Hypnose ist längst kein Hokuspokus

Hypnose ist längst kein Hokuspokus

Ein tiefer Blick in die Augen, das Pendel, auf das man stiert oder die Hand auf der Stirn, die zum Blackout führt – vielfach bestimmen noch immer wirre Darstellungen das Bild der Hypnose. Doch dieses Bild ist falsch. Längst ist der wissenschaftliche Wert der Hypnose bewiesen, erklärt Matthias Lerche, Assistenzarzt in der Abteilung für Rhythmologie im Herzzentrum Leipzig.

Der Wunsch, sich das Rauchen abzugewöhnen, das eigene Gewicht zu reduzieren oder Stress besser bewältigen zu können, ist bei vielen groß. Nicht minder dominant ist aber auch der „innere Schweinehund“, der die Umsetzung des Vorhabens erfolgreich blockiert. Um diesem Dämon das Handwerk zu legen und somit das angestrebte Ziel in Erfüllung geht, setzen immer mehr Menschen auf die Hypnose. „Deren Wirkung ist medizinisch längst nachweisbar”, verdeutlicht Matthias Lerche. Er selbst ist ausgebildeter Hypnosetherapeut und weiß, welche Kraft in diesem Zustand des künstlich erzeugten Schlafes liegt.

Weniger Schmerzmittel

Längst praktizieren auch Ärzte die Hypnose, vornehmlich, um dadurch eine Schmerzreduktion zu erzielen. Vor allem Zahnärzte, Psychotherapeuten und Hebammen, aber auch Chirurgen und Unfallmediziner wissen deren Vorzüge zu schätzen. „Es gibt eine ganze Menge vielversprechender Informationen darüber, dass eine vor Operationen eingesetzte Hypnose des Patienten dessen Schmerz reduziert und gleichzeitig die Sedierung, also die Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems durch Beruhigungsmittel, reduziert werden kann“, betont der Mediziner. Sein Wunsch und Ziel sei es deshalb, gemeinsam mit Julia Fürstenhoff, die als Assistentin des Ärztlichen Direktors und Leitenden Arztes der Rhythmologie im Herzzentrum Leipzig tätig ist, die Hypnose auch im Klinikum fest zu etablieren.

Das Interesse bei den Patienten sei vorhanden, fügt Matthias Lerche an. „Sie suchen von eigenen Versuchen frustriert nach Methoden und Wegen, um ohne Zuhilfenahme von Medikamenten Stress zu reduzieren, ihren Schlaf zu verbessern, sich das Rauchen abzugewöhnen oder abzunehmen. Durch Hypnose oder Meditation ist das realisierbar“, betont er.

Sorge unbegründet

Während der Hypnose, erläutert Lerche, wird der Patient angeleitet, sich zu entspannen und sich in seiner Fantasie eine „alternative“ Wirklichkeit vorzustellen, wo er eigene Strategien entwickeln und damit Erfahrungen machen kann, die zur Bewältigung seines Problems in der Lebenswirklichkeit hilfreich sind. In der Trance, einem Zustand tiefer Entspannung und gleichzeitig erhöhter Aufmerksamkeit, gilt die Konzentration des Patienten während dieser Zeit seinen inneren Bildern, die er vor sich sieht. Jeder kennt diesen Zustand. Es ist vergleichbar mit dem Lesen eines Buches oder dem Anschauen eines Filmes. Äußere Geräusche werden ausgeblendet, Ängste oder Schmerzen gezielt bekämpft. Die Sorge, der Mediziner oder Therapeut könne den Betreffenden ohne dessen Willen in diesen Geisteszustand bringen, sind unberechtigt. Der Patient muss sich zur Behandlung bereit erklären, muss mit dem Ausführenden zusammenarbeiten – sonst funktioniert es nicht. Während der Trance, erläutert Matthias Lerche, komme das Unterbewusstsein mehr und mehr nach vorn. 

Man wird empfänglicher für Neues, findet den Weg zur Selbsterkenntnis mit einem gewissen Aha-Effekt,

erklärt Matthias Lerche, Assistenzarzt in der Abteilung für Rhythmologie.

Hypnose, fügt Lerche an, sei die Kunst mit der eigenen Vorstellungskraft zu arbeiten. Schmerzen, Phobien, Schlafstörungen, Übergewicht, ja sogar Migräne ließe sich damit wirkungsvoll behandeln.

Risiken sinken

Nachweisbar ist inzwischen auch die positive Wirkung der Hypnose auf das menschliche Herz. Patienten, die sich regelmäßig hypnotisieren lassen oder eine ähnliche Wirkung durch Selbsthypnose, also der bewussten Einkehr in das innere Ich, erzielen, haben weniger Herzrhythmusstörungen, sind ausgeglichener, schlafen besser oder senken sogar das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes um bis zu 70 Prozent. „Man könnte auch sagen, sie verbessern ihre Lebensqualität deutlich”, bringt es Matthias Lerche auf den Punkt.

Forschungsantrag

Da das Herzzentrum Leipzig und das Leipzig Heart Institute gemeinsam viele Forschungsprojekte im Bereich der Herzmedizin durchführen, wurde nun einen Antrag auf Unterstützung von Forschungsarbeit bei der Deutschen Herzstiftung gestellt. Untersucht werden soll dabei, welche positiven Auswirkungen man mit Hypnose in der Kardiologie und Rhythmologie erzielen kann.

Vielleicht wird es schon bald möglich sein, Patienten vor einer OP zu hypnotisieren, sodass sie angstfrei in den OP-Raum kommen. Das mindert nicht nur die Schmerzen, sondern verbessert nachweislich auch den folgenden Heilungsprozess,

verdeutlicht Matthias Lerche aus dem Herzzentrum Leipzig.

Angebote für zu Hause

Mit seiner Expertise als Hypnosetherapeut hat Matthias Lerche zusammen mit seiner Kollegin Julia Fürstenhoff eine Webseite mit weiteren Informationen für Interessierte erstellt. Auf der Seite findet sich unter anderem auch eine CD zum Thema "Gesunder Schlaf".

Tipps zum Anschauen & Ausprobieren

Im Rahmen des diesjährigen Herzseminars für Patienten hat Dr. Matthias Lerche einen Vortrag zum Thema „Weniger Herzrhythmusstörungen durch Meditation und Hypnose“ gehalten. Interessierte können sich diesen Vortrag auf dem YouTube-Kanal des Herzzentrums Leipzig anschauen (Vortrag beginnt ab 01:30:48) .

Wer gleich mal eine Meditation für mehr Entspannung ausprobieren möchte, kann sich hier gemeinsam mit Julia Fürstenhoff auf eine geführte Phantasiereise begeben.