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Herzneurose: die Angst vor einer Herzerkrankung

Die Herzneurose wird auch Kardiophobie oder Da-Costa-Syndrom genannt. Betroffene verspüren Herzinfarkt ähnliche Symptome, obwohl sie körperlich völlig gesund sind. Woher kommen die Symptome?

Patient im Gespräch

Eine Frage, auf die Dr. Carmen Blaschke, Chefärztin der Psychosomatik und Psychotherapie sowie Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Lepper, Chefarzt der Kardiologie und Intensivmedizin, Antworten haben.

Herzneurose: Was steckt dahinter?

"Die Kardiophobie zählt zu den psychischen Erkrankungen. Betroffene haben Angst davor, ein krankes Herz zu haben – auch wenn es dafür keinen medizinischen Beleg gibt", so Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Lepper aus dem Helios Klinikum Duisburg.

Laut Schätzungen leiden in Deutschland etwa 100.000 Menschen an einer Herzneurose. Von der psychologisch-psychosomatischen Erkrankung sind vor allem Menschen über 40 Jahre betroffen. Es leiden mehr Männer als Frauen an einer Herzangst.  

Symptome einer Herzneurose

"Die Betroffenen leiden unter anfallsartigen Herzbeschwerden, etwa Herzstolpern oder Herzrasen, die mit intensiver Angst – auch Todesangst – Schweißausbrüchen und einem schnellen Puls sowie schneller Atmung einhergehen können", so Dr. Carmen Blaschke.

Die Symptome können sich unterschiedlich äußern:

  • Beschwerden in der linken Brust
  • Schmerzen hinter dem Brustbein
  • Ausstrahlend in den linken Arm
  • Brustschmerzen in Ruhe oder bei Belastung
  • Herzrasen
  • Engegefühl
  • Herzklopfen

Bei 60 Prozent der Betroffenen steht die Angst im Vordergrund, bei den restlichen 40 Prozent ist es das Schmerzempfinden. Häufig lässt sich auch eine depressive Grundstimmung diagnostizieren. Oft klagen die Patienten zudem über andere körperliche Symptome.

"Die Betroffenen sind davon überzeugt, dass die Schmerzen einen organischen Ursprung haben. Sie drängen häufig auf weitere neue Untersuchungen. Dadurch kommt es zu vielen Arztkontakten und Arztwechseln", sagt die Chefärztin.  

Helios Marien Klinik

Chefärztin Psychosomatik

Die Kardiophobie zählt zu den psychischen Erkrankungen. Betroffene haben Angst davor, ein krankes Herz zu haben – auch wenn es dafür keinen medizinischen Beleg gibt.

Ursachen einer Kardiophobie

Häufige Auslöser der Symptome sind psychische Belastungen oder unbewusste Ängste, die auf das Herz projiziert werden. Diese können durch belastende Lebensereignisse, wie reale oder befürchtete Verluste, Todesfälle im Umfeld, insbesondere nach einem Herzinfarkt, unbewusste Trennungswünsche, Abgrenzungswünsche oder andere Konflikte ausgelöst werden.

Da es sich um eine psychosomatische Erkrankung handelt, lassen sich zu den beschriebenen Symptomen keine organischen Ursachen finden.

"Die Patienten bewerten häufig kleinste Veränderungen im EKG oder anderen Untersuchungsbefunden über, was dann oft zu einem Anstieg der Herzangst führt – obwohl das Herz gesund ist", sagt der Chefarzt.

Ursachen für das Da-Costa-Syndrom lassen sich auch in der Kindheit finden. So kann ein Erziehungsstil, der die Selbstständigkeit und Eigeninitiative des Kindes unterdrückt, ein Risikofaktor für eine Herzneurose darstellen. Auch eine frühe Trennung der Eltern oder Vernachlässigung kann die Angststörung später auslösen.

Folgen der Herzangst: sozialer Rückzug

Phobien können das Leben der Betroffenen stark einschränken. So auch bei Menschen, die an einer Herzneurose leiden. Aus ihrer Angst vor einer organischen Erkrankung kommt es bei Patienten mit Herzneurose zu häufigen Arztbesuchen.

Die Patienten fühlen sich in ihrer Situation hilflos und haben den dringenden Wunsch nach erneuten Untersuchungen, da sie überzeugt sind, Herzkrank zu sein.

Auch die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin, zur Familie oder zu Freunden ist durch die Symptomatik stark belastet. Die Betroffenen ziehen sich immer mehr zurück, vermeiden soziale Kontakte oder verlassen nur noch in Begleitung vertrauter Personen das Haus. Der soziale Rückzug kann eine depressive Symptomatik verstärken.

"Aus Angst, die Herzbeschwerden zu verschlimmern, schonen sich viele Betroffene und schränken sich im Alltag stark ein. Das ist kontraproduktiv, denn nun können bereits bei leichter Anstrengung vermeintliche Symptome auftreten. Der geschärfte Blick auf die Beschwerden durch eine noch genauere Selbstbeobachtung verstärkt sich und es kommt zu Fehlbewertungen der körperlichen Symptome", so Dr. Carmen Blaschke.

Diagnose der Herzangst

Wer Herzbeschwerden hat, sollte diese ärztlich abklären lassen. Um eine Herzerkrankung, wie Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern oder Extrasystolen auszuschließen, finden verschiedene Untersuchungen statt. Dazu zählen unter anderem ein Ruhe-EKG, ein Belastungs-EKG, ein Herz-Ultraschall oder auch ein Herzkatheter. Zudem findet ein ausführliches Anamnesegespräch statt.

Nach Ausschluss organischer Ursachen erfolgt ein psychiatrisches Erstgespräch. In diesem werden die eigene Biografie sowie aktuelle belastende Ereignisse besprochen. Auf diese Weise lässt sich meist die auslösende Situation finden und die Diagnose Herzangst kann bestätigt werden.

Helios Marien Klinik

Chefarzt Kardiologie, Rhythmologie und Intensivmedizin

Die Patienten bewerten häufig kleinste Veränderungen im EKG oder anderen Untersuchungsbefunden über, was dann oft zu einem Anstieg der Herzangst führt – obwohl das Herz gesund ist.

Behandlung einer Herzneurose

"Es ist ganz entscheidend, dem Patienten zu vermitteln, dass das Herz gesund ist und gleichzeitig ein offenes Ohr für die Beschwerden und Ängste des Patienten zu haben", so Chefärztin Dr. Blaschke.

Die Patienten erleben die Beschwerden wirklich, sodass eine beruhigende Haltung und das Ernstnehmen der Symptome durch den Arzt oder die Ärztin von zentraler Bedeutung ist.

Entspannung, um Symptome zu mildern

Die Vermittlung von Entspannungsmethoden wie progressive Muskelentspannung oder MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) kann sich positiv auf Symptome wie Herzrasen auswirken. Sobald der Patient das Gefühl hat, der Puls steigt oder es kommt zu unregelmäßigen Herzschlägen, können die neu erlernten Techniken angewendet werden.

"Es ist ganz entscheidend, dem Patienten zu vermitteln, dass das Herz gesund ist und gleichzeitig ein offenes Ohr für die Beschwerden und Ängste des Patienten zu haben", so Chefärztin Dr. Blaschke. Die Patienten erleben die Beschwerden wirklich, sodass eine beruhigende Haltung und das Ernstnehmen der Symptome durch den Arzt oder die Ärztin von zentraler Bedeutung ist.

Psychotherapie

Um die grundlegenden Probleme zu behandeln, sollten sich Betroffene Unterstützung von Psychotherapeut:innen holen. Auf diese Weise können sie verstehen lernen, dass die Symptome zwar da sind, aber von ihnen keine Gefahr ausgeht, da sie nicht körperlich sind.

"Wir können Patienten zeigen und erklären, wie sie sich verhalten können, wenn es zum Auftreten von vermeintlichen Herzproblemen kommt. Dabei ist wichtig, dass wir vermitteln, dass das Herz körperliche Anstrengung durchaus verkraftet und keinen Schaden nimmt", so Dr. Carmen Blaschke.

Sport und Bewegung

Körperliche Belastung und Fitness-Training sind als Unterstützung hilfreich, um wieder Zutrauen zum eigenen Körper aufzubauen und Stress zu reduzieren.

Stationäre Behandlung

Bei manchen Patienten kann auch eine stationäre psychosomatische Behandlung oder Rehabilitation ein sinnvoller Rahmen sein, um die als gestört empfundenen Körperfunktionen und die damit verbundenen Ängste zu bearbeiten.

Leben mit Kardiophobie

"Der Verlauf ist individuell sehr unterschiedlich und abhängig vom Zeitpunkt der Interventionen. Zudem spielen psychosoziale Begleitumstände, wie weitere psychische oder psychosomatisch Erkrankungen eine Rolle. Auch die Unterstützung des sozialen Umfeldes ist ausschlaggebend", sagt Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Lepper.

Je eher die Therapie erfolgt, desto höher ist die Chance auf eine vollständige Heilung der Herzneurose. Es kann aber auch sein, dass die Therapie mehrere Jahre dauert. Denn: je länger Patient:innen mit den Beschwerden leben, desto wahrscheinlicher ist das Risiko, dass diese chronisch werden.

Psychotherapeutische Angebote können Betroffenen helfen, mit den Symptomen im Alltag besser umzugehen und auch ihre Lebensqualität wieder deutlich steigern.

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