Die Generation Z tickt in vielen Belangen anders, als man auf den ersten Blick erwarten würde. So zeigen Studien, dass für jene Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, Sex längst nicht so eine große Rolle spielt wie für Vor-Generationen. Eine interessante Entwicklung, die von Phänomenen wie den Auswirkungen der Coronapandemie sowie einem verstärkten Cocooning, dem Rückzug ins Häusliche, durch Streaming und soziale Medien beeinflusst wird. Und doch überrascht das Bild, denn eigentlich war das Thema „Sexualität“ über die Lebensphasen eines Menschen bisher recht klar gegliedert: Bis 12 Jahre entwickelt sich neben Fragen zur persönlichen Geschlechteridentität und zu zwischenmenschlichen Beziehungen die erste „Lust“, die dann in der Pubertät und Adoleszenz zu sexuellen Erfahrungen führt.
Am aktivsten sind viele Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, wobei Sexualität in dieser Phase oft mit Gründung einer Partnerschaft bzw. Familie verbunden ist. In diese Zeit fallen auch erste Stressfaktoren wie Überlastung durch Job und Familie. Ab 40 Jahren stellen sich Veränderungen im Hormonhaushalt ein, die
das sexuelle Erleben beeinflussen. Für viele rücken emotionale Nähe und Qualität der sexuellen Beziehung stärker in den Fokus als Quantität. Auch im späten Erwachsenenalter, also ab 60 Lebensjahren, bleibt die Sexualität ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Durch altersbedingte körperliche Veränderungen werden Anpassungen nötig. Gleichzeitig gewinnen emotionale und körperliche Nähe an Bedeutung.
So schützen Sie Ihre Libido
„Die Libido ist ein komplexes Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren“, sagt unser Experte Prof. Dr. habil. Gert Naumann, der Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Helios Klinikum Erfurt ist. „Ein gesunder Lebensstil kann die Libido steigern, während ungesunde Gewohnheiten oder Stress die sexuelle Motivation negativ beeinflussen können.“
Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Vitaminen, Mineralien, Proteinen und gesunden Fetten ist, unterstützt die allgemeine Gesundheit, einschließlich der sexuellen. Bestimmte Nahrungsmittel, wie zum Beispiel zinkreiche Lebensmittel (Muscheln, Nüsse) und L-Arginin-haltige Lebensmittel (Kürbiskerne, Walnüsse), können Durchblutung und Hormonproduktion fördern, was sich positiv auf die Libido auswirken kann. Negative Libido-Einflüsse zeigen hingegen Übergewicht und unausgewogene Ernährung, insbesondere eine hohe Aufnahme von Zucker und ungesunden Fetten. Diese können zu einem erhöhten Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen führen, die sich negativ auf die sexuelle Funktion auswirken können. Insbesondere Fettleibigkeit ist oft auch mit hormonellen Veränderungen verbunden, die die Libido beeinträchtigen können. Und: Während Alkohol in kleinen Mengen die Hemmungen senken kann, führt chronischer Konsum oft zu einer Abnahme der sexuellen Funktion, einschließlich einer verringerten Libido. Auch Drogen wie Nikotin und andere Substanzen können sich negativ auf die Blutzirkulation und die hormonelle Balance auswirken.
Bedeutung von Sport und Bewegung
Bewegung und körperliche Aktivität spielen auch beim Lustempfinden eine wichtige Rolle. Sport fördert die Durchblutung, verbessert das allgemeine Wohlbefinden und steigert die Ausschüttung von Endorphinen und anderen Glückshormonen, was die Libido positiv beeinflussen kann. Yoga und Krafttraining können dazu beitragen, den Testosteronspiegel zu erhöhen, was sich wohltuend auf das sexuelle Verlangen auswirkt – insbesondere bei Männern.
Hingegen führt ein Mangel an Bewegung oder ein überwiegend sitzender Lebensstil (Stichwort „Büroarbeit“) zu negativen Einflüssen wie Übergewicht, Kreislaufproblemen, wenig Lebensenergie – und Stress. Letzterer ist einer der häufigsten „Lustkiller“. Ein hoher und permanenter Stresslevel bewirkt einen erhöhten Cortisolspiegel, welcher die Produktion von Sexualhormonen negativ beeinflussen kann. Außerdem kann Stress die Stimmung und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen, was das sexuelle Verlangen reduziert. Hier helfen Stressbewältigungsstrategien wie Meditation, Entspannungstechniken, Yoga oder gezielte Atemübungen. Diese Maßnahmen beruhigen das Nervensystem und senken den Cortisolspiegel.
Sollten psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen die Lust verringern, ist die Einbeziehung von Ärztinnen oder Ärzten erforderlich.
Guter Schlaf ist wichtig für die Libido
Achtsamkeit sich selbst gegenüber drückt sich auch in einem bewussten Zugang zur eigenen Schlafqualität aus. Schlafmangel kann sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit beeinträchtigen und zu verminderter Libido führen. Denn während des Schlafs regeneriert sich der Körper, wichtige Prozesse wie die Hormonproduktion – einschließlich Sexualhormone wie Testosteron und Östrogen – finden statt. Chronische Schlafstörungen wie Schlafapnoe oder Insomnie sind häufig mit einer verminderten Libido verbunden.
„Oft unterschätzt wird der Einfluss hormoneller Veränderungen. Generell können Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und Stress auch die hormonelle Balance beeinflussen. Ein Mangel an Sexualhormonen – wie Testosteron beim Mann oder Östrogen bei der Frau – kann die Libido erheblich verringern“, so Prof. Dr. Gert Naumann. Frauen erleben hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus, der Schwangerschaft, der Stillzeit und der Menopause. Ein Abfall des Östrogens bewirkt eine Phase der physiologischen Veränderung. Beim Mann kann ein niedriger Testosteronspiegel durch ungesunde Lebensgewohnheiten, Übergewicht und Stress entstehen und die Libido beeinträchtigen. Generell nimmt die Testosteronproduktion beim Mann mit zunehmendem Alter ab. Damit fehlt ein Hormon, das für das sexuelle
Verlangen und die sexuelle Funktion von zentraler Bedeutung ist.
Wichtig für ein erfülltes Sexualleben sind auch soziale und zwischenmenschliche Faktoren. Partnerschaftliche Konflikte, mangelnde Kommunikation oder emotionale Entfremdung können das sexuelle Bedürfnis beeinträchtigen. Auch Selbstvertrauen spielt eine Rolle: Menschen, die sich in ihrem Körper wohlfühlen und keine gesundheitlichen Beschwerden haben – beispielsweise Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder sexuelle Funktionsstörungen –, haben oft ein größeres sexuelles Interesse.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Laut Schätzungen leiden mehr als die Hälfte aller Männer über 60 an einer „erektilen Dysfunktion“, also einer Erektionsstörung, die – nicht ganz korrekt
– umgangssprachlich „Impotenz“ genannt wird. Auch jüngere Männer kämpfen mit diesem Problem. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Dazu zählen unter anderem Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), die zu mangelnder Durchblutung führen kann, oder Folgen schlechter Ernährung wie Fettleber, Metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes. Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum sind weitere negative Aspekte.
Manchmal begründen neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson oder Operationen im Beckenbereich die erektile Dysfunktion.
Und generell leiden Männer mit fortschreitendem Alter an einem hormonellen Ungleichgewicht durch Absinken des Testosteronspiegels. Dieser nimmt ab
dem 35. Lebensjahr im Durchschnitt jährlich um ein Prozent ab – bei übergewichtigen Männern noch schneller.
Zu den psychischen Ursachen, die Männer betreffen können, zählen Ängste (wie Angst, beim Geschlechtsverkehr zu versagen), Unsicherheit und Stress, ebenso negative Erfahrungen beim Sex, die nachwirken. Tendenziell spielt auch die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur – altersbedingtes Nachlassen der Muskulatur – eine große Rolle. Und schließlich kann „mann“ auch durch die Erfüllung mehrerer Rollen – Gatte, Vater, Sexualpartner, Geschäftspartner etc. – ganz schön überfordert sein.
Bei Frauen sind sexuelle Störungen oft mit Leidensdruck verbunden, der das sexuelle Erleben und Verhalten beeinträchtigt. Dazu zählen Schmerzen beim Sex (Dyspareunie) sowie die Erregungsstörung (Ausbleiben der genitalen Reaktion trotz sexueller Stimulation). Häufig kommt auch eine Orgasmusstörung vor – „frau“ hat zwar Interesse an Sex und genießt diesen grundsätzlich auch, aber der Höhepunkt bleibt aus. Bei der sogenannten „Appetenzstörung“ sind zwar grundsätzlich Erregung und Befriedigung möglich, doch die Frau hat kein Interesse am Sex. Nicht selten liegen die Ursachen auch in psychischen Problemen. Eine Depression durch mangelndes Sexualerlebnis kann ebenso ein Thema sein wie Angst vor Zurückweisung oder vor Kontrollverlust. Sich zu sehr unter Druck setzen, unbedingt den Erwartungen entsprechen wollen (auch optisch), aber auch das Nachwirken früherer negativer sexueller Erfahrungen sind bei vielen Frauen ein Problemauslöser.
Hinzu kommen frauenspezifische körperliche beziehungsweise medizinische Ursachen. Dazu zählen Veränderungen durch die Wechseljahre/Menopause – Gewichtszunahme, Unausgeglichenheit – oder auch Fehlbildungen der Geschlechtsorgane.
Sehr oft gelten Infektionen des Genitalbereichs und der Scheide, Pilze, Trichomonaden, Bakterien oder Genitalherpes als Auslöser für sexuelles Desinteresse. Viele Frauen leiden an hartnäckigen Harnwegsinfektionen. Auch ein „falscher Hormonstatus“ kann die Wurzel sein – und sollte medizinisch abgeklärt werden, weil eventuell Probleme bei Schilddrüse, Leber oder Niere vorliegen.
