Frauenherzen erkranken oft anders
„In der westlichen Welt sind zwei Drittel der von Herzgefäßerkrankungen betroffenen Menschen nach wie vor Männer. Frauen sind durch die Geschlechtshormone viele Jahre gut davor geschützt. Aber wenn Frauen einmal erkrankt sind, trifft es sie deutlich schwerer: Ihre Sterblichkeit ist doppelt so hoch. Das Geschlecht muss bei der Diagnose und Therapie stärker berücksichtigt werden“, sagt Prof. Dr. Sandra Eifert, Herzchirurgin am Herzzentrum Leipzig und Leiterin der Frauenherzsprechstunde.
Die Geschlechterunterschiede erstrecken sich über den gesamten Verlauf einer Erkrankung – von den Risikofaktoren, über die Symptome und die Diagnostik bis hin zur Therapie. Besonders die unterschiedlichen Symptome erschweren und verzögern die Diagnosestellung.
Herzinfarktsignale bei Frauen: Von Übelkeit bis Kieferschmerz
„Die Symptome eines Herzinfarktes sind bei Frauen häufig nicht so eindeutig und diffuser als bei Männern, sodass ein Infarkt nicht immer sofort erkannt wird“, sagt Frau Professor Eifert.
Während Männer bei einem Herzinfarkt meist typische Beschwerden wie starke und ausstrahlende Schmerzen oder ein Engegefühl im Brustkorb haben, sind die Symptome der Frauen tendenziell eher unspezifisch und kündigen sich zum Teil mit Übelkeit und Erbrechen sowie allgemeinem Unwohlsein an.
Darüber hinaus können auch folgende Warnzeichen bei einem Herzinfarkt auftreten:
- Kurzatmigkeit beziehungsweise Atemnot
- Schweißausbrüche
- Rückenschmerzen
- Oberbauchschmerzen
- Schmerzen zum Hals und Unterkiefer
- Ziehen in den Armen
- Müdigkeit
Anzeichen ernst nehmen und erste Hilfe leisten
Wenn die Symptome über mehrere Wochen wiederholt auftreten oder sich sogar verstärken, sollten Sie diese abklären lassen.
Bei einem Herznotfall sind die wichtigsten Punkte nach der Deutschen Herzstiftung:
- Rufen Sie bei Verdacht auf einen Herzinfarkt den Rettungsdienst (Telefon: 112).
- Lagern Sie die Patientin oder den Patienten mit erhöhtem Oberkörper, indem Sie sie oder ihn zum Beispiel an eine Wand anlehnen. Finden Sie eine möglichst bequeme Position.
- Öffnen Sie enge Kleidung, zum Beispiel Kragen und Krawatte.
- Beruhigen Sie die Patientin oder den Patienten und bitten Sie sie oder ihn, ruhig und tief zu atmen.
- Lassen Sie die Patientin oder den Patienten nicht allein.
Unterschied Frauen- und Männerherzen
Obwohl Frauen- und Männerherzen funktionell gleich sind – sich anatomisch allerdings ein wenig unterscheiden –, entwickeln sie sich im Laufe des Lebens unterschiedlich. Bei Frauen hängt die Herzschwäche vor allem vom Alter und Diabetes mellitus ab. Hingegen spielt bei Männern vor allem die stark verringerte Pumpleistung des Herzens (Auswurfleistung) die entscheidende Rolle.
Herzschwäche bei Frauen: Ähnliche Beschwerden, aber andere Muster
Bei einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) zeigen Frauen meist ähnliche Symptome wie Männer. Oft stehen Atemnot und schnelle Erschöpfung sowie eine beeinträchtigte Belastbarkeit im Vordergrund.
Häufiger als bei Männern ist bei Frauen jedoch eine besondere Form der Herzschwäche: HFpEF, die Herzinsuffizienz mit erhaltender Auswurfreaktion. Gemeint ist damit, dass die Pumpleistung des Herzens im Ultraschall normal und nicht eingeschränkt ist, die Herzkammer sich allerdings nicht richtig entspannen kann, weil die Elastizität abnimmt und zu steif wird. In der Folge kann sie sich nicht richtig entleeren und verursacht die Beschwerden.
Auch emotionaler Stress scheint Frauenherzen mehr zu beeinträchtigen als Männerherzen. Die stressbedingte Form der Herzschwäche ist als Broken-Heart-Syndrom bekannt („Tako-Tsubo-Kardiomyopathie“) und betrifft überwiegend Frauen, vor allem nach den Wechseljahren.
Hierbei zeigen sich im Elektrokardiogramm (EKG) Veränderungen, die einem Herzinfarkt ähneln. Die Pumpfunktion des Herzens ist meist deutlich verringert und bestimmte Regionen der linken Herzkammer bewegen sich schlecht.
Ursache ist eine Überempfindlichkeit gegenüber Stresshormonen, die eine akute Herzschwäche auslösen können.
Typische Beschwerden bei einer Herzschwäche sind:
- Atemnot (anfangs bei Belastung, später auch in Ruhe)
- Schnelle Erschöpfung
- Rasche Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen in Beinen/Knöcheln
- Häufiges nächtliches Wasserlassen
- Husten und/oder Enge im Liegen
Verdacht auf Herzschwäche: Wann sollten Sie Beschwerden abklären lassen?
Sie sollten sich zeitnah untersuchen lassen, wenn folgende Symptome auftreten:
- neue oder zunehmende Atemnot, auch nachts
- nicht erklärbare Gewichtszunahme in wenigen Tagen
- plötzliche Beinschwellungen
Bluthochdruck bei Frauen: In bestimmten Lebensphasen riskanter
Bluthochdruck verläuft sowohl bei Männern als auch bei Frauen oftmals symptomlos und wird deswegen meist nicht bemerkt. Bei sehr hohen Blutdruckwerten können folgende Warnzeichen auftreten:
- Kopfschmerzen
- Sehstörungen
- Schwindel
- Nasenbluten
Je nach Lebensphase kann es für Frauen Umstände geben, durch die sich der Blutdruck erhöht und weitere Risiken hinzukommen. Dazu zählen:
- Schwangerschaft
- hormonelle Verhütung oder Hormontherapie
- Wechseljahre beziehungsweise Menopause
Bluthochdruck und Schwangerschaft
Manche Frauen starten bereits mit erhöhtem Blutdruck in eine Schwangerschaft (chronische Hypertonie), bei anderen entwickelt er sich in der Schwangerschaft (Gestationshypertonie). Kommt zum Bluthochdruck noch eine erhöhte Eiweißausscheidung im Urin hinzu, spricht man von einer Präeklampsie. Sie ist akut gefährlich für Mutter und Kind, ist behandlungsbedürftig und führt zur stationären Aufnahme.
Hormonelle Verhütungsmittel
Kombinationspillen können den Blutdruck erhöhen. Das Risiko dafür steigt vor allem, wenn folgende weitere Faktoren vorliegen:
- Rauchen
- Übergewicht (Adipositas)
- Migräne mit Aura
- familiäre Vorbelastung
Monopillen, die ausschließlich Gestagen enthalten, beeinflussen den Blutdruck weniger. Wichtig: Die Wahl der Verhütungspille ist immer individuell und erfolgt mit der Frauenärztin beziehungsweise dem Frauenarzt.
Wechseljahre und Menopause
Während und nach der Menopause steigt der Blutdruck durch den Wegfall des Östrogenschutzes häufig an. Siebenundsiebzig Prozent an Patientinnen mit Bluthochdruck sind postmenopausal – so die Ergebnisse der BEFRI-Studie.
Häufig tritt in dieser Lebensphase eine isolierte systolische Hypertonie auf, das heißt nur der „obere“ Wert ist zu hoch. Gerade diese Form des Bluthochdrucks erhöht jedoch das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko und sollte deshalb früh erkannt und behandelt werden.
Nicht zuletzt kann auch die Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren den Blutdruck leicht verändern. Oral eingenommene Präparate können bei manchen Frauen zu höheren Blutdruckwerten führen, während die transdermale Applikation via Pflaster oder Gel meist keine Auswirkung haben oder den Blutdruck sogar minimal senken.
Krankheiten, Medikamente, Alltagsfaktoren: Was den Blutdruck außerdem erhöht
Neben Schwangerschaft, hormoneller Verhütung und Wechseljahren gibt es noch zahlreiche weitere Faktoren, die den Blutdruck erhöhen können.
Folgende Erkrankungen können zu Bluthochdruck führen und sollten daher unbedingt behandelt werden:
- Nierenerkrankungen
- nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe)
- Gefäßverengungen
- Störungen der Schilddrüsenfunktion
- Bestimmte Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Lupus
- PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom)
Unterschätzt wird zudem oft, dass auch der eigene Lebensstil den Blutdruck beeinflussen kann. Blutdruckerhöhend wirken:
- zu hoher Salzkonsum, zum Beispiel durch häufigen Verzehr von Fertigprodukten
- Alkohol
- Bewegungsmangel
- Adipositas
- (dauerhafter) Stress
- Schlafmangel
Aufgrund der blutdruckerhöhenden Wirkung sollten bestimmte Medikamente bei bestehender Hypertonie nicht verwendet werden. Dazu zählen:
- Entzündungshemmende Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) wie Ibuprofen oder Diclofenac
- Kortison
- Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin
- Bestimmte Antidepressiva (Wirkstoffgruppe: Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, kurz SNRIs)
- Einige Migränemittel
Beim Erwerb freiverkäuflicher Medikamente sollten betroffene Frauen immer die Apothekerin beziehungsweise den Apotheker über einen vorliegenden Bluthochdruck informieren.
Bluthochdruck effektiv senken
Wichtig ist, den eigenen Lebensstil so zu verändern, dass der Blutdruck auf natürliche Weise gesenkt werden kann. Positiv wirkt sich aus:
- regelmäßig bewegen (Ausdauersport, Krafttraining, Spaziergänge, Treppensteigen, Gartenarbeit)
- Salzärmer essen
- Gewicht stabilisieren oder wenn nötig reduzieren
- Rauchstopp
- Alkoholkonsum begrenzen
- regelmäßiger Schlaf
- Stressreduktion, Entspannung, Aggressionsabbau
Ist dies nicht ausreichend, können und sollen Blutdrucksenkende Medikamente verordnet werden. Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach der Lebensphase und den Begleiterkrankungen:
- Angiotensinrezeptorblocker bzw. deren Vorgänger, die ACE-Hemmer
- Kalziumantagonisten
- Diuretika (entwässernde Medikamente)
- Betablocker
Wichtig: Verordnete Medikamente sollten konsequent eingenommen werden. Nebenwirkungen sollten unbedingt mit den behandelnden Ärzten besprochen werden.
Selbstfürsorge: 6 Tipps, mit denen Sie Ihr Herz stärken
- Bewegen Sie sich 5-mal wöchentlich 30 bis 45 Minuten.
- Setzen Sie auf die Mittelmeer-Ernährung mit viel Gemüse, Fisch, Olivenöl und Nüssen sowie Hülsenfrüchten.
- Gehen Sie regelmäßig zur Vorsorge – vor allem in der Schwangerschaft und ab den Wechseljahren.
- Reduzieren Sie Stress, bauen Sie Aggressionen ab und entspannen Sie sich!
- Lassen Sie Ihre kardiovaskulären Risikofaktoren prüfen: Blutdruck, Blutzucker und Blutfette inklusive Cholesterin und Lipoprotein (a). Bei Erhöhung einer dieser Werte Ernährungsumstellung und ggf. Medikation. Falls geschlechtsspezifische Risikofaktoren vorliegen, teilen Sie es mit und lassen Sie sich präventiv nach den aktuellen ESC-Leitlinien behandeln.
- Rauchstopp: Der Verzicht auf Zigaretten verlängert Ihr Leben um viele Jahre.
FAQ: Häufige Fragen – kurz beantwortet
Haben Frauen seltener Brustschmerzen bei einem Herzinfarkt?
Brustschmerz ist auch bei Frauen ein häufiges Symptom. Jedoch kommen zusätzliche Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit, Rücken- oder Kieferschmerzen sowie extreme Müdigkeit bei Frauen deutlich öfter vor als bei Männern.
Kann ein Herzinfarkt „stumm“ verlaufen?
Ja, ein Herzinfarkt kann „stumm“ verlaufen, vor allem wenn ein Diabetes vorliegt. Beschwerden wie Leistungsschwäche, Atemnot, Unwohlsein und Müdigkeit sollten abgeklärt werden, auch wenn typische Symptome wie starke und ausstrahlende Schmerzen hinterm Brustbein fehlen.
Ist eine Herzschwäche bei Frauen gefährlicher?
Männer leiden aufgrund der häufiger auftretenden Herzkranzgefäßerkrankung viel stärker unter Herzschwäche. Frauen leiden jedoch häufiger an HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltender Auswurffraktion, also erhaltener Auswurfleistung). Hierbei tritt die Herzschwäche während der Entspannungsphase des Herzens auf. Eine frühzeitige Diagnose sowie eine optimale Blutzuckereinstellung sowie gute Blutdruckkontrolle verbessern hier die Prognose und Lebensqualität der betroffenen Frauen.
Merken Frauen, wenn sie Bluthochdruck haben?
Meist bleibt der Bluthochdruck lange unbemerkt. Daher lautet die Empfehlung, den Blutdruck regelmäßig zu messen, vor allem in der Schwangerschaft und ab den Wechseljahren.
Deutsche Herzstiftung Online: https://herzstiftung.de/... (Zugriff am 03.11.2025)