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, kann dieses auch erreichen. Von meiner Uroma weiß ich: „Sei unabhängig!“
Manchmal geht man Umwege und ist auf die Unterstützung von anderen angewiesen – insbesondere wenn es dann um die für Frauen in der Karriere so entscheidende Frage der Familienplanung geht. Das eine für das andere zu opfern stand für mich nie in Frage. Sicherlich bedingt dies eine hohe persönliche Resilienz, gute Organisationsstruktur und Zeiteffizienz im Beruflichen wie Privaten, doch am Ende blickt man zurück und fragt sich: War es nun die richtige Entscheidung wegen meiner Karriere auf Kinder zu verzichten? Beziehungsweise war es nun die richtige Entscheidung wegen meiner Familie auf meine Karriere zu verzichten? Heutzutage gibt es die strukturellen Rahmenbedingen beides zu vereinen – wenn man es denn will.