Prof. Dr. Uwe Mehlhorn, Ärztlicher Direktor und Chefarzt Herzchirurgie in der Helios Klinik für Herzchirurgie Karlsruhe, erklärt, welche Symptome auf einen Herzklappenfehler hinweisen und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Herzklappenfehler: Was steckt dahinter?
Das menschliche Herz ist mit vier Herzklappen ausgestattet: die Aortenklappe und Pulmonalklappe am Übergang der Herzkammern in die Blutgefäße und die Mitralklappe sowie Trikuspidalklappe als Verbindung der Vorhöfe mit den Herzkammern.
Die vier Herzklappen funktionieren wie Ventile und sorgen für einen geordneten Ein- und Ausfluss des Blutes zwischen dem Herz und den herznahen Blutgefäßen.
"Bei einem Herzklappenfehler liegt eine Funktionsstörung der Klappenventile im Herz vor. Wenn die Herzklappe nicht mehr richtig schließt, handelt es sich um eine Klappeninsuffizienz, bei der das Blut in die falsche Richtung fließen kann. Liegt eine Verengung vor, gelangt nur noch eine verminderte Menge Blut durch die Herzklappe", sagt Prof. Dr. Uwe Mehlhorn.
Ursachen für Herzklappenfehler
Hinsichtlich der Ursachen werden angeborene und erworbene Herzklappenfehler unterschieden:
Angeborene Herzklappenfehler:
- Aortenklappenstenose
- Pulmonalklappenstenose
Erworbene Herzklappenfehler:
- altersbedingter Verschleiß und Verkalkung
- Entzündung der Herzklappen (z. B. durch rheumatisches Fieber, Herzinnenhautentzündung oder Streptokokken)
- systemischer Lupus erythematodes
- Herzinfarkt
Wie äußert sich ein Herzklappenfehler?
Zu Beginn der Erkrankung sind die meisten Betroffenen beschwerdefrei. Symptome treten erst auf, wenn das Herz nicht mehr genügend Blut in den Körper pumpen kann.
Zu den typischen Symptomen zählen:
- Luftnot bei körperlicher Belastung
- unregelmäßiger, schneller oder langsamer Puls
- Wassereinlagerungen in den Beinen oder der Lunge
- Druckgefühl in der Brust
- ggf. Schwindel oder Ohnmacht
Rechtsherzklappenfehler
- Luftnot
- Wassereinlagerung in den Beinen
Linksherzklappenfehler
- verstärkte Luftnot
- Wassereinlagerungen in der Lunge
Welche Arten von Herzklappenfehlern gibt es?
Eine Herzklappenerkrankung führt entweder zu einer Verengung (Stenose) oder Undichtigkeit (Insuffizienz). Häufig tritt auch eine Kombination auf.
Herzklappenstenose
Bei einer Stenose handelt es sich um eine Verengung der Herzklappe. Dies führt zu einem Blutstau im Herzen, wodurch weniger Blut in den Körperkreislauf gelangt.
Ursachen können Ablagerungen in den Blutgefäßen, rheumatisches Fieber oder genetische Veranlagungen sein.
Das Krankheitsbild „Rheumatisches Fieber“ kann beispielsweise einige Wochen nach einer bakteriellen Streptokokken-Infektion auftreten. Aufgrund einer Autoimmunreaktion greifen die Abwehrkräfte körpereigene Zellen an.
Dies kann zu Entzündungen an Organen, Gelenken oder der Haut führen. Diese Erkrankung hat allerdings nichts mit dem sogenannten „Rheuma“ bei Arthritis der Gelenke zu tun.
Herzklappeninsuffizienz
Liegt eine Insuffizienz vor, schließt die Herzklappe nicht mehr richtig. Ein Teil des Blutes fließt zurück.
Ursachen können sein:
- eine erweiterte Herzkammer oder Hauptschlagader
- ein geschwächtes oder geschädigtes Klappengewebe
- ein Mitralklappenprolaps (eine Vorwölbung der Mitralklappe)
- akute, meist durch aggressive Bakterien verursachte Entzündungen
- genetische Veranlagung
Diagnose des Herzklappenfehlers
Beim Abhören des Brustkorbs ist in der Regel ein typisches Herzgeräusch zu vernehmen, das durch die Herzerkrankung verursacht wird. So sind angeborene Herzfehler bereits während einer U-Untersuchung im Babyalter oder bei Routinekontrollen gut festzustellen. Auch bei erworbenen Herzklappenfehlern kann Abhören bereits erste Hinweise geben.
Um den Verdacht zu bestätigen, können Kardiolog:innen anschließend eine Ultraschall-Untersuchung (Echokardiographie) des Herzens machen. Der Herz-Ultraschall erfolgt sowohl von außen über den Brustkorb als auch von innen über die Speiseröhre, ein sogenanntes „Schluck-Echo“.
Weitere Untersuchungen zur Sicherung des Verdachts auf einen Herzklappenfehler sind unter anderem: EKG, Thorax-Röntgen, Herz-MRT und eine Herzkatheteruntersuchung.
Behandlung eines Herzklappenfehlers
Welche Behandlung infrage kommt, hängt davon ab, wie geschädigt die Herzklappe ist. Auch die Beschwerden des Patienten, das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand spielen eine Rolle.
Medikamente können die Beschwerden des Patienten zunächst meist lindern. Dazu zählen:
- harntreibende Medikamente
- ACE-Hemmer
- AT 1-Anatgonisten
- Betablocker
"Allerdings lässt sich ein Fehler der Herzklappe oft nicht allein durch eine Therapie mit Medikamenten beheben. Diese dienen eher einer Entlastung im Alltag des Patienten, bis eine Herzklappen-Operation durchgeführt wird", so Prof. Dr. Uwe Mehlhorn.
Prinzipiell kann jede defekte Herzklappe chirurgisch ersetzt werden. Dazu gibt es biologische oder mechanische Herzklappenprothesen. Undichte Klappen können häufig rekonstruiert und wieder voll funktionstüchtig gemacht werden. Eine verengte Herzklappe muss chirurgisch ersetzen werden.
Die Eingriffe erfolgen heute in den meisten Fällen minimal-invasiv, sodass über einen kleinen Schnitt am Brustkorb der Zugang zum Herzen erfolgt oder häufig sogar endoskopisch operiert wird.
In den letzten Jahren nimmt das Einsetzen von Aorten-Herzklappenprothesen mit dem Herzkatheterverfahren zu. Die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation, kurz TAVI, stellt ein schonendes Verfahren dar, bei dem die Ersatz-Aortenklappe mittels Katheter meistens über die Schlagader in der Leiste exakt in Position gebracht werden kann.
Leben mit einem Herzklappenfehler
Ein Klappenfehler kann je nach Schweregrad zu geringer bis hochgradiger Einschränkung der Belastbarkeit führen. Es kann auch zum (akuten) Herzversagen mit Todesfolge kommen.
Daher rät Prof. Dr. Uwe Mehlhorn: "Es ist wichtig, Herzklappenfehler nicht zu verschleppen, sondern durch regelmäßige Kontrollen beim Kardiologen den richtigen Zeitpunkt für eine Behandlung zu bestimmen."
Konnte die Herzklappe rechtzeitig repariert oder ersetzt werden und sind noch keine Folgeschäden am Herzen oder anderen Organen entstanden, ist die Lebenserwartung der Patienten ganz normal.
FAQ Herzklappenfehler: Die häufigsten Fragen und Antworten
1. Kann ich mit einem Herzklappenfehler Sport treiben?
Sportliche Aktivitäten sollten ärztlich besprochen und freigegeben sein. Welcher Sport bei einem Herzklappenfehler empfohlen wird, hängt von der Art der Erkrankung ab:
Aortenklappenstenose: Sehr intensive Belastung vermeiden, verträglich sind meist entspanntes Gehen oder leichtes Radfahren.
Aortenklappeninsuffizienz: Statische Muskelanspannung vermeiden, verträglich sind ebenfalls meist leichtes Radfahren oder Walken.
Mitralklappenerkrankungen: Belastung langsam steigern, sonst kann es zu Atemnot kommen. Gleichmäßige Bewegungen wie Schwimmen oder Radfahren gelten als empfehlenswert.
2. Darf ich mit Herzklappenfehler fliegen oder Fernreisen machen?
Das kommt auf die Schwere des Fehlers an. Grundsätzlich ist Fliegen möglich, es sollte jedoch mit der behandelnden Ärztin/Kardiologin beziehungsweise dem behandelnden Arzt/Kardiologen abgesprochen werden.
3. Wie ist die Lebenserwartung mit Herzklappenfehler?
Bleiben Herzklappenschäden dauerhaft unbehandelt, ist das Risiko sehr hoch, daran zu versterben. Beispielsweise kann aufgrund der hohen Beanspruchung des Herzmuskels ein akutes und lebensbedrohliches Herzversagen auftreten.
Wird der Herzklappenfehler rechtzeitig behandelt, haben Betroffene in der Regel eine normale Lebenserwartung.
4. Wie schnell kann sich ein Herzklappenfehler verschlechtern?
Häufig ist der Körper in der Lage, die Folgen einer verengten oder nicht mehr korrekt schließenden Herzklappe viele Monate oder gar Jahre auszugleichen, ohne dass Beschwerden entstehen. Erworbene Herzklappenfehler bleiben daher oft lange unerkannt und verschlechtern sich meist nur schleichend. Im Falle von Entzündungen kann sich die Erkrankung aber auch sehr rasch verschlechtern.
5. Herzklappenfehler: Wie oft sollte ich zur Kontrolle gehen?
Betroffene sollten regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, von Kardiologinnen oder Kardiologen kontrolliert werden. Denn: Herzklappenerkrankungen können sehr langsam, aber auch sehr schnell voranschreiten.
6. Muss jeder Herzklappenfehler operiert werden?
Bei schweren erworbenen Herzklappenerkrankungen ist die operative Behandlung meist unumgänglich, ebenso wenn die Patientinnen und Patienten in ihrer Leistungsfähigkeit spürbar eingeschränkt sind.
Kinder mit angeborener Herzklappenerkrankung werden in der Regel immer operativ behandelt, um ihnen eine normale Lebenserwartung zu ermöglichen.
7. Ist ein Herzklappenfehler vererbbar?
Inzwischen weiß man, dass Herzklappenfehler auch vererbt werden können. So liegt eine mögliche Ursache in einem Gendefekt des Gens ADAMTS19.
Grundsätzlich gilt: Treten familiär häufig Schwächeanfälle oder Ohnmacht auf oder gibt es gehäuft Herzerkrankungen, sollte frühzeitig eine kardiologische Untersuchung erfolgen.
8. Herzklappenfehler und Schwangerschaft – ist das möglich?
Die meisten Schwangerschaften von Frauen mit angeborener Herzerkrankung verlaufen heute für Mutter und Kind gut. Um sicherzustellen, dass ein Herzklappenfehler optimal behandelt wird, sollte eine Frau mit Kinderwunsch vor Eintritt einer Schwangerschaft das Gespräch mit der betreuenden Kardiologin beziehungsweise dem betreuenden Kardiologen suchen.
Klar abgeraten von einer Schwangerschaft wird bei:
- schwerer Aortenklappenstenose
- schwerer Mitralklappenstenose
- Aortenklappe mit zwei statt drei Taschen und vergrößerter Aorta
Das Sterberisiko durch eine Schwangerschaft ist für die Frau zu hoch.