Die Ursachen für Stress im Rahmen einer psychischen Erkrankung lassen sich unter Umständen nur unter dem Mikroskop erkennen. Es sind Neurotransmitter, kleine Bausteine von Eiweißmolekülen, wie sie im Körper überall vorhanden sind und die als Überträgerstoff agieren. Ihre Aufgabe ist es, Reize zwischen den Nervenzellen zu verstärken oder zu modulieren. Meist sind es jedoch äußere Umstände und individuelle Bedingungen, die weit vor einer Erkrankung zu negativem Stress führen.
Grundlegend gefährlich wird negativer Stress erst dann, wenn er chronische Ausmaße annimmt. „Betroffene führen dabei nicht selten ein Leben in der Schwebe. Fragen und Probleme, ganz gleich ob finanzieller, beruflicher oder familiärer Natur, lassen diese Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen, fordern sie ständig auf ein Maximum heraus“, erläutert Prof. Dr. Katarina Stengler, Direktorin des Zentrums für Seelische Gesundheit und Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Helios Park-Klinikum Leipzig. In Folge solcher Belastungen erleiden Patienten vielfach Depressionen, emotionale Erschöpfungszustände (Burnout) oder das Risiko somatischer Folgeerkrankungen wie schmerzhafter Magengeschwüre oder Herz-Kreislauferkrankungen.
Medizinisch versorgen lassen sich diese Krankheitsbilder allesamt. Jedoch ist das ein langwieriger, kostenintensiver Prozess. Wesentlich besser wäre es daher, psychischen Erkrankungen präventiv vorzubeugen. „Für eine Vielzahl bekannter Krankheiten gibt es heute Vorsorgemaßnahmen, an die sich die Menschen überwiegend halten. Die Psychoprophylaxe hingegen wird noch immer stiefmütterlich behandelt“, bedauert Prof. Stengler. Dabei gibt es ihrer Ansicht nach viele einfache Mittel und Wege, einer chronischen Erkrankung der Psyche frühzeitig die Stirn zu bieten. Körperlichen Ausgleich, in Form von Bewegung, nennt sie hierfür, aber auch geistige Abwechslung, wie man sie beim Lesen findet, beim Anschauen eines Films oder bei Gesellschaftsspielen. „Ohnehin“, fügt die Medizinerin an, „sind intakte soziale Beziehungen ein wichtiger Baustein für die seelische Gesundheit“. Der Mensch ist kein Einzellebewesen, braucht langfristig geistigen und vor allem emotionalen, sozialen Austausch sowie die Nähe und Gesellschaft anderer Menschen. „Einsamkeit birgt ein enormes Risiko für psychische Erkrankungen. Corona hat uns das deutlich vor Augen geführt”, erläutert sie.
Ein stabiles soziales Umfeld ist daher wichtig, will man alle Krisen, die das Leben unweigerlich mit sich bringt, meistern. Menschen, die ihr Dasein in Armut bestreiten, sind daher wesentlich anfälliger für psychische Erkrankungen. Ihre Resilienz, also die Fähigkeit, auf Probleme und Veränderungen mit entsprechend positiver Anpassung ihres Verhaltens reagieren, ist schwächer ausgeprägt. Umso mehr gilt für sie, im Bedarfsfall schnell und unvoreingenommen Hilfe anzunehmen.
Dass die Zahl psychisch kranker Menschen zunimmt, kann Prof. Katarina Stengler nicht bestätigen. Was ihrer Ansicht nach aber tendenziell steigt, ist eine immer frühzeitigere Inanspruchnahme von Behandlungen, bei deutlich niedrigschwelligerem Bedarf nach Unterstützung in psychischen Krisen. Lange Wartezeiten bleiben da nicht aus. Genau hier, regt Prof. Stengler an, müsse man reagieren. „Uns fehlen mehr Beratungsangebote außerhalb der Kliniken und Psychopraxen. Ganz besonders für Menschen, die unter einem hohen Leistungsdruck stehen, beginnend bei Schülern oder Studenten“, fordert sie. Wenn es gelingt, das Zeit- und Stressmanagement dieser Personen positiv zu verändern, könne bereits viel erreicht werden.
Angesichts einer sich verändernden, immer individueller werdenden Gesellschaft braucht es zwingend Maßnahmen, um Menschen vor psychischer Erkrankung zu schützen. Und zwar lange bevor diese Krankheit zum Ausbruch kommt.
- Ausreichend schlafen.
- Regelmäßig bewegen (hier hilft bereits ein Spaziergang im Freien).
- Entspannungsübungen in den Alltag einbauen (auch wenn es nur ein paar Minuten sind).
- Gesund und ausgewogen essen und sich dafür Zeit nehmen.
- Ruhezonen zur Entspannung schaffen.
- Digitale Auszeit gönnen und das Smartphone einfach mal weglegen.
- Positiv denken.