Dr. Uwe von Fritschen, Chefarzt der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie am Helios Klinikum Emil von Behring, behandelt auch Frauen mit Genitalverstümmelung. Gemeinsam mit Drs. Cornelia Strunz und Roland Scherer vom Desert Flower Center am Krankenhaus Waldfriede hat er mit „Female Genital Mutilation – Medizinische Beratung und Therapie genitalverstümmelter Mädchen und Frauen“ das erste umfassende Fachbuch zur medizinischen Beratung und Therapie herausgegeben. Wir haben anlässlich des Internationalen Tages gegen Genitalverstümmelung am 6. Februar mit Dr. von Fritschen über dieses wichtige Thema gesprochen.
Manche Menschen wissen nicht, was es mit Female Genital Mutilation (FGM) – sprich der Genitalverstümmelung bei Frauen – auf sich hat. Helfen Sie uns.
Dr. Uwe von Fritschen: Weltweit sind etwa 200 Millionen Frauen von FGM betroffen. Die WHO schätzt, dass jährlich etwa drei Millionen Opfer hinzukommen, wobei sie davon ausgeht, dass etwa zehn Prozent der Mädchen und Frauen nach dem Eingriff versterben. Durch Migration werden auch wir in Europa zunehmend damit konfrontiert.
Haben Sie sich deshalb entschieden, das Fachbuch „Female Genital Mutilation“ gemeinsam mit den Kollegen aus dem Krankenhaus Waldfriede herauszugeben?
Ja, auch in Deutschland ist FGM zunehmend Thema. Wir gehen derzeit von rund 60.000 betroffenen Frauen und etwa 15.000 gefährdeten Mädchen aus. Cornelia Strunz, Roland Scherer und ich waren die erste Gruppe, die sich dieser Frauen umfassend angenommen haben und mussten feststellen, dass wir – wie alle anderen Berufsgruppen, die in die Betreuung dieser Patientinnen eingebunden sind – schlichtweg zu wenig über die komplexen Zusammenhänge wussten, geschweige denn über Behandlungsmöglichkeiten. In den Ausbildungscurricula von Ärzten, Hebammen, Sozialarbeitern oder Psycho-/Sexualtherapeuten kommt FGM so gut wie nicht vor. Diese Lücke wollten wir schließen.
Warum ist Ihnen persönlich das Thema weibliche Genitalverstümmelung so wichtig?
Ich habe inzwischen viele dieser jungen Frauen und Mädchen kennenlernen dürfen, und sie haben mir Eindruck gemacht. Hier in Berlin, aber auch in Operations- und Aufklärungseinsätzen in Afrika hat mich ihre enorme Energie und unbedingter Wille beeindruckt, ihr Leben in die Hand zu nehmen und sich zurückzuholen, was ihnen brutal genommen wurde. FGM ist nur zu einem kleinen Teil ein medizinisches Problem. Die Frauen werden wesentlich umfassender verletzt. Es zerstört ihre Würde und Selbstwertgefühl. Die Folgen dominieren ihr Leben. Zumindest für die Frauen, die sich bei uns in Behandlung begeben, kann ich das sagen.