„Sein bestes Stück zu verlieren ist ein starker Einschnitt in das Selbstwertgefühl – ich möchte das sehr gerne zurückgewinnen“, sagt Gerd T.*. Er liegt im Bett und erholt sich von einer Operation, die ihm ein vertrautes Lebensgefühl, zumindest zum Teil, zurückgeben soll. Optimistisch blickt er in die Zukunft. „Ich gehe davon aus, dass ich mit meinem ,neuen Penis' und später mit der Penisprothese einige wichtige Funktionen für mich zurückgewinne. Auch meiner Frau zuliebe!“, sagt er mit einem Lächeln.
Hinter Gerd T. liegt eine Operation, die nicht alltäglich ist: Prof. Ahmet Bozkurt hat seinem Patienten aus eigenem Gewebe einen neuen Penis aufgebaut. „Dazu wurde der Penis aus Unterarmgewebe mit einer Harnröhre neu geformt und mit dem nach der Tumor-OP übriggebliebenen Penisstumpf verbunden. Die eigenen Nerven und Blutgefäße haben wir an das Transplantat angeschlossen“, erklärt der Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische, Hand- und Verbrennungschirurgie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal „So ist eine gewisse Empfindsamkeit des neuen Organs zu erwarten. Auch das Wasserlassen dürfte wieder wie früher funktionieren.“
„Das kann ich inzwischen bestätigen,“ berichtet Gerd T. einige Monate nach der Operation. „Ich spreche sehr offen darüber, auch, dass dieser Körperteil für mich und bestimmt viele Männer sehr wichtig ist.“ Die Krebserkrankung, aufgrund derer sein Penis vor mehr als zwei Jahren bis auf einen kleinen Rest amputiert werden musste, hatte er gesundheitlich gut überstanden. Aber das Leben ohne Geschlechtsteil hat seine Psyche belastet. Mit der Unterstützung von Prof. Bozkurt und Hasan Akdeniz, Facharzt für Urologie, hat er es geschafft, dass die Kasse den Eingriff bewilligt hat. „Man war der Meinung: Das sieht man doch nicht! Aber jeder weiß, dieses Organ hat noch andere Funktionen als gut auszusehen“, sagt der 63-Jährige. „Meine Partnerin hat alles mitgemacht, vor ihr habe ich den größten Respekt. Und ich möchte wieder das Leben in vollen Zügen mit ihr genießen, auch körperlich.“
Damit es dazu tatsächlich kommen kann, wird der Patient in den kommenden Monaten, wenn das transplantierte Gewebe, fachsprachlich „Penoid“ genannt, gut verheilt ist, eine sogenannte Schwellkörperprothese erhalten. Dieses Verfahren ist jahrzehntelang bewährt und hilft Männern mit Erektionsstörungen. Es handelt sich um ein System, das eine Flüssigkeit aus einem Reservoir im Körperinneren in künstliche Schwellkörper pumpt. „Ob es mit der Methode zu einem Orgasmus kommt, ist dann eine Kopfsache, und häufig klappt es gut“, weiß Prof. Bozkurt aus Erfahrung.
Nach dem Penisaufbau gibt es zunehmend Nachfragen, da heute die Geschlechtsumwandlung für viele Menschen als gangbarer Weg zur Identitätsfindung möglich ist. „Wir sind eine der wenigen Kliniken in Deutschland, die Penoide aus körpereigenem Gewebe aufbauen können, und freuen uns sehr, den Männern oder Transmännern zu einem gewissen Grad damit bei ihrer körperlichen Veränderung, die sie sich sehnlich wünschen, verhelfen zu können“, sagt Prof. Bozkurt, der zu dem Thema auch wissenschaftlich arbeitet.
In einer veröffentlichten Studie hat er zum Beispiel mit untersucht, inwiefern die Patienten im Bereich des neuen Penoids ein Gefühl entwickeln oder an den Stellen, wo das Transplantationsgewebe entnommen wird, später Einschränkungen erleben. „Leider entstehen dort Narben – doch die Patienten fühlen sich zumeist dadurch nicht eingeschränkt“, berichtet Prof. Bozkurt die Ergebnisse einer Studie. „Alternative Methoden bieten die Möglichkeit des Penoidaufbaus mit Hautlappen vom Oberschenkel.“
Gerd T. war sich dieser Nebenwirkungen natürlich bewusst. „Als Fußballer bin ich, was Verletzungen angeht, zum Glück hart im Nehmen. Die anderen Funktionen waren mir wichtiger. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und freue mich über meinen neuen Körperteil, der inzwischen seine Funktionen gut erfüllt.“
*Name von der Redaktion geändert.