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Krisenherde decken viele Brennpunkte auf

Wir stecken tief in der Krise, so viel ist sicher. Corona, Ukraine-Krieg und jetzt? Welche Folgen hat dieses Geschehen für unsere Gesellschaft und wie kann man diese Krise bewältigen? Darüber macht sich auch Prof. Dr. Katarina Stengler, Direktorin des Zentrums für Seelische Gesundheit am Helios Park-Klinikum Leipzig Gedanken.
07. März 2022

Der offenkundigen Wertschätzung, die Psychotherapeuten allerorts jetzt erfahren, wohnt letztlich ein erschreckender Gedanke bei. Was ist geschehen, dass die Zahl psychisch kranker Menschen in den vergangenen zwei Jahren derart drastisch anstieg? Um mehr als ein Viertel wuchs den Zahl an, was nicht nur Fachärzte, sondern ein komplettes Versorgungssystem bis heute an seine Belastungsgrenze führt.

Dabei ist Stress ein alltäglicher Bestandteil des Lebens. Ihn gelegentlich meistern zu müssen, ist nicht ungewöhnlich. Allerdings sind dieser Normalität Grenzen gesetzt. Der Schnittpunkt ist genau dann erreicht, wenn die Psyche einer Dauerbelastung ausgesetzt wird. Covid-19 hat das geschafft. Das Virus hat die Menschen weltweit in eine Krise geführt. Ohne Ankündigung, dafür mit maximaler Kraft. Ein guter Fahrplan, wie man diese Bedrohung dauerhaft bewältigen kann, existiert hingegen nicht. Stattdessen dringen immer mehr Ideen und Vorschläge an die Öffentlichkeit, die in ihrer Gesamtheit das Chaos zuweilen noch verstärken. Und als wäre das nicht genug, zwingt auch der Ukraine-Konflikt – ein Krieg im Herzen Europas – den Menschen neue Ängste auf.

Krisenherde decken viele Brennpunkte auf

Katarina Stengler hat ganz besonders die menschliche Psyche im Blick: „Wir haben gelernt, dass die Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft in diesen Zeiten mehr denn je gefordert ist und gebraucht wird. Familie, soweit wir diese auch immer definieren mögen, gibt Halt, bietet Verbindlichkeiten, verspricht Zuverlässigkeit. All das ist mit Corona ins Wanken geraten. Die Probleme nehmen noch zu, der Kessel droht irgendwann zu explodieren.“ Manchmal lägen die Nerven von Familien schon gefährlich blank, befürchtet sie.

Homeoffice verändert die Arbeitswelt, Homeschooling stellt Eltern und Kinder vor eine gänzlich neue Herausforderung. Währenddessen leiden Kunst und Kultur, bricht der Einzelhandel unter dem Druck der Verordnungen ein, zerstören Streit und Debatten über die staatlichen Covid-Maßnahmen manche Freundschaft oder Familie. Die dabei entstehenden Konfliktherde lassen sich kaum kompensieren.

„Wir sind es gewohnt in einer Gesellschaft zu leben, die es erlaubt, alle Freiheitsrechte zu genießen. Dieses Gefühl war wohl nie ausgeprägter als heute. Umso schwerer fällt es einigen, auf einen Teil ihres persönlichen Freiraumes zu verzichten. Sie haben Angst, dass dieser Verlust von Dauer ist”, vermutet die Medizinerin.

Schnelle und vor allem einheitliche Entscheidungsprozesse beim Umgang mit der Krise und ihrer Bewältigung, das ist es, was sich die Menschen aktuell von der deutschen Politik erhoffen. Das gegenwärtige Handeln nach anfänglichem Zögern im Ukraine-Krieg ist ein Beispiel für den richtigen Weg. Zugleich warten die Menschen auf Konzepte, wie die benannten Dauerprobleme sich lösen lassen. Dazu bedarf es aber auch gewisser Grundsätze. „Ich würde mir wünschen, wenn die Solidarität der Menschen untereinander, so wie wir sie zu Beginn der Pandemie erlebten, erneut an Intensität gewinnt. Auch die Regelsysteme der Demokratie gilt es konsequent umzusetzen. Es wäre ein Fehler, diese Regeln anzuzweifeln. Dadurch verschärfen sich die Probleme nur zusätzlich”, betont sie. Regeln verbinden Menschen in sozialen Systemen und müssen sich gerade in Krisenzeiten bewähren.

Katarina Stengler hofft, dass die Gesellschaft möglichst bald den Pfad in ihr gewohntes Leben zurückfindet. Andernfalls, sagt sie, würden die Folgen noch dramatischer werden. Schon jetzt registrieren Kompetenzzentren wie das Helios Park-Klinikum Leipzig eine deutliche Zunahme der Inanspruchnahme von psychischen Hilfen bei Erwachsenen und ganz besonders bei Kindern und Jugendlichen. Diese bedürfen in ganz entscheidender Weise unserer Unterstützung, um ihre und unser aller Zukunft zu gestalten. „Es ist lange her, dass unsere Gesellschaft in so existenzieller Weise und von so globaler Tragweite gefährdet war. Die Anstrengungen, diese Herausforderung zu meistern, müssen nicht weniger groß, ernsthaft und gemeinschaftlich sein”, betont Prof. Katarina Stengler.