Suchen
Menü
Schließen

Schwerbehindertenvertretung: Sicheres Begleiten auf schwerem Weg

Heike Dressler und Steffi Kannenberg setzen sich für Menschen mit Schwerbehinderungen am Herzzentrum und Helios Park-Klinikum Leipzig ein.
19. Dezember 2020

Es ist eine unglaubliche Zahl. 7,9 Millionen, also fast jeder zehnte Deutsche, gilt in der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik als schwerbehindert. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990. Trotz erschwerter Bedingungen soll der Arbeitsmarkt diesen Menschen aber nicht verschlossen bleiben. Hilfe und Unterstützung erhalten die Betroffenen hierbei unter anderem durch betriebliche Interessensvertretungen.

Wer von sich sagt, er habe eine hochgradige Behinderung, erntet noch immer befremdliche Blicke. Mitleid mischt sich darin ein, die eigene Unfähigkeit mit der Situation umzugehen, manchmal aber auch Skepsis. Vor allem dann, wenn die Behinderung nicht offensichtlich zu erkennen ist.

Hiltrud Weiß-Trocchi hat einen Grad der Behinderung von 50. Sie ist somit schwerbehindert. Die Ärztin und Psychotherapeutin leidet seit Jahren an einer Multiplen Sklerose. Spastische, krampfartige Lähmungen und Koordinationsstörungen prägen anfangs das Krankheitsbild. Sie beeinflussen das tägliche Leben und stellen Betroffene wie Hiltrud Weiß-Trocchi vor enorme Herausforderungen.

Schwerbehindertenvertretung: Sicheres Begleiten auf schwerem Weg

Ein „normales“, unbeschwertes Dasein ist ihr nicht möglich. Privat wie am Arbeitsplatz. Die Zahl derer, die das betrifft, steigt beständig an. Pro Jahr um über 100.000 Personen. Die erste Anlaufstelle für Betroffene, wie Hiltrud Weiß-Trocchi, ist im Betrieb häufig die Schwerbehindertenvertretung, welche in jedem Betrieb mit mindestens fünf schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Beschäftigten gewählt werden sollte. Vorrangige Aufgabe dieser Interessensvertretung ist es, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in der Dienststelle zu fördern. Sie vertritt deren Interessen in der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Damit wird sie zum wichtigen Bindeglied zwischen dem Betroffenen, dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat, aber auch unterstützenden Stellen wie Rentenversicherungsträger oder Integrationsamt. „Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass fünf Prozent der Arbeitsplätze eines Unternehmens durch Schwerbehinderte zu besetzen sind. Das gilt auch für den Helios Klinikstandort in Leipzig“, verdeutlicht Heike Dressler. Als Schwerbehindertenvertretung für das Herzzentrum Leipzig und Gesamtvertretung für das Helios Unternehmen kennt sie die Rechte Schwerbehinderter, aber auch deren Sorgen und Nöte nur zu gut. „Oft sind es schon kleine Dinge, mit denen man viel erreichen kann. Eine bessere Lichtquelle, ein größerer Bildschirm, Umgestaltungen am Arbeitsplatz oder in der Arbeitsorganisation“, erläutert sie.

„Als Betroffene war mir lange Zeit nicht klar, welche Hilfen ich von den unterschiedlichen Kostenträgern erhalten und wie meine Teilhabe am Arbeitsplatz unterstützt werden kann“, unterstreicht Hiltrud Weiß-Trocchi die Aussagen von Heike Dressler. „Neben der Unkenntnis über zustehende Hilfen zählt oft auch die eigene Scham, die Schwerbehinderte in der Situation gefangen halten. Umso wichtiger ist es, dass diese Menschen erfahren, wo und durch wen ihnen Unterstützung wiederfährt“, sagt Steffi Kannenberg, die gewählte Schwerbehindertenvertretung für das Helios Park-Klinikum Leipzig, zu dem auch das Zentrum für Seelische Gesundheit zählt.

Das Aufgabenspektrum, dass sie und Heike Dressler abdecken, ist weitläufig. Beihilfen bei der Antragstellung auf Gleichstellung, Unterstützung im Widerspruchsverfahren bei ablehnenden Bescheiden, Beratung bei der Ausstattung des Arbeitsplatzes oder die Entgegennahme von Anregungen und Beschwerden der schwerbehinderten Beschäftigten sowie die Suche nach einvernehmlichen Lösungen, um nur einige zu nennen. „Beraten – Begleiten – Begegnen” lautet die Devise, unter der alle Initiativen stehen.

Eine erkrankte Psyche, starke Rückenbeschwerden, Krebserkrankung, Diabetes, Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Multiple Sklerose – wodurch ein Mensch zum Schwerbehinderten werden kann, ist sehr unterschiedlich. Je höher das Durchschnittsalter eines Unternehmens, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer steigt.

Gleichwohl die Arbeitgeber gemäß der erwähnten Quote verpflichtet sind, Schwerbehinderte einzustellen, wird Betroffenen der Weg in den Betrieb nicht immer leichtgemacht. Für den Arbeitgeber bringt die Einstellung eines Schwerbehinderten manchmal die Notwendigkeit mit, neue Pfade zu beschreiten. „Ich habe es selbst erlebt, dass eine Bewerbung abgelehnt wurde, nachdem meine Krankheit zur Sprache kam“, berichtet Hiltrud Weiß-Trocchi von ihren persönlichen Erfahrungen. Ein offenes Bekenntnis für die Belange der Schwerbehinderten – nicht selten wird er leider trotzdem zum Kampf gegen Windmühlen.

Dass schwerbehinderte Menschen Rechte haben und welche das sind, müsse noch stärker in die Köpfe aller, fordert Heike Dressler. Daher nutzen sie und Steffi Kannenberg Gespräche mit Betroffenen vor Ort dazu, um auch gesunde Beschäftigte für das Thema zu sensibilisieren. Denn nur im offenen und ehrlichen Umgang miteinander lassen sich die Probleme lösen, werden Schwerbehinderte das, was ihnen ohne Wenn und Aber zusteht – ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft.