Prof. Michael A. Borger ist Direktor der Universitätsklinik für Herzchirurgie am Herzzentrum Leipzig und wird 2023 den Vorsitz für die medizinischen Endokarditis-Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) innehaben. Im Gespräch erklärt er, worauf Patientinnen und Patienten achten sollten und warum bei einer Endokarditis eine konsequente Therapie nötig ist.
Was ist eine Endokarditis?
"Bei einer Endokarditis handelt es sich um eine Infektion der Herzklappe, genauer der Herzinnenhaut. Wir unterscheiden zwischen infektiösen Entzündungen und nicht-infektiösen Entzündungen", so der Herzchirurg.
Das Endokard ist ein Gewebe, das die Herzhöhlen auskleidet. Bei der Endokarditis sind in den meisten Fällen die Mitral- und Aortenklappe entzündet.
Die überwiegende Mehrheit der Patienten hat eine infektiöse Entzündung, bei der sich meistens ein bakterieller Erreger nachweisen lässt.
Wer ist betroffen?
Die Voraussetzung für eine Endokarditis ist eine bestehende Herzklappenerkrankung. Je älter jemand ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eine Herzklappenerkrankung zu haben. "In der Regel sind die Patienten zwischen 50 bis 70 Jahre alt. Es gibt aber auch junge Erwachsene oder Kinder mit angeborenen Herzklappenfehlern oder Patienten, die bereits chirurgisch versorgt wurden in der Kindheit. Bei diesen Personen besteht ebenfalls ein gewisses Risiko zur Infektion der Herzklappe", so Prof. Borger.
Ein besonders hohes Risiko für eine Endokarditis haben Patienten, die in der Vergangenheit eine Herzklappenoperation bekommen haben. Bei ihnen kann sich die Endokarditis vor allem auf der linken Seite des Herzens ausbilden. Die rechte Seite des Herzens, also die Trikuspidalklappe und die Pulmonalklappe sind vor allem bei jungen Personen mit angeborenem Herzklappenfehler oder bei drogenabhängigen Personen, die sich Spritzen setzen, am häufigsten entzündet.
Welche Symptome bei Endokarditis?
Eine Endokarditis zeigt klassische Infektionssymptome:
- Fieber
- Schüttelfrost
- Appetitverlust
- Gewichtsabnahme
- Blutarmut
Wichtig: Die Symptome können auf verschiedene Infektions-Erkrankungen hinweisen. Dass das Herz beteiligt ist, erkennt man auf den ersten Blick nicht. So kann es passieren, dass zunächst von einem gewöhnlichen Infekt ausgegangen wird.
Wenn bekannt ist, dass eine Herzklappenerkrankung besteht, kann dieser Hinweis entscheidend für die Ärztin oder den Arzt sein. Ein unbemerktes Fortschreiten der Infektion kann unter Umständen zu auffälligen Herzgeräuschen, Schmerzen in der Brust und Blutgerinnseln führen. Letztere begünstigen dann einen Schlaganfall, dessen Ursache zunächst unbekannt ist.
Was sind Ursachen und Risikofaktoren einer Endokarditis?
Die Ursache hinter einer Entzündung der Herzinnenhaut ist eine Bakteriämie. Darunter versteht man das Vorhandensein von Bakterien im Blutkreislauf.
"Ein klassisches Beispiel ist die Zahnarztbehandlung. Nach zahnärztlichen Eingriffen am Zahnfleisch können Erreger ins Blutsystem gelangen. Ist der Patient Herzkrank, können diese Erreger eine Entzündung der Herzklappe auslösen. Hochrisikopatienten, die bereits an der Herzklappe operiert wurden, sollten daher vor dem Besuch beim Zahnarzt eine Antibiotikaprophylaxe zu sich nehmen", sagt der Direktor der Universitätsklinik.
Bei etwa 30 Prozent der Endokarditisfälle lässt sich in der Blutkultur kein Erreger nachweisen. Das ist oft der Fall, weil die Patienten bereits eine Antibiotikabehandlung erhielten ohne dass eine Blutkultur angelegt wurde. Für die zielgerichtete Behandlung mit Antibiotika sollte jedoch zunächst immer eine Blutkultur erstellt werden.
Arten der Endokarditis
Ärztinnen und Ärzte unterscheiden zwei Arten von Herzinnenhaut-Entzündungen: die infektiöse und nicht-infektiöse Endokarditis.
Infektiöse Endokarditis
Patienten, die an einer infektiösen Endokarditis erkranken, weisen meist eine Vorschädigung an der Herzinnenhaut auf, sodass sich die Erreger leichter ansiedeln können. Auslöser sind meist Bakterien, insbesondere Staphylokokken und Streptokokken. Ein chirurgischer Eingriff kommt bei der infektiösen Endokarditis sehr häufig vor.
Nicht-infektiöse Endokarditis
Hinter der Endokarditis steckt nicht immer eine bakterielle Infektion. Sie kann auch durch andere Erkrankungen ausgelöst werden.
Libman-Sacks-Endokarditis: Tritt bei Patienten mit Lupus-Syndrom (Lupus erythematodes) auf. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis. An den Herzklappen kommt es durch die körpereigene Abwehr zu Entzündungen und Auflagerungen.
Rheumatische Endokarditis: Entsteht in Folge einer akuten Streptokokken-Infektion, ist in Deutschland aber sehr selten. Oft handelt es sich um Patienten, die Jahre später eine Endokarditis entwickeln, obwohl keine akute Infektion mit Bakterien vorliegt.
Die Patienten entwickeln oft ein rheumatisches Fieber und schmerzende Gelenke. In Einzelfällen kann es zu Knötchen und Ausschlägen auf der Haut kommen.
Löfflerendokarditis: Eine seltene Form der Endokarditis, die mit dem Löffler-Syndrom (Hypereosinophillie) in Zusammenhang steht. Bei der Löffler-Endokarditis verdickt sich die Herzinnenhaut. Dies führt zu Funktionseinbußen des Herzens.
Krebs: Krebserkrankte können eine sekundäre Endokarditis entwickeln. Dabei setzen sich Blutzellen an der Herzklappe fest.
Diagnose einer Endokarditis
"Die Untersuchung der Wahl ist die Echokardiografie, also der Herzultraschall", sagt Prof. Dr. Michael Borger. Insbesondere mit einem Schluckecho (TEE, transösophageales Echokardiogramm) lassen sich die Herzklappen am besten visualisieren.
Die Blutuntersuchung ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Im Labor kann das Blut auf Krankheitserreger untersucht werden, die als Auslöser einer Infektion infrage kommen. Dabei handelt es sich um sogenannte Blutkulturen. Diese sind dann auch entscheidend bei der Gabe von Antibiotika.
Es kann auch vorkommen, dass Patienten keine typischen Symptome zeigen, die auf eine Infektion hindeuten. In solchen Fällen können einen Positronen-Emissions-Tomographie (PET-Scan) oder eine Leukozytenszintigrafie-Untersuchung durchgeführt werden.
Endokarditis behandeln
Im Rahmen der Therapie ist die Gabe von Antibiotika absolut notwendig. Der Wirkstoff wird über die Vene direkt ins Blut geleitet. Bei einer infektiösen Endokarditis sollte jedoch vorher eine Blutkultur erstellt werden.
Während der Behandlung kontrolliert man immer wieder das Blut, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren und die Dosis der Antibiotika gegebenenfalls anzupassen. Eine Therapie kann vier bis sechs Wochen dauern.
Verschlechtert sich der Zustand der Herzklappen durch die Entzündung trotz Antibiotika weiter und droht eine Herzschwäche, ist eine Operation nötig. Im Rahmen der Herz-Operation ersetzt der Operateur die betroffene Herzklappe.
Bei einer nicht-infektiösen Endokarditis wird die Grunderkrankung ebenfalls therapiert. Beispielsweise mit Kortisonpräparaten, Antibiotika, oder entzündungshemmenden Medikamenten.
Krankheitsverlauf und Prognose bei Endokarditis
Es gibt Patienten, die allein mit Antibiotika behandelt werden können, um die Infektion unter Kontrolle zu bekommen. Bei diesen Patienten funktioniert die Herzklappe weiterhin gut, zudem hat sich auch keine Herzinsuffizienz entwickelt. Eine rasche Diagnose und Therapie können zu einem Rückgang der Sterblichkeit auf bis unter zehn Prozent führen.
Wenn die Infektion sich trotz Antibiotika verschlechtert oder sich eine Herzinsuffizienz entwickelt oder die Herzklappe zu beschädigt wird, ist eine Herzklappenoperation erforderlich. Hier ist es anzuraten, eine solche Operation in einer spezialisierten Herzklinik mit Expertise in Endokarditis-Chirurgie zu bekommen.
Aber ganz wichtig: Patienten, die in der Vergangenheit bereits eine Endokarditis überstanden haben, haben ein erhöhtes Risiko für eine weitere Endokarditis in der Zukunft. Die Endokarditis ist eine gefährliche Erkrankung des Herzens – unbehandelt führt sie fast immer zum Tod.
Kann man einer Endokarditis vorbeugen?
Prof. Michael Borger rät:
- richtige Zahnhygiene von Kindheit an, denn gute Mundhygiene schützt auch vor Entzündungen der Herzinnenhaut
- Antibiotikaprophylaxe vor Zahnarztbesuchen als Hochrisikopatient mit Herzklappenfehler oder nach operierter Herzerkrankung
- Regelmäßige Kontrolle der Herzklappenerkrankung durch einen Kardiologen oder eine Internistin
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zur Endokarditis
1. Wie lange dauert ein Krankenhausaufenthalt bei Endokarditis?
Eine von Bakterien ausgelöste Endokarditis muss im Krankenhaus behandelt werden. Meist ist eine mehrwöchige hochdosierte Antibiotikatherapie nötig, deren Dauer zwischen zwei bis acht Wochen betragen kann. Der Verlauf der Erkrankung bestimmt daher auch über die Länge des Klinikaufenthaltes.
In einer dänischen Studie lag die mittlere Aufenthaltsdauer im Krankenhaus bei 43 Tagen, wobei rund 42 Prozent der Patientinnen und Patienten eine Herzklappen-Operation benötigten.
2. Welche Folgen kann eine Endokarditis haben?
Mögliche Folge einer Endokarditis sind die dauerhafte Schädigung der Herzklappen, die akute Herzschwäche (Herzinsuffizienz), der Schlaganfall und, eher selten, die Spondylodiszitis (Wirbelsäule-Infektion).
3. Wie groß ist das Risiko für Schlaganfall oder Embolien bei Endokarditis?
Laut der ICE-Studie tritt eine Embolie mit einer Häufigkeit von 10 bis 50 Prozent bei Endokarditis auf. Der Schlaganfall stellt dabei mit 75 Prozent aller Embolien die häufigste Form dar. Das Risiko für eine Embolie sinkt mit zunehmender Dauer der Antibiotikatherapie.
4. Leben nach Endokarditis: Wann bin ich wieder belastbar?
Nach einer Endokarditis müssen sich Patientinnen und Patienten in der Regel mehrere Monate schonen. Wie lang der Zeitraum konkret ist und ob Sie sich direkt nach Ende der Schonphase wieder stärker belasten dürfen, muss individuell mit der behandelnden Kardiologin beziehungsweise dem behandelnden Kardiologen besprochen werden.
Oft wird nach drei Monaten eine erste Kontrolle vorgenommen, folgende Untersuchungen sind üblich:
- EKG
- ein Langzeit-EKG
- eine Echokardiographie (Ultraschall)
- gegebenenfalls eine MRT-Untersuchung
Eine jährliche Kontrolle bei der behandelnden Kardiolog:in ist danach anzuraten.
5. Leben nach Endokarditis: Was muss ich beim Zahnarzt beachten?
Sehr wichtig ist die lebenslange antibiotische Prophylaxe bei allen zukünftigen Zahnarztterminen. Zahnärztliche Behandlungen sind mit einem erhöhten Risiko für eine Bakteriämie (also dem Nachweis von Erregern im Blut) verbunden. Daher müssen Patienten eine Stunde vor jedem Zahnarzttermin ein Antibiotikum einnehmen.
6. Darf ich nach einer Endokarditis wieder Sport treiben? Wenn ja, welchen?
Während der akuten Phase einer Endokarditis darf kein Sport getrieben werden. Ob und wann eine sportliche Betätigung wieder möglich ist, hängt von vielen Faktoren ab und muss immer ärztlich betreut und gegebenenfalls kardiologisch begleitet werden. Folgende Fragen spielen eine Rolle:
- Wie stark wurden Herzklappen und Herzmuskeln durch die Endokarditis geschädigt?
- Musste eine Klappen-Operation durchgeführt werden?
- Sind eine Herzschwäche oder eine Rhythmusstörung zurückgeblieben?
In der Regel erfolgt die ärztliche Zustimmung zu leichtem, lockerem Training nach der Schonphase erst nach einer Kontrolluntersuchung mit Ultraschall und Belastungs-EKG.
7. Wann darf ich nach einer Endokarditis wieder arbeiten?
Für viele Fragestellungen, die den Alltag betreffen, liegen keine festen Zeiträume vor. Die Endokarditis ist eine schwere Erkrankung mit einem oft mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, gegebenenfalls wird eine Herzklappen-Operation nötig. Viele Betroffene verlieren in der Phase der akuten Erkrankung auch deutlich an Kraft.
Eine Studie zeigt, dass 7 von 10 Patienten im erwerbsfähigen Alter innerhalb eines Jahres nach Endokarditis wieder ins Berufsleben zurückkehren. Manche bleiben aber auch länger krankgeschrieben oder können ihren alten Beruf nicht mehr voll ausüben.
Die Entscheidung, ab wann Sie wieder arbeiten können, trifft immer die behandelnde Kardiologin oder der behandelnde Kardiologe. In der Regel werden im Vorfeld ein Herzultraschall und Belastungstests durchgeführt.
8. Wann darf ich nach einer Endokarditis wieder Auto fahren?
Auch hier legt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt fest, ab wann Sie wieder fahrtauglich sind. Je nach Verlauf der Erkrankung und begleitenden Komplikationen (Bewusstlosigkeit, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen) sind die Zeitrahmen sehr unterschiedlich.
9. Wann darf ich nach einer Endokarditis wieder mit dem Flugzeug verreisen?
Wenn die Nachsorgeuntersuchungen nach ausgeheilter Endokarditis unauffällig waren, können Flugreisen wieder möglich sein. Aufgrund der Schwere der Erkrankung ist jedoch vor allem vor langen Reisen eine ärztliche Flugtauglichkeitsbescheinigung (fit-to-fly) sinnvoll.
10. Ist eine Endokarditis ansteckend für Angehörige?
Eine Endokarditis ist nicht ansteckend für andere Personen. Da sich die Krankheitserreger in der Blutbahn beziehungsweise am Herzen befinden, werden sie nicht über Tröpfchen, Speichel oder eine Schmierinfektion übertragen.