Alexis Rodriquez Mogena ist Oberarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Helios Klinik Titisee-Neustadt. Der Experte weiß, wann es notwendig wird, eine Geburt einzuleiten und kennt die verschiedenen Methoden. Außerdem gibt er Tipps, wie Wehen natürlich gefördert werden können.

Geburt einleiten und Wehen fördern
Eine typische Schwangerschaft dauert etwa 40 Wochen und endet mit dem Blasensprung, dem Einsetzen der Wehen und der Geburt des Kindes – so die Theorie. Was aber, wenn Komplikationen auftreten oder nach der 40. Schwangerschaftswoche keine Wehen einsetzen?
Wann muss die Geburt eingeleitet werden?
Die Einleitung der Entbindung ist vor allem dann notwendig, wenn das längere Hinauszögern gesundheitliche Risiken für die schwangere Frau und ihr Baby bedeutet. Bei einer unauffälligen Schwangerschaft, die bereits länger als der errechnete Geburtstermin dauert, bieten die meisten Experten ab der Schwangerschaftswoche (SSW) 41+0 an, die Geburt einzuleiten. Besonders bei Schwangeren über 40 Jahren, Frauen mit Übergewicht oder Raucherinnen ist eine künstliche Einleitung der Wehen ab SSW 42 sinnvoll. Ab SSW 41+3 wird sie meist empfohlen.
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Zwei Wochen nach dem errechneten Termin, rate ich unbedingt zu einer Geburtseinleitung, um das Wohl des Kindes nicht zu gefährden.
Eine Geburtseinleitung wird ab dann notwendig, um Folgeschäden, wie ein zu hohes Geburtsgewicht, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt oder im schlimmsten Fall den Kindstod zu vermeiden. Diese Empfehlungen bestätigt auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).
Gut zu wissen: Jede Frau entscheidet selbst, ob und wann die Geburt ihres Kindes eingeleitet werden soll. Wenn sich die Mutter trotz ärztlichem Rat gegen das Einleiten der Wehen entscheidet, muss sie schriftlich erklären, dass sie die Risiken selbst trägt.
Weitere Gegebenheiten, die eine Einleitung der Entbindung notwendig machen:
- Wunscheinleitung
- vorzeitiger Blasensprung
- zu wenig Fruchtwasser
- Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie)
- Schwangerschaftsdiabetes
- abnehmende Kindsbewegungen
- unverhältnismäßig großes Kind
Ablauf & Methoden der Geburtseinleitung
Eine Geburt kann sowohl medikamentös als auch mechanisch eingeleitet werden.
Medikamentöse Geburtseinleitung
- Oxytocin: Das Hormon Oxytocin wird über eine Infusion verabreicht, vor allem dann, wenn der Muttermund bereits weich und reif ist. Dabei spricht man auch von einem sogenannten "Wehentropf". Oxytocin erhöht den Kalziumgehalt der Gebärmutterwand, was Wehen fördern kann. Außerdem unterstützt das Hormon die Produktion von Prostaglandinen, welche den Muttermund weicher machen.
- Prostaglandine: Prostaglandine werden entweder in Form von Tabletten oder als Scheidenzäpfchen verabreicht. Das Medikament bewirkt, dass der unreife Muttermund weicher wird, sich lockert und schließlich öffnet.
Die medikamentöse Geburtseinleitung erfolgt unter engmaschigen Kontrollen von Mutter und Kind sowie einer Überwachung des Ungeborenen per Kardiotokografie (CTG) im Kreissaal.
Mechanische Geburtseinleitung
Wehen können nicht nur medikamentös angeregt werden.
Ballon-Katheter:
Mit Hilfe eines Ballon-Katheters (Dilator), der vaginal eingeführt und mit Kochsalz gefüllt wird, kann Druck auf den Muttermund ausgeübt werden, sodass sich dieser ausdehnt. Der weibliche Körper reagiert mit der Ausschüttung von Prostaglandinen, was den Muttermund reifen lässt. Dies kann Wehen auslösen, auch, wenn der Muttermund noch geschlossen ist. Während der Behandlung kann die Schwangere zusätzlich Oxytocin erhalten.
Wegen eines erhöhten Infektionsrisikos darf die Ballon-Katheter-Methode nicht angewendet werden, wenn die Schwangere bereits einen Blasensprung hatte.
Eipolsablösung
Eine weitere Methode, um Wehen zu fördern, nennt sich Eipolablösung, auch Zervix-Stripping. Bei der Eihaut handelt es sich um die äußere Hülle der Fruchtblase, die um den Muttermund an der Wand der Gebärmutter klebt. Bei der Eipollösung trennen Arzt oder Hebamme die Eihaut vom Gebärmutterrand ab. Dazu führen sie einen Finger in die Vagina ein und massieren sanft den Gebärmutterhals. Sobald die Eihäute abgelöst sind, produziert der Körper eine große Menge an Prostaglandinen. Dieses Hormon kann den Muttermund weichmachen und Wehen auslösen.
Öffnen der Fruchtblase
Eine weitere Methode, um eine Geburt einzuleiten, stellt das Öffnen der Fruchtblase dar (Amniotomie). Dies erfolgt allerdings nur bei reifem Muttermund und guter Lage des kindlichen Kopfes. Bei der Amniotomie führt die Hebamme oder ein Arzt einen Plastikhaken durch die Scheide in den vorderen Bereich der Gebärmutter ein und sticht dort ein Loch in die Fruchtblase. So kann das Fruchtwasser ablaufen und die Kontraktionsfähigkeit des Uterus wird stimuliert. Das Eröffnen der Fruchtblase ist für Mutter und Kind schmerzfrei.
Risiken der Geburtseinleitung
Das Hauptrisiko einer eingeleiteten Entbindung ist das Ablösen der Plazenta (Mutterkuchen) im Mutterleib. Dadurch kann der Mutterkuchen das Ungeborene nicht mehr richtig versorgen. Im schlimmsten Fall kann es hier zu einem Sauerstoffmangel des Kindes während der Geburt kommen (Hypoxie) oder sogar zum Kindstod. Komplikationen zeigen sich hierbei durch ein sogenanntes pathologisches CTG.
Zu den weiteren Risiken für Mutter und Kind zählt die seltene Uterusruptur. Darunter versteht man ein spontanes Aufreißen des Uterus, welches zum Ausstoßen des Fötus in die Bauchhöhle führen kann. Außerdem kommt es bei einer künstlich eingeleiteten Geburt etwas häufiger zum gefürchteten Gebärmutterriss. Nach der Geburt sind die Blutungen der Mutter zudem manchmal stärker, weil die Gebärmutter mehr Mühe hat, sich wieder zusammenzuziehen. Auch Herzprobleme der Frau während der Entbindung können auftreten. Des Weiteren ist die Infektionsgefahr der Gebärmutter bei einer eingeleiteten Geburt erhöht.
Eine künstlich eingeleitete Entbindung wird von manchen Frauen außerdem als überdurchschnittlich schmerzhaft empfunden. Dies liegt daran, dass der Körper nicht genug Zeit hat, ausreichend schmerzunterdrückende Hormone, auch Endorphine genannt, auszuschütten. Deshalb ist meistens die Gabe schmerzstillender Medikamente notwendig.
Wehen fördern – das können Sie tun

Eine Schwangere kann ab dem errechneten Geburtstermin auch selbst versuchen die Wehen anzuregen. Dazu eignen sich einige natürliche Maßnahmen, die geburtseinleitend wirken können.
Wehenfördernde Lebensmittel
In der Geschichte der Medizin gibt es einige Berichte über Lebensmittel und deren Bestandteile, die die Wehen einer werdenden Mutter fördern können. Dies ist allerdings nicht wissenschaftlich belegt, sondern beruht viel mehr auf Erfahrung und Beobachtungen. „Lebensmittel, Hausmittel und andere homöopathische Verfahren werden heutzutage nicht mehr empfohlen, um Wehen zu fördern“, sagt der erfahrene Oberarzt.
Natürliche Mittel zum Wehen fördern
Spaziergang, Putzen und Treppensteigen: Bewegung in der letzten Phase der Schwangerschaft ist gesundheitsfördernd für Mutter und Kind und kann darüber hinaus die Wehentätigkeit fördern oder sogar auslösen. Dabei ist es wichtig, den Körper bewusst wahrzunehmen, um ein zu hohes Pensum an Bewegung und Erschöpfung zu vermeiden. Außerdem gilt Geschlechtsverkehr im Endspurt der Schwangerschaft als wehenfördernd. Dies hat zwei Gründe: Zum einen ist im Sperma das Hormon Prostaglandin enthalten. Dies lockert den Muttermund, sodass dieser sich mit den Wehen öffnen kann. Zum anderen schüttet der Körper der Frau bei einem Orgasmus das Hormon Oxytocin aus. Dieses bewirkt, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht. Die Kontraktionen können die Wehentätigkeit anregen. Sex als Wehenauslöser funktioniert jedoch nur, wenn der Körper der Frau und das Kind geburtsbereit sind.

Eine weitere hilfreiche Maßnahme kann ein warmes Bad sein. Angenehm warmes Wasser kann zur Entspannung der Schwangeren beitragen und Wehen anregen. Falls der Kreislauf der Frau Probleme macht, sollte das Bad beendet werden und immer eine zweite Person anwesend sein.
Gut zu wissen: Das Baby bestimmt, wann die Geburt losgeht. Bevor es nicht bereit ist auf die Welt zu kommen, wird kein Bad, kein Spaziergang und kein Geschlechtsverkehr Wehen anregen. Möchte das Kind das Licht der Welt erblicken, spricht allerdings nichts dagegen, dem Geburtsvorgang auf die Sprünge zu helfen und die Wehen sanft zu fördern.