Prof. Dr. Stefan Eggstein, Chefarzt der Chirurgie im Helios Klinikum Titisee-Neustadt, erklärt alles Wissenswerte rund um das Thema und gibt Tipps für ein Leben mit Stoma.

Stoma und künstlicher Darmausgang – Wir klären auf
In Deutschland leben schätzungsweise über 150.000 Menschen mit einem Stoma.

Was ist ein Stoma?
Der Begriff Stoma kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt "Mund". Mit Stoma wird in der Medizin eine künstlich geschaffene Verbindung eines Hohlorgans an die Körperoberfläche, zur Haut bezeichnet. Prof. Dr. Eggstein erklärt: "Ein Stoma unterscheidet sich von einem künstlichen Darmausgang.
Jeder künstliche Darmausgang ist ein Stoma, aber nicht jedes Stoma ist ein künstlicher Darmausgang". Es gibt Stomata, die in keiner Verbindung zum Darm stehen, wie beispielsweise ein Tracheostoma, welches eine künstlich hergestellte Verbindung zwischen der Luftröhre und der Außenwelt darstellt.
Welche Arten von Stomata gibt es?
- Enterostoma: Bei einem Enterostoma wird der Darm in die Haut eingenäht. Im Fachjargon heißt dieses Stoma Anus praeter.
- Gastrostoma: Das Gastrostoma wird auch PEG, perkutane endoskopische Gastrostomie, genannt und dient zur Ernährung bei schluckunfähigen Patienten.
- Nephrostoma: Hier wird durch die Haut ein Katheter ins Nierenbecken eingelegt, um bei einem Verschluss des Harnleiters den Urin direkt abfließen zu lassen.
- Urostoma: Hier wird der Harnleiter entweder direkt oder über ein zwischengeschaltetes Darmstück in die Haut eingenäht. Dies dient der Urinableitung.
- Perkutane Cholezystostomie: Seltenes Verfahren zur Ableitung infizierter Galle bei akuter Cholezystitis, wenn eine Gallenblasenoperation nicht durchgeführt werden kann.
- Tracheostoma: Das Tracheostoma ist eine künstlich hergestellte Verbindung zwischen der Luftröhre und der äußeren Umgebung.
Was ist ein künstlicher Darmausgang (Anus praeter)?
Bei einem künstlichen Darmausgang wird operativ eine Verbindung zwischen dem Darm und der Haut am Bauch geschaffen. Hierfür wird der Darm durch eine Öffnung in der Bauchdeckenmuskulatur und der Haut vor die Bauchdecke gezogen und geöffnet. Anschließend wird die Schleimhaut eingenäht, sodass der Darm Stuhlgang entleeren kann.
Diese Form des künstlichen Darmausgangs hat keine Verschlussfunktion. Der Schließmuskel fehlt, wodurch die Patientin oder der Patient keine direkte Kontrolle über die Entleerung der Exkremente hat. Aus diesem Grund wird ein Beutel an der Öffnung angebracht, in dem sich der Inhalt sammeln kann.
"Besonders Menschen mit Dickdarm- und Enddarmkrebs sind häufig auf die Anlage eines Anus praeter angewiesen. Ganze 70 Prozent aller Stomaträgerinnen und Stomaträger sind an Dick- und Enddarmkrebs erkrankt", meint Prof. Dr. Eggstein.
Ein künstlicher Darmausgang wird allerdings nicht nur bei Krebserkrankungen angelegt. Es gibt eine Vielzahl von Darmerkrankungen, bei denen zumindest vorübergehend der Anus praeter angelegt werden muss.
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Ein Stoma unterscheidet sich von einem künstlichen Darmausgang. Jeder künstliche Darmausgang ist ein Stoma, aber nicht jedes Stoma ist ein künstlicher Darmausgang.
Künstlicher Darmausgang und Darmverschluss

Wann und warum wird ein künstlicher Darmausgang benötigt?
Ein künstlicher Darmausgang kann eine Folge von verschiedenen Vorerkrankungen sein. Nicht immer ist Darmkrebs die Ursache.
Künstlicher Darmausgang und Darmkrebs:
Wenn ein Mastdarmkrebs in den Schließmuskel am After eingewachsen ist oder zwischen Mastdarmkrebs und Schließmuskelgewebe kein ausreichender Sicherheitsabstand besteht, müssen der Krebs, der Schließmuskel und der After (Anus naturalis) operativ entfernt werden. Anstelle des natürlichen Afters wird dann ein künstlicher Darmausgang angelegt.
In diesem Fall bleibt der sogenannte Anus praeter naturalis auf Dauer bestehen. "Heutzutage ist es durch eine neoadjuvante Therapie mit Bestrahlung und Chemotherapie vor einer Operation, meistens möglich, den Tumor soweit zurückzudrängen, dass der Schließmuskel und der natürliche After erhalten werden können", erklärt Prof. Dr. Eggstein.
Durch einen Tumor im Darm oder einer Entzündung, kann es zu einer Darmverengung und einem darauffolgenden Darmverschluss kommen. Infolgedessen benötigen Patientinnen und Patienten häufig einen künstlichen Darmausgang. Wenn es dem Betroffenen durch unterstützende Behandlung bessergeht, kann meistens auch die Ursache der Verengung entfernt werden. Anschließend kann das Stoma in vielen Fällen wieder zurückverlagert werden.
Künstlicher Darmausgang und entzündliche Darmerkrankungen
Bei entzündlichen Darmerkrankungen, wie beispielsweise Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, kann es vorkommen, dass nach einer Notfalloperation ein vorübergehender künstlicher Darmausgang notwendig ist. Prof. Dr. Eggstein erklärt: "Ein temporärer Anus praeter kann dabei helfen, den entzündeten Darmabschnitt zu heilen".
Vorübergehende Darmausgänge werden meistens als sogenanntes doppelläufiges Stoma angelegt. Hierfür durchtrennt der Operateur den Darm nicht in seiner Kontinuität, sondern zieht eine Darmschlinge durch die Bauchdecke nach vorne. Nach der Eröffnung der sogenannten antimesenterialen Seite des Darms, kann sich der Stuhlgang in das Stoma entleeren. Ein doppelläufiger künstlicher Darmausgang kann mit geringem Aufwand wieder zurückverlagert werden.
Ein temporärer Anus praeter kann dabei helfen, den entzündeten Darmabschnitt zu heilen.
Welche Arten von künstlichen Darmausgängen gibt es?

Kolostoma:
Bei einem Kolostoma ist der Dickdarm als künstlicher Darmausgang in die Haut eingenäht. Die Konsistenz des Stuhlgangs zeigt sich in der Regel relativ fest.
Ileostoma:
Bei einem Ileostoma ist der untere Dünndarm, das Ileum, als Stoma in die Haut eingenäht. Bei dieser Form ist der Stuhlgang sehr dünnflüssig, denn erst im Dickdarm wird der Nahrung im großen Umfang Flüssigkeit entzogen. Das Ileostoma geht mit der Gefahr der Dehydratation (Austrocknung) der Betroffenen einher. Beim Ileostoma muss die Patientin oder der Patient deshalb immer darauf achtgeben, dass mindestens ein Liter mehr getrunken wird, als sich aus dem Ileostoma an Flüssigkeit entleert.
Transversostoma:
Das Transversostoma legt der Operateur im sogenannten Colon transversum an. Hierbei handelt es sich um den quer verlaufenden Teil des Dickdarmes. Das Transversostoma ist ein Colostoma, das sowohl endständig als auch doppelläufig angelegt werden kann und liegt meist im rechten Oberbauch.
Wie wird ein Stoma angelegt?

Die richtige Position
Bei der Anlage eines Stomas ist es entscheidend, die richtige Position in der Bachdecke zu finden. Dafür untersucht der Arzt die Patientin oder der Patient vor der Operation sorgfältig. Das Stoma darf nicht in Hautfalten münden, denn sonst können Undichtheiten im Bereich der Klebeplatte auftreten. "Hierfür ist es wichtig, den Patienten in verschiedenen Positionen, also stehend, liegend und sitzend zu untersuchen", erklärt Prof. Dr. Eggstein.
Des Weiteren wählt die Ärztin oder der Arzt die Stomaposition so, dass die Betroffenen gut den Bereich des Stomas einsehen können und dieses nicht in Konflikt mit der Kleidung des Patienten kommt. Das erleichtert die Selbstversorgung.
Die richtige Position des Stomas wird schließlich zusammen mit dem Patienten von einem Operateur und einem Stomatherapeuten festgelegt. Nach Anlage des Stomas erklärt eine Stomatherapeutin oder ein Stomatherapeut, den richtigen Umgang mit dem künstlichen Darmausgang.
Die Operation
Meistens wird die Stomaanlage im Rahmen einer anderen Operation, wie beispielsweise der Entfernung eines Mastdarmtumors, durchgeführt. In diesem Fall ist die Operationszeit von der Hauptoperation abhängig. In einzelnen Fällen bringt der Operateur nur ein Stoma an. Dies ist beispielsweise die Regel, wenn aufgrund von Darmkrebs eine neoadjuvante Radiochemotherapie vor der Operation durchgeführt wird. Dann kann es sein, dass der Darm durch den Tumor so stark verengt ist, dass ein Darmverschluss droht.
In diesem Fall legen Ärztinnen und Ärzte vor Beginn der Radiochemotherapie ein doppelläufiges Ileostoma oder Transversostoma an. Prof. Dr. Eggstein erklärt: "Ein solcher Eingriff wird heutzutage meistens minimal-invasiv durchgeführt. Der Operateur blickt dabei durch eine Kamera und arbeitet mit langen Instrumenten. So kann der Eingriff mit kleinen Einstichstellen folgen". Während der Operation wird der Darm dann an vorbezeichneter Stelle als Stoma hervorgezogen.
Ein dauerhafter künstlicher Darmausgang wird meistens endständig angelegt. Dafür entfernt der Operateur den Darm unterhalb des Stomas und näht den abgeschnittenen Darm in die Haut ein.
Eine Operation dauert 40 bis 60 Minuten und läuft in der Regel unter einer Allgemeinnarkose. Der Eingriff ist nicht mit besonderen Risiken verbunden. Es bestehen allerdings die allgemeinen Risiken einer Bauchoperation.
Ein solcher Eingriff wird heutzutage meistens minimal-invasiv durchgeführt. Der Operateur blickt dabei durch eine Kamera und arbeitet mit langen Instrumenten. So kann der Eingriff mit kleinen Einstichstellen folgen.
Wie sieht ein künstlicher Darmausgang aus?

Wann und wie erfolgt eine Rückverlegung?
Ein Stoma wird zurückverlegt, wenn die Patientin oder der Patient es nicht mehr braucht. Bei einem doppelläufigen Stoma stellt das in der Regel einen kleinen Eingriff dar, da die Bauchhöhle nicht eröffnet wird. Der Operateur schneidet ringsum das Stoma und löst den Darm aus dem Unterhautfettgewebe und der Bauchdecke ab. Anschließend zieht er den Darm vor die Bauchdecke. Der Bereich des Darmes, welcher das Stoma ausgebildet hat, wird in der Regel entfernt.
Danach näht der Arzt die benachbarten Darmabschnitte wieder zusammen (End-zu-End-Anastomose). Manchmal reicht es auch aus, die Vorderwand des Darmes auszuschneiden und wieder zusammenzunähen. Der Operateur schiebt den Darm abschließend wieder in die Bauchhöhle und schließt die Lücke in der Bauchdecke.
"Experten können auch endständige Stomata wieder zurückverlagern. Dann spricht man von einer Wiederherstellung der Kontinuität. In diesen Fällen ist der operative Eingriff aufwendiger", erklärt Prof. Dr. Eggstein.
Worauf muss in Bezug auf Stuhlgang und Beutelwechsel geachtet werden?
Wenn das Stoma mit dem Dünndarm gebildet wurde, ist der Stuhlgang sehr flüssig. Damit einher geht ein großer Flüssigkeitsverlust des Betroffenen. In einem solchen Fall ist es sehr wichtig, dass die Patientin oder der Patient ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt. Häufig ist es notwendig mit Medikamenten den Stuhlgang einzudicken, um einem Flüssigkeitsverlust und einer Dehydrierung vorzubeugen. Prinzipiell besteht bei einem Stoma keine Kontinenz, also keine Kontrolle über den Stuhlgang. Prof. Dr. Eggstein meint: "Betroffene müssen damit rechnen, dass der Darm permanent und ungesteuert Stuhlgang produziert. Dieser entleert sich in den Beutel und manchmal ist das auch mit Geräuschen verbunden".
Wenn der Stomabeutel gefüllt ist, kann er in einer Toilette entleert werden. Es ist jedoch notwendig, alle paar Tage die Grundplatte des Stomas zu wechseln. Ein Plattenwechsel kann auch ungeplant notwendig werden, wenn sich eine Undichtigkeit zwischen der Stomagrundplatte und der Haut entwickelt. Es ist deshalb für den Patienten von entscheidender Bedeutung, sich mit seinem Stoma auseinanderzusetzen und mit entsprechender Anleitung und Schulung alle erforderlichen Maßnahmen selbst durchführen zu können. "Das schafft persönliche Autonomie", sagt Prof. Dr. Eggstein.
Betroffene müssen damit rechnen, dass der Darm permanent und ungesteuert Stuhlgang produziert. Dieser entleert sich in den Beutel und manchmal ist das auch mit Geräuschen verbunden.
An wen können sich Betroffene wenden?

Bereits im Krankenhaus wird die Patientin oder der Patient im Umgang mit dem Stoma geschult. Eine Entlassung kann erst dann erfolgen, wenn der Betroffene die Grundfunktionen des Stomas beherrscht und somit die Stomaversorgung zu Hause gesichert ist. Hierfür können Patienten soziale Dienste einschalten. Außerdem sollte die Versorgung mit Material über ein Sanitätshaus bereits vor Entlassung aus dem Krankenhaus gesichert sein. Diese Anlaufstellen kümmern sich auch um die Beratung und Unterstützung des Stomapatienten. In allen Fällen, in denen eine Reha-Maßnahme erfolgt, ist auch der Umgang mit dem Stoma ein wesentliches Thema. Darüber hinaus gibt es Selbsthilfegruppen, wie die ILCO, welche sich für die Belange von Stomaträgern einsetzen und mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Ernährung mit Stoma: Welche Lebensmittel sollten gemieden werden?
Hier gibt es keine allgemein gültigen Regeln. Prof. Dr. Eggstein empfiehlt Patientinnen und Patienten mit einem Stoma: "Generell sollten Lebensmittel, die zu Durchfällen oder starken Blähungen führen, vermieden werden. Blähend wirken bei den meisten Menschen Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohl, Paprika, Zwiebeln oder Knoblauch". Auch auf Fast-Food, viel Zucker oder übermäßigen Alkohol sollte verzichtet werden.
Riecht ein Stoma?
Naturgemäß können Gerüche auftreten, wenn die Stomaversorgung undicht ist. Dies lässt sich jedoch in der Regel vermeiden. Für die Pflege des Stomas zu Hause und unterwegs, führen Stomaträger ein entsprechendes Set mit sich. Dies enthält alle zur Stomapflege und Stomawechsel erforderlichen Produkte, sodass von ihnen selbst das Stoma im Rahmen eines Toilettengangs versorgt werden kann. Für Patienten, welche auf Dauer ein Kolostoma tragen, kommt unter Umständen auch die sogenannte Irrigation in Betracht. Damit kann ein Kolostoma durch einen Einlauf und Ausspülen des Stuhlgangs im Anschluss mit einer Art Stopfen verschlossen werden. So kann in der Regel dann für 1 bis 2 Tage auf einen Stomabeutel verzichtet werden.
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Generell sollten Lebensmittel, die zu Durchfällen oder starken Blähungen führen, vermieden werden. Blähend wirken bei den meisten Menschen Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohl, Paprika, Zwiebeln oder Knoblauch.
Welche Aktivitäten sollten vermieden werden?
"Prinzipiell bringt ein Leben mit einem Stoma keine Einschränkungen mit sich. Sie können uneingeschränkt arbeiten, reisen oder Sport treiben", erläutert Prof. Dr. Eggstein. Starke körperliche Aktivität und Schwitzen können jedoch zum Ablösen der Stomaplatte und Undichtigkeiten führen. Grundsätzlich können Stomaträgerinnen und Stomaträger jegliche Art von Sport betreiben. Sogar schwimmen, baden und tauchen stellen keine Probleme dar.
Kontakt zu Betroffenen
Da ein Stoma oft eine psychische Belastung darstellen kann, ist es ratsam, Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder anderen Betroffenen zu suchen. Auch für Angehörige ist es wichtig, sich auszutauschen und über Probleme zu reden. Selbsthilfegruppen, wie die ILCO, setzen sich für die Belange von Stomaträgern ein und stehen mit Rat und Tat zur Seite.
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