„Empfindlich wie ein rohes Ei“

„Empfindlich wie ein rohes Ei“

Vivien Brandt ist seit drei Jahren Pharmazeutisch-technische Assistentin in der Leipziger Helios Krankenhausapotheke. Als eines von 14 Teammitgliedern deckt sie alle Fachbereiche der Apothekenarbeit ab: von der Bestellung, Kommissionierung und Rechnungsbuchung über die Analyse, Rezeptur und Herstellung bis hin zur Auslieferung an die Stationen und den innerbetrieblichen Verkauf. Besonders in Zeiten der Pandemie entfaltet sich eine Vielschichtigkeit ihres Berufs, über die sich Außenstehende selten bewusst sind.

Für den Beruf der Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) entschied sich Vivien Brandt mit dem Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit, mit der sie Menschen helfen kann. Die Arbeit in der Apotheke erfordert ein hohes Maß an Geduld und Konzentration: „Wir haben hier eine Analysenwaage, die hat vier Nachkommastellen. Manchmal steht man davor 0,3999g und man will auf 0,4000g kommen. Ein Hauch von „Nichts“, schildert Vivien Brandt schmunzelnd eine kleine Momentaufnahme ihres Alltags, „Man braucht viel Geduld. Aber mit der Übung kommt auch das Feeling.“

Schon in ihrer Ausbildung verbringt Vivien Brandt ein vierwöchiges Praktikum hier am Standort. Als sie sich vor drei Jahren bei Helios bewirbt, erinnert sie sich wohlgesonnen daran zurück: „Ich bin hierhergekommen, weil ich das Klima untereinander so toll fand – das Miteinander. Wenn ich beispielsweise mal den Bereich wechseln möchte, kann ich das äußern. Die Abwechslung ist bei uns machbar“, sagt sie zufrieden. Durch die verschiedenen Fachbereiche, die die Krankenhausapotheke abdeckt, kann sich die PTA hier ausleben.

Man braucht viel Geduld. Aber mit der Übung kommt auch das Feeling.

Vivian Brandt arbeitet in der Krankenhausapotheke am Helios Klinikstandort Leipzig

Zwischen Masken und Motivationsmuffins

Das Team der Helios Apotheke beliefert mehrere Häuser. Neben dem Herzzentrum und dem Helios Park-Klinikum Leipzig gehen Lieferungen bis zu den Helios Häusern nach Leisnig und Schkeuditz sowie Naunhof, Wurzen, Torgau und Borna. Die tägliche Arbeit hat sich in den vergangenen zwei Jahren verändert. Die morgendlichen Besprechungen finden jetzt im Außenbereich statt, die Pausen werden gestaffelt, Lieferengpässe fordern Kreativität. „Zusammen sitzen und quatschen ist ein ‚No go‘. Aber das Miteinander hat sich dadurch nicht verändert – Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt“, versichert Vivien Brandt überzeugt. „Wir backen zum Beispiel füreinander. Dann gibt es mal Motivationskuchen oder Motivationsmuffins“, erzählt sie amüsiert, „es gab auch schon alkoholfreie Cocktails zur Aufmunterung. Und Geburtstage werden trotzdem noch gefeiert.“ Kleine Aufmerksamkeiten und Selbstgebasteltes erhellen den Arbeitsalltag.

Und doch fordert Corona das Team heraus: „In der Herstellung hatten wir ja schon immer Masken auf und wenn man aus dem Bereich rauskam, nahm man die Maske ab und hat durchgeatmet. Das geht jetzt halt nicht mehr“, erzählt die PTA über die veränderten Bedingungen, „man setzt die eine Maske ab und die andere wieder auf.“ Statt wiederverwendbarer Kisten werden für die Lieferungen an Covid-Stationen Wegwerfkartons verwendet. Die große Anzahl der Schnelltests braucht viel Platz – und bei bekannten mangelhaften Chargen wird jede Packung auf Qualität geprüft.

„Ganz am Anfang der Pandemie hatten wir Lieferengpässe. Von den Medikamenten mal abgesehen, haben wir Desinfektionsmittel hier literweise hergestellt. Wir hatten draußen einen 1.000-Liter-Ethanoltank.“ Zur Einordnung der Größenordnung: Im November 2020 waren bereits 820 Liter Ethanol verarbeitet wurden, im Dezember desselben Jahres hat das Apothekenteam den gesamten Tank verbraucht. Dazu kommen etliche Stationsumzüge, die das Team vor organisatorische Höchstleistungen stellen: Wohin muss was geliefert werden? Wohin muss die Sonderanforderung? Wurde der Patient schon wieder verlegt? Die Kommunikation läuft flüssig: „Es kommt viel per Mail. Und unsere Chefin weist uns in der Besprechung auf neue Situationen hin.“

Es war schon besonders als die erste Lieferung mit dem Impfstoff ankam.

Die Pharmazeutisch-technischen Assistentin Vivian Brandt über das Corona-Vakzin

Was das Vakzin mit Ei zu tun hat

In einer dieser Besprechungen überbringt die Apotheken-Leiterin Ende 2020 die langersehnten offiziellen Infos über die neuen Impfstoffe. „Es war schon besonders als die erste Lieferung ankam. Im Vorfeld wurde ein Plan erstellt, wann wer wo sein muss, um Impfstoff aufzuziehen.“ Die Vakzine werden als Konzentrat angeliefert. Was folgt, ist ein aufwendiges Prozedere: „Das Konzentrat wird mit Kochsalzlösung verdünnt und dann geschwenkt. Der Stoff darf nicht geschüttelt werden“, erklärt Vivien Brandt, „sonst würde er seine Wirkung verlieren.“ Um die Kontamination auf ein Minimum zu beschränken, werden die Vakzine unter der sogenannten aseptischen Box hergestellt. Während der Impfstoff auf diese Weise sechs Stunden haltbar ist, bliebe nach der Herstellung auf Station nur eine Stunde bis zum Verfall. „Empfindlich wie ein rohes Ei.“

Aus einer kleinen Flasche werden sechs Impfspritzen aufgezogen. Der gesamte Vorgang dauert etwa 15 Minuten. Dank der hohen Priorisierung des Impfens, der lückenlosen Organisation und hochengagierter Mitarbeiter:innen gelingen Tage wie der 25. Januar 2021. An diesen Tag erinnert sich Vivien Brandt genau – 216 Spritzen zog das Apothekenteam zusätzlich zu den täglichen Arbeitsaufgaben nach Arbeitsschluss auf.

Zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für schwere Covidverläufe stellt das Team der Krankenhausapotheke Antikörper her. Das Herstellungsprinzip ist ähnlich anspruchsvoll wie das der Impfstoffe. Jedoch ist ein bestimmter Reinraum und eine Werkbank von Nöten, die für Gefahrenstoffe geeignet ist. „Es gibt zwei Antikörper-haltige Arzneimittel, die seit etwa sechs Monaten am Standort angewendet werden.“ Die Arbeit im Reinraum fordert neben dem aufwendigen Einschleusen hohe Konzentration: „Man muss da drin schon seine Gedanken zusammennehmen, um nichts zu vergessen.“

Ein Wunsch für die Zukunft

Obwohl die Pandemiezeit schnelles Umdenken und Überstunden für Vivien Brandt bedeutet, macht die Pharmazeutisch-technische Assistentin einen gefestigten, zufriedenen Eindruck. Auf die Frage, worauf sie sich am meisten freue, sobald die Pandemie abklinge, gibt sie eine Antwort, die wir inzwischen wohl alle fühlen: „Sicheres Reisen – und das Lächeln der Anderen endlich wieder zu sehen.“