Begriffserklärung Risikoschwangerschaft
Das Wichtigste vorab: Der Begriff „Risikoschwangerschaft“ bedeutet nicht automatisch, dass Probleme auftreten werden. Er sagt vielmehr, dass eine Schwangerschaft besonders eng und aufmerksam überwacht wird, um Mutter und Kind die bestmögliche Sicherheit zu geben.
Warum wird eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft eingestuft?
- Alter der Mutter: jünger als 18 oder älter als 35 Jahre
- medizinische Vorgeschichte: vorangegangene Fehlgeburten, Frühgeburten, Kaiserschnitt oder Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt, Erkrankungen der Mutter
- Mehrlingsschwangerschaften wie Zwillinge, Drillinge etc.
Diese Faktoren führen nicht zwangsläufig dazu, dass es in der Schwangerschaft oder unter der Geburt zu Problemen kommen wird. Sie erhöhen aber das Risiko für Komplikationen.
Vorerkrankungen der Mutter
Verschiedene gesundheitliche Probleme, mit denen die werdende Mutter bereits in die Schwangerschaft startet oder die sie im Verlauf entwickelt, können die Schwangerschaft beeinflussen. Dazu gehören:
Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen:
Sie erhöhen das Risiko für die sogenannte Präeklampsie (umgangssprachlich „Schwangerschaftsvergiftung“) und müssen deswegen engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls medikamentös eingestellt werden.
Wichtig: Grundsätzlich müssen alle Medikamente in der Schwangerschaft mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Dies trifft auch auf Blutdruckmittel zu, da nicht alle Präparate in der Schwangerschaft erlaubt sind.
Diabetes (Typ 1, Typ 2 oder Schwangerschaftsdiabetes):
Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann sowohl bei der Mutter als auch beim Baby zu Komplikationen führen. Bei der Schwangeren steigt beispielsweise das Risiko für Bluthochdruck oder Präeklampsie.
Ein Schwangerschaftsdiabetes erhöht bei Mutter und Kind das Risiko, später im Leben Diabetes-Typ2 zu entwickeln. Beim ungeborenen Kind führt die Zuckerkrankheit der Mutter in der Regel zu einem stärkeren Wachstum und einem höheren Geburtsgewicht und kann einen Kaiserschnitt nötig machen. Zudem können nach der Geburt Anpassungsstörungen (Unterzuckerung) auftreten.
Ein Diabetes in der Schwangerschaft muss ärztlich betreut werden. Mögliche Maßnahmen sind eine Ernährungsumstellung inklusive regelmäßiger Blutzuckerkontrollen und gegebenenfalls eine Insulintherapie.
Schilddrüsenerkrankungen
Sowohl eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) als auch eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) der Mutter können eine ernsthafte gesundheitliche Gefahr für das Baby darstellen und dessen Entwicklung beeinträchtigen. Bereits bei Beginn der Schwangerschaft bestehende Schilddrüsenerkrankungen müssen deswegen engmaschig betreut werden.
Wichtig: Durch die hormonellen Umstellungen ist es auch möglich, dass eine Schilddrüsenerkrankung erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Ein Bluttest, bei dem der TSH-Wert (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) bestimmt wird, gibt einen ersten Hinweis darauf, ob die Schilddrüse korrekt arbeitet.
Autoimmunerkrankungen
Viele Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Multiple Sklerose verlaufen in der Schwangerschaft anders: Manche Erkrankungen verbessern sich, während andere sich verschlechtern. Das liegt daran, dass das Immunsystem in der Schwangerschaft oft nicht vorhersehbar reagiert.
Schwangere mit Autoimmunerkrankungen müssen daher Hand in Hand von ihrer behandelnden Facharztpraxis und der gynäkologischen Praxis betreut werden.
Infektionskrankheiten
Tritt eine Schwangerschaft ein, stellt sich das Immunsystem um, damit das Baby nicht als Fremdkörper abgestoßen wird. Das ist auch der Grund, warum Schwangere oft anfälliger für Infektionen sind. Bei vielen banalen Infekten ist es ausreichend, wenn die Schwangere sich Zeit und Ruhe zum Genesen nimmt.
Manche Infektionen können jedoch auch ein Risiko für das Baby darstellen. Dazu gehören:
- Zytomegalie
- Röteln
- Ringelröteln
- Toxoplasmose
- Listerien
- Streptokokken
Wann immer der Verdacht auf eine dieser Infektionen besteht, sollte das durch einen Bluttest oder Abstrich kontrolliert werden. Die meisten Erkrankungen lassen sich heute so behandeln, dass Mutter und Kind gut geschützt sind.
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Komplikationen in der Schwangerschaft
Auch wenn Frauen zu Beginn der Schwangerschaft vollkommen gesund sind, können im Verlauf besondere Situationen auftreten, die eng überwacht werden müssen. Dazu gehören:
Blutungen in der Frühschwangerschaft
Meist sind Blutungen in der frühen Schwangerschaft harmlos. Sie können jedoch auch ein Hinweis auf eine Fehlgeburt oder eine Eileiterschwangerschaft sein. Jede Blutung sollte daher ärztlich abgeklärt werden.
Probleme mit der Plazenta
Es gibt verschiedene Komplikationen der Plazenta, die dazu führen können, dass Schwangerschaft oder Geburt beeinflusst werden.
So liegt bei der Plazenta praevia der Mutterkuchen vor dem Muttermund beziehungsweise weniger als zwei Zentimeter von ihm entfernt. Wird die Plazenta unter der Geburt verletzt oder lösen sich Teile von ihr, kann es zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. Häufig erfolgt bei einer Plazenta praevia deswegen ein Kaiserschnitt.
Wichtig: Der Mutterkuchen kann durch das Wachstum der Gebärmutter noch seine Lage verändern. Während die Plazenta praevia anfangs bei bis zu sechs Prozent aller Schwangeren diagnostiziert wird, liegt sie beim Entbindungstermin nur noch bei rund 0,4 Prozent vor.
Eine weitere Komplikation der Plazenta ist die Plazentainsuffizienz. Dabei handelt es sich um eine Funktionsstörung des Mutterkuchens, die dazu führt, dass das Baby nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen oder Sauerstoff versorgt wird. Eine diagnostizierte Plazentainsuffizienz muss eng kontrolliert werden, gegebenenfalls wird eine frühere Geburt nötig.
Zu wenig oder zu viel Fruchtwasser (Fruchtwasseranomalie)
Die Menge des Fruchtwassers kann ebenfalls Hinweise auf Komplikationen liefern.
Zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnion) kann auf mütterliche wie auch auf fetale, sprich beim Baby liegende Ursachen zurückgehen:
- Diabetes der Mutter
- Mehrlingsschwangerschaft
- Fehlbildungen beim Baby wie beispielsweise eine verengte Speiseröhre
- Anämie beim Baby, beispielsweise durch Rh-Antikörper im Blut des Fötus
- Infektionen bei Mutter und Baby
- genetische Störungen (Chromosomenanomalien) beim Baby
Zu den häufigsten Ursachen von zu wenig Fruchtwasser (Oligohydramnion) zählen:
- Plazentainsuffizienz
- eine zu lange andauernde Schwangerschaft
- genetische Störungen beim Baby
- Fehlbildungen beim Baby, vor allem der Niere
Meist verursacht eine Fruchtwasserstörung keine Beschwerden bei der Schwangeren selbst. Manchmal bemerken Schwangere aber, dass sich das Baby nicht mehr so viel bewegt wie zu einem früheren Zeitpunkt der Schwangerschaft. Die Diagnose Fruchtwasseranomalie wird typischerweise mithilfe der Ultraschalluntersuchung in der frauenärztlichen Praxis gestellt.
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Kann keine Ursache ermittelt werden, was in vielen Schwangerschaften der Fall ist, werden Wachstum und Versorgung des Babys eng kontrolliert.
Ist eine Vorerkrankung der Mutter wie zum Beispiel ein Diabetes ursächlich, steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund.
Ist zu wenig Fruchtwasser vorhanden, kann es nötig sein, die Geburt vorzeitig einzuleiten (meist zwischen 36. und 37. Schwangerschaftswoche).
Wachstumsverzögerungen des Babys
Von Wachstumsverzögerungen des Kindes spricht man, wenn das geschätzte Gewicht oder das tatsächliche Geburtsgewicht geringer ist als das Gewicht von 90 Prozent der Kinder zum selben Zeitpunkt der Schwangerschaft.
Ursachen für eine Wachstumsretardierung sind oftmals Plazentaprobleme, Infektionen oder Vorerkrankungen der Mutter.
Auch hier erfolgt eine enge Ultraschallkontrolle. Ist die Versorgung des Kindes nicht mehr ausreichend, wird in der Regel eine Entbindung vor Termin notwendig.
Vorzeitige Wehen oder Muttermundschwäche
Vorzeitige Wehen oder eine Muttermundschwäche sind riskant, weil mit ihnen eine Frühgeburt droht.
Die Behandlung erfolgt meist mit Medikamenten zur Wehenhemmung (Tokolyse) und Schonung. In manchen Fällen kann der operative Verschluss des Gebärmutterhalses, die sogenannte Cerclage, oder das Legen eines Pessars zur Stabilisierung des Muttermundes nötig sein.
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen
Mit dem Begriff „hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen“ werden verschiedene Erkrankungen in der Schwangerschaft zusammengefasst, bei denen Bluthochdruck und gegebenenfalls noch weitere Symptome auftreten. Zu ihnen gehören:
- Bluthochdruck (Hypertonie): Liegt der Bluthochdruck (≥ 140/90 mmHg) bereits bei Schwangerschaftsbeginn vor oder entwickelt er sich bis zur 20. Schwangerschaftswoche, spricht man von chronischer Hypertonie; entsteht er nach der 20. Schwangerschaftswoche handelt es sich um eine Gestationshypertonie.
- Präeklampsie: Meint das gemeinsame Auftreten von Bluthochdruck und erhöhter Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie) nach der 20. Schwangerschaftswoche.
- Eklampsie: Plötzliche Krampfanfälle der Schwangeren; die Eklampsie ist eine schwere Komplikation der Präeklampsie.
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen müssen eng vom behandelnden Arzt kontrolliert werden. Oft ist eine medikamentöse Behandlung nötig, gegebenenfalls erfolgt auch eine stationäre Behandlung der Schwangeren. In schweren Fällen ist die Geburt die beste Therapie.
Lebensstil- und Umweltfaktoren
Auch Lebensstil- und Umweltfaktoren können eine Rolle dafür spielen, dass eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft eingestuft wird. Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum bergen ein hohes Risiko für die gesundheitliche Entwicklung des Ungeborenen und sollten unbedingt unterlassen werden.
Starkes Untergewicht (BMI < 18,5) wie auch starkes Übergewicht (BMI ≥ 30) können ebenfalls Schwangerschaft und Geburt beeinträchtigen. Adipositas kann beispielsweise das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck und Präeklampsie erhöhen. Untergewicht hingegen kann zu einem verringertem Geburtsgewicht und Entwicklungsstörungen führen.
Bekannt ist heute zudem, dass dauerhafter Stress oder starke Ängste der Mutter ebenfalls einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben können. Hintergrund ist, dass das Stresshormon Cortisol die Plazentaschranke überwinden und damit beim Kind wirken kann. Möglich ist beispielsweise ein geringeres Geburtsgewicht oder auch eine Frühgeburt.
Wie wird eine Risikoschwangerschaft betreut?
Wird eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft eingestuft, wird das im Mutterpass vermerkt. Für die werdende Mutter bedeutet das:
- häufigere Vorsorgeuntersuchungen
- zusätzliche Ultraschalluntersuchungen
- spezielle Blut- und Urintests (je nach Diagnose)
- gegebenenfalls Betreuung durch eine spezialisierte Praxis oder Klinik
- Bei Komplikationen: stationärer Krankenhausaufenthalt und wenn nötig Entscheidung über Kaiserschnitt beziehungsweise Geburtseinleitung
Wichtig: Die engmaschige Kontrolle ist in erster Linie eine Sicherheitsmaßnahme und nicht etwa ein Zeichen, dass die Schwangeren oder ihr Baby in unmittelbarer Gefahr sind. Bei Risikoschwangerschaften arbeiten die Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachbereiche eng zusammen, um die werdende Mutter und das Ungeborene optimal zu begleiten.
Perinatalzentren: Welche Vorteile bieten sie?
Wenn eine Schwangerschaft oder Geburt mit besonderen Risiken verbunden ist, kann eine Entbindung in einem Perinatalzentrum („perinatal“ aus dem Lateinischen: rund um die Geburt) sinnvoll sein. Das sind medizinische Einrichtungen, die über eine besondere Ausstattung und spezialisierte Teams zur Betreuung von Risikoschwangerschaften sowie zur Versorgung von Frühgeborenen und kranken Neugeborenen verfügen.
Perinatalzentrum Level 1
Ein Perinatalzentrum Level 1 entspricht der höchsten Versorgungsstufe. Hier dürfen selbst die Kleinsten der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 Gramm entbunden und behandelt werden.
Hier finden Sie ein Perinatalzentrum Level 1:
- Helios Klinikum Berlin-Buch
- Helios Klinikum Erfurt
- Helios Klinikum Hildesheim
- Helios Klinikum Krefeld
- Helios Klinikum Pforzheim
- Helios Kliniken Schwerin
- Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden
- Helios Universitätsklinikum Wuppertal
Perinatalzentrum Level 2
In den Perinatalzentren des Levels 2 werden Schwangere und Frühgeborene ebenfalls auf höchstem medizinischen Niveau behandelt. Die Zentren sind so ausgestattet, dass Frühgeborene ab einem Geburtsgewicht von 1250 Gramm beziehungsweise ab der 29. Schwangerschaftswoche betreut werden dürfen.
Ein Perinatalzentrum Level 2 finden Sie hier:
Geburtsklinik mit perinatalem Schwerpunkt (Level 3)
Eine Geburtsklinik mit Level 3 wird nicht als Perinatalzentrum bezeichnet, sondern als Klinik mit perinatalem Schwerpunkt. Hier sind Geburten ab der 32. Schwangerschaftswoche sowie von Babys mit einem geschätzten Geburtsgewicht von mindestens 1500 Gramm möglich.
Eine Geburtsklinik mit perinatalem Schwerpunkt gibt es an folgenden Standorten:
- Helios Klinikum Bad Saarow
- Helios Klinikum Gifhorn
- Helios Klinikum Gotha
- Helios Klinikum Meiningen
- Helios Klinikum Niederberg
- Helios Klinikum Pirna
- Helios Vogtland-Klinikum Plauen
- Helios Klinikum Salzgitter
- Helios Kliniken Mansfeld-Südharz (Standort Sangerhausen)
- Helios Hanseklinikum Stralsund
- Helios Klinik Schleswig
- Helios Klinikum Uelzen
Für wen werden Perinatalzentren empfohlen?
Grundsätzlich kann sich jede Schwangere für eine Entbindung im Perinatalzentrum oder der Geburtsklinik mit perinatalem Schwerpunkt entscheiden. Liegen folgenden Faktoren vor, empfehlen Experten die Geburt in den spezialisierten Einrichtungen:
- schwerwiegende Erkrankung der Schwangeren
- Schwangerschaftskomplikationen
- vorhersehbare Probleme bei der Geburt
- Frühgeburt unter 32 Schwangerschaftswochen
- geschätztes Geburtsgewicht unter 1.500g
- Fehlbildungen beim Ungeborenen
- absehbare Erkrankungen des Neugeborenen
Die wichtigsten Fakten zur Risikoschwangerschaft
- Risikoschwangerschaft bedeutet, dass Schwangere und ihr Baby engmaschiger überwacht werden
- Alter, Vorerkrankungen, die Anzahl der ungeborenen Kinder (Mehrlingsschwangerschaft) und der Lebensstil sind Risikofaktoren
- Komplikationen während der Schwangerschaft sind u. a Blutungen, Bluthochdruck, Diabetes, Plazentaprobleme
- Dank moderner Medizin und engmaschiger Kontrollen verlaufen die meisten Risikoschwangerschaften normal
Gemeinsamer Bundesausschuss Online: https://perinatalzentren.org/... (Zugriff am 28.08.2025)