Am 15. März war es soweit – die erste auf SARS-Cov2 positiv getestete Patientin wurde in den Helios Kliniken Schwerin aufgenommen. Für das Krankenhaus ein bedeutender Moment: Die bisher ferne Pandemie hatte auch offiziell die Landeshauptstadt erreicht. „Wir haben uns natürlich gefragt, was auf uns zukommt“, so Klinikgeschäftsführer Daniel Dellmann. „Wir haben uns nach bestem Wissen vorbereitet. Aber das Wissen war überall auf der Welt noch sehr gering.“
Kluger Einkauf für steigenden Materialbedarf
Zunächst blieben die Zahlen stabil bei ein bis zwei positiven Patienten, doch die ersten Maßnahmen zur Kontaktreduktion wurden getroffen. Besuche sollten auf ein Minimum reduziert werden und möglichst draußen stattfinden. Für den Einkauf begann die spannende Aufgabe, Material für den medizinischen Bedarf in ausreichender Menge zu kaufen. „Das hatten wir in weiser Voraussicht für viele Produkte bereits in die Wege geleitet. Unter anderem auch für Toilettenpapier, dass ja damals eine heiße Ware war“, erinnert sich Dellmann. 2020 stieg der Bedarf an Einmalhandschuhen um rund eine Million im Vergleich zum pandemiefreien Vorjahr, knapp 50.000 FFP2-Masken wurden mehr eingekauft. Nachdem immer klarer wurde, dass sich Corona so gut wie nicht über Schmierinfektionen, sondern über Tröpfchen weiterverbreitet, drehte sich das Bild im nächsten Jahr. Rund 250.000 FFP2-Masken wurden 2021 nochmal mehr gekauft als 2020, dafür 500.000 Einmalhandschuhe weniger als im Vorjahr. Auch der Bedarf an Schutzkitteln und Schutzvisieren stieg im Vergleich stark an.
Die Wellen beginnen
In der ersten Welle bis zum Mai 2020 waren zu Höchstzeiten 5 Coronapatienten gleichzeitig im Haus - zwischen Mai und September 2020 größtenteils kein einziger. „2020 haben wir in der ersten Welle eine riesige Solidarität erlebt. Viele Menschen wollten uns etwas Gutes tun, haben etwa Essen für die betroffenen Stationen vorbeigebracht“, so der Ärztliche Direktor Prof. Jörg-Peter Ritz. „Am meisten hat aber geholfen, dass die Menschen zuhause geblieben sind und die Infektionsketten unterbrochen haben.“ Auch im Krankenhaus selbst, erinnert der Chirurg sich, sei es zu Beginn fast unheimlich leer gewesen.
Die behandelnden Ärzte konnten über die Zeit immer mehr über die Krankheit lernen. Von Welle zu Welle steigerte sich das Wissen und die Routine. Ende 2020 bis Frühjahr 2021 stiegen die Zahlen auf bis zu 80 Patienten gleichzeitig, danach flachten die Zahlen wieder bis in den einstelligen Bereich ab. Doch die anschließende Welle Ende 2021 und Anfang 2022 toppte alles bisher Erlebte. Dieses Mal waren es vor allem die erkrankten Mitarbeiter, die das Krankenhaus an die Grenzen brachten. „Am 17. März 2022 hatten wir insgesamt 123 positive Patienten im Haus, das war der Höchststand an einem Tag. Zeitgleich hatten wir Ausfälle von rund 25 Prozent beim Personal“, so Prof. Ritz. Insgesamt starben bis Mitte Juni 2022 284 Patienten an oder mit Corona in den Helios Kliniken Schwerin. Operationen wurden verschoben, Besuche im Haus waren nur sehr eingeschränkt möglich. Im April 2022 entspannte sich die Situation wieder, so dass nach und nach mehr Patienten aufgenommen werden konnten. Für Prof. Ritz und seine Kollegen eine gute Nachricht. „Unser primärer Auftrag ist es, Menschen zu helfen. Das können wir jetzt wieder im vollem Umfang.“
Starke Impfquote unter Mitarbeitern
Die Aussicht auf eine mögliche Impfung steigerte schnell die Hoffnung beim Personal, dass die Pandemie bald vorbei sein würde. Am 28. Dezember 2020 war es soweit: Schwester Verena aus der Notaufnahme war die erste, die eine Impfung erhielt. Zunächst waren die Dosen für Mitarbeiter von den Coronastationen, den Intensivbereichen und der Notaufnahme vorbehalten. Aber auch die Gerontopsychiatrie und Palliativmedizin wurden geimpft, da sie besonders vulnerable Patienten behandeln. Sukzessive wurde der Kreis der möglichen Impflinge erweitert, um eine möglichst hohe Impfquote zu erhalten. „Wir hatten schnell eine Impfquote von über 90 Prozent bei allen Mitarbeitern“, erklärt Dellmann. „In der Pflege und der Ärzteschaft lag diese Quote schon viel früher noch einmal deutlich höher. Das kam uns auch bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sehr entgegen.“
Testen, testen, testen
Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 2020 war es soweit: Das offizielle Testzentrum neben der Notaufnahme führte die ersten Bürgertests durch. Vorher war das städtische Testzentrum in der Werderstraße, doch von Anfang an war dies nur eine Übergangslösung. Ab dem 21. Dezember wurde der Neubau für rund 300.000 Euro auf dem Lewenberg genutzt. Anfängliche Probleme bei den Wartemöglichkeiten wurden behoben und die Prozeduren liefen immer besser. Im Jahr 2021 wurden rund 27.500 Bürgertests durchgeführt. 2020 gab es 160 vom Gesundheitsamt angeordnete PCR-Tests, 2021 waren es bereits 16.300. „Unsere Patienten haben wir vorsorglich vor der Aufnahme bereits früher mit PCR-Test abgestrichen“, so Prof. Ritz. 2020 waren es 10.600 Tests, 2021 stieg die Zahl auf fast 54.000 Tests.
Für die Mitarbeitenden gab es 2021 kurzzeitig eine Testpflicht, unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus. Doch der Wunsch nach Sicherheit blieb im Krankenhaus groß. So gab es 2021 über 67.500 Schnelltests, die von den Mitarbeitenden durchgeführt wurden.
Schnell und aktuell für die Bevölkerung
Da die Pandemie etwas völlig Neues für die meisten Menschen war, war schnelle Information einer der wichtigsten Aspekte. Im März 2020 wurde deshalb erstmals der hausinterne Podcast gedreht, der zu Beginn jeden Tag die aktuelle Situation für die Mitarbeiter zusammenfasste. Prof. Ritz: „Anfangs saß der Krisenstab täglich zusammen, auch am Wochenende. Die Gegebenheiten haben sich manchmal stündlich geändert.“ Auch seitens der Medien gab es immer wieder Anfragen zur ungewohnten Situation, die von Hygiene und den behandelnden Ärzten ausführlich beantwortet wurden. Auf den Social-Media-Kanälen des Krankenhauses wurden die Schweriner so aktuell wie möglich informiert, wenn es Neuigkeiten zu Besuchsregeln oder eingeschränkten Aufnahmen gab. Seit dem 30. Oktober 2020 veröffentlichte Helios für alle Häuser die tagesaktuelle Bettenbelegung mit Corona-Patienten, um Transparenz zu ermöglichen und zu zeigen, wie dynamisch und unterschiedlich die Situation für die einzelnen Häuser war.
Durchschnaufen oder Endspurt?
„Wir haben in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass wir ein tolles Team im Haus haben“, zieht Daniel Dellmann ein Zwischenfazit. „Zwischen allen Bereichen gab es einen unheimlichen Zusammenhalt. Das hat mir wirklich imponiert.“ Allerdings, so ergänzt der Klinikgeschäftsführer, habe die Pandemie auch wie ein Brennglas für bestehende Konflikte gewirkt. Für Prof. Ritz ist es die schnelle und steile Lernkurve, die ihn am meisten beeindruckt hat. „Wir haben vor zwei Jahren mit Null Wissen in Deutschland angefangen. Seitdem konnten wir mit Prävention und Behandlung viele Menschenleben retten.“ Die Hoffnung für die Zukunft? Da sind sich beide einig: „Dass sich Corona weiter abschwächt und die Menschen weiterhin vorsichtig sind. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, wir müssen noch ein wenig durchhalten.“