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Somatoforme Störung – was ist das?

Manche Menschen leiden unter körperlichen Beschwerden, für die auch bei ärztlichen Untersuchungen keine Ursache gefunden wird. Trotzdem fühlen sich die Betroffenen stark beeinträchtigt. In solchen Fällen kann eine somatoforme Störung vorliegen. Wir erklären, was dahintersteckt.

25.09.2025 Lesedauer: - Min.
Medizinisch geprüft von Tim Marahiel
Frau schlägt Hände vors Gesicht
Inhaltsverzeichnis

Somatoforme Störung: Ein Teilgebiet der psychosomatischen Medizin

Die psychosomatische Medizin betrachtet den Menschen in seiner Gesamtheit – mit Blick auf das Zusammenspiel von Körper, Psyche und sozialen Einflüssen. Sie befasst sich unter anderem mit organisch erklärbaren Erkrankungen, die durch seelische Belastungen beeinflusst werden.

Bei somatoformen Störungen steht allerdings etwas anderes im Vordergrund: Hier leiden Betroffene unter körperlichen Beschwerden, für die sich keine ausreichende organische Ursache finden lässt. Die Symptome sind real und belastend – ihre Wurzeln liegen jedoch meist in unbewussten seelischen Konflikten. Somatoforme Störungen bilden somit ein eigenes Teilgebiet innerhalb der psychosomatischen Medizin.

Wie können sich somatoforme Störungen äußern?

Symptome können alle Organsysteme umfassen: vom Herz über die Lunge, den Darm, die Haut oder Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat. Häufige Beschwerden sind zum Beispiel:

  • Verdauungsstörungen wie Reizmagen oder Reizdarm (zum Beispiel Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung)
  • Herzbeschwerden und sogenannte „Herzängste“ (beispielsweise Herzstolpern, Druck- oder Beklemmungsgefühle in der Brust)
  • chronische Erschöpfung
  • chronische Schmerzen
  • Atembeschwerden (zum Beispiel das Gefühl von Luftnot oder eines Fremdkörpers im Hals)
  • funktionelle neurologische Störungen (etwa Schwindel, Lähmungsgefühle)
  • stressbedingte Reaktionen (wie Verspannungen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten)
  • Kreislaufbeschwerden

 

Wichtig: Nicht alle genannten Symptome sind ausschließlich auf eine somatoforme Störung zurückzuführen – sie müssen stets individuell ärztlich abgeklärt werden.

Somatoforme Störungen sind weit verbreitet. Die Übergänge zu anderen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen sind fließend.

 

Man unterscheidet vier Arten von somatoformen Störungen:

  • Die Somatisierungsstörung: Es treten verschiedene körperliche Beschwerden auf – oft schon vor dem 30. Lebensjahr.
  • Die autonome Funktionsstörung: Sie betrifft vor allem Organe, die vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden, etwa Herz, Verdauungstrakt, Atmung.
  • Die somatoforme Schmerzstörung: Betroffene leiden seit mindestens sechs Monaten an Schmerzen, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann.
  • Die hypochondrische Störung: Eine übermäßige Sorge, an einer ernsten Krankheit zu leiden, dominiert den Alltag – obwohl medizinisch keine entsprechende Diagnose vorliegt.

 

Der Leidensdruck und auch die Frustration sind häufig groß bei Betroffenen. Nicht selten haben sie viele ambulante oder stationäre diagnostische Aufenthalte hinter sich, Therapiemethoden der Alternativmedizin getestet oder diverse Selbstbehandlungsversuche unternommen – oft ohne anhaltende Besserung.

 

Wie werden somatoforme Störungen diagnostiziert?

Die Diagnose erfolgt in mehreren Schritten:

Schritt 1: klinische Diagnostik

Am Anfang steht eine sorgfältige körperliche Abklärung – häufig in der hausärztlichen Praxis. Wenn dabei keine körperlichen Ursachen gefunden werden, die Beschwerden weiterhin oder wiederholt auftreten oder mit psychischen Belastungen in Zusammenhang stehen, kommt die Psychosomatik ins Spiel.

Schritt 2: psychosomatische Diagnostik

Der Ausschluss von körperlichen Ursachen der Beschwerden ist jedoch noch keine abschließende Diagnose. Vielmehr bedarf es im nächsten Schritt einer gründlichen psychosomatischen Diagnostik. Statt Labor, Bildgebung oder medizintechnischer Untersuchung erfolgt die Einschätzung nun mit ausführlichen psychologischen Gesprächen und standardisierten Fragebögen. Dabei werden die berufliche und familiäre Situation, Vorerkrankungen und Medikamente sowie aktuelle Stressfaktoren abgefragt. Ansprechpartner ist ein Facharzt für Psychosomatische Medizin oder für Allgemeinmedizin mit einer Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung.

 

Eine somatoforme Störung liegt vor, wenn:

  • mehrere körperliche Beschwerden bestehen,
  • keine hinreichende körperliche Ursache vorliegt,
  • ein Zusammenhang mit seelischen oder sozialen Faktoren wahrscheinlich ist und
  • die Symptome über zwei Jahre anhalten.

 

Wichtig ist, somatoforme Störungen von anderen psychischen oder funktionellen Beschwerden abzugrenzen. Denn somatoforme Störungen können häufig mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen einhergehen.

MVZ in der Villa

Facharzt für Allgemeinmedizin

Körper und Seele sind untrennbar miteinander verbunden. Bei somatoformen Körperbeschwerden meldet sich oft die Psyche über den Körper – das ist keine Einbildung, sondern eine ernstzunehmende Erkrankung.

Prognose: Wie geht es nach der Diagnose weiter?

Leichte Formen somatoformer Störungen bessern sich oft von selbst – insbesondere, wenn sie früh erkannt und ernst genommen werden. Schon ein vertrauensvolles Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt kann entlastend wirken und Ängste abbauen. Sicherheit gibt auch ein späterer Kontrolltermin zur Überprüfung der Symptome.

Behandlungsansätze bei somatoformen Störungen

Mitunter können sich somatoforme Störungen verschlimmern. Wer länger als sechs Monate unter Symptomen leidet, ohne dass eine Behandlung zu einer Besserung geführt hat, sollte professionellen psychotherapeutischen Rat einholen.

Aufklärung (Psychoedukation) ist ein wichtiger Bestandteil jeder Therapie: Patientinnen und Patienten sowie Angehörige lernen, wie Körper und Psyche zusammenwirken, wie Symptome entstehen können und welche Rolle Stress, Konflikte oder persönliche Muster spielen. Dieses Wissen fördert das Verständnis und nimmt vielen Betroffenen die Angst vor einer "unerkannten schweren Krankheit".

Die ambulante Psychotherapie kann dabei helfen, den Auslöser der Symptome zu finden und besser mit seelischen Belastungen umzugehen. In der Therapie wird den psychosozialen Ursachen der Beschwerden auf den Grund gegangen. Dazu können anhaltender Stress, Konflikte im Privatleben oder im Arbeitsumfeld, Ängste oder eingefahrene Verhaltensweisen gehören. Die Therapie hilft auch dabei, den Umgang mit den körperlichen Symptomen zu verändern – durch bewusstes Wahrnehmen, Entlastung und neue Bewältigungsstrategien. Je nach Schweregrad kann die Behandlung auch stationär in einer Klinik für psychosomatische Medizin, in Tageskliniken oder Reha-Zentren erfolgen.

 

Daneben kommen weitere unterstützende Behandlungsmaßnahmen infrage:

  • Psychopharmaka, aber auch Medikamente gegen die Symptome der somatoformen Störung wie Schmerzen, Durchfall oder Herzrasen,
  • Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Meditation,
  • Stressbewältigungstraining oder
  • Bewegungstherapie und kreative Therapieformen (zum Beispiel Musik- oder Kunsttherapie).
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Was können Betroffene und Angehörige tun?

Selbsthilfe spielt für Betroffene eine große Rolle. Dazu gehören:

  • ein gesunder Lebensstil mit Bewegung, Schlaf und ausgewogener Ernährung,
  • Achtsamkeit im Umgang mit Stress,
  • stabile soziale Kontakte und
  • der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen.

 

Angehörige als wichtige Unterstützung

Die Begleitung durch Angehörige kann den Verlauf einer somatoformen Störung positiv beeinflussen. Entscheidend sind dabei Verständnis, Geduld und eine ausgewogene Unterstützung im Alltag.

 

  • Aufklärung über das Krankheitsbild fördert das Verständnis und hilft, die Beschwerden ernst zu nehmen – ohne sie infrage zu stellen.
  • Eine Übernahme aller Aufgaben durch das Umfeld ist nicht immer hilfreich. Stattdessen kann die Ermutigung zu Aktivitäten wie Spaziergängen, Hobbys oder sozialen Kontakten stabilisierend wirken.
  • Angehörige erleben häufig ein Spannungsfeld zwischen Mitgefühl und eigener Überforderung. Die Wahrung persönlicher Grenzen ist wichtig, um langfristig unterstützend bleiben zu können.
  • Eine Einbindung in therapeutische Prozesse – beispielsweise durch begleitende Gespräche oder Informationsangebote – kann das gegenseitige Verständnis stärken und zur Stabilisierung beitragen.·

Ein offener, informierter und respektvoller Umgang im sozialen Umfeld kann Betroffenen helfen, ihre Beschwerden besser zu bewältigen und neue Handlungsspielräume zu entwickeln.

 

Somatoformen Störungen vorbeugen

Prävention bedeutet in diesem Fall: eigene Ressourcen stärken und Warnsignale des Körpers ernst nehmen. Wer frühzeitig auf seine psychische Gesundheit achtet, Stress reduziert und Hilfe sucht, wenn Belastungen überhandnehmen, kann das Risiko deutlich senken – oder Rückfällen vorbeugen.

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