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Was Lungenkrebs mit der Psyche macht

"Lungenkrebs" – eine Diagnose, die Betroffene und Angehörige aus ihrem bisherigen Alltag reißt. Welche psychischen Folgen mit der Diagnose einhergehen und wie die Psychoonkologie Sie im Umgang mit der Krebserkrankung unterstützen kann: Ein Überblick.

21.08.2025 Lesedauer: - Min.
Medizinisch geprüft von Christian Brünahl, MME
Patient bei Therapiesitzung
Inhaltsverzeichnis

Was ist die Psychoonkologie?

Wer mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, benötigt neben medizinischer auch psychologische Unterstützung. Genau hier setzt die Psychoonkologie an. Sie bietet Krebspatientinnen und -patienten Unterstützung, um der psychischen Belastung der Diagnose zu begegnen. Eine psychoonkologische Begleitbehandlung kann in jeder Krankheitsphase – von der Diagnose bis zur Nachsorge – hilfreich sein. Psychoonkologen oder Psychoonkologinnen sind in der Regel speziell geschulte Ärztinnen oder Ärzte beziehungsweise Psychologinnen oder Psychologen, um in dieser häufig schwierigen Situation unterstützen zu können.

Zu den Aufgaben der Psychoonkologie gehören unter anderem:

  • Information und Beratung
  • Psychoonkologische Diagnostik
  • Psychotherapeutische Gespräche mit Patienten und/oder Angehörigen
  • Beratung zu medikamentöser Behandlung psychischer Symptomatik
  • Unterstützung bei Anträgen auf Sozialleistungen
  • Vermittlung an Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen

Bedeutung der Psychoonkologie bei Lungenkrebs

Die Diagnose Lungenkrebs kann eine Vielzahl an Emotionen auslösen. Häufig empfinden langjährige Raucher Schuldgefühle und fragen sich: "Habe ich die Erkrankung selbst verursacht?" und "Hätte ich die Erkrankung verhindern können?" Auch Gefühle wie Angst, Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit kommen hinzu.

Sich mit der Krebsdiagnose und den daraus resultierenden existenziellen, körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen auseinanderzusetzen, kann das psychische Gleichgewicht stark beeinträchtigen. Die Psychoonkologie unterstützt dabei, die psychischen Beschwerden zu bearbeiten.

Emotionale und psychische Belastungen bei Lungenkrebs

Besonders häufig treten Angst, depressive Verstimmung oder Schwächegefühl auf. Die Angst vor Schmerzen und dem eigenen Tod stellen eine große Belastung für die Psyche dar. Hinzukommen Scham, Schuldgefühle und Einsamkeit sowie Sorgen um die Familie. All dies kann das psychische Gleichgewicht erschüttern und erfordert viel innere Stärke.

Welche Rolle spielt psychische Stärke?

Körper und Psyche sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Wer beispielsweise aufgeregt ist, schwitzt mehr oder hat einen schnelleren Puls. Wer Angst hat, spannt die Muskeln an und versucht sich durch bewusstes Atmen wieder zu entspannen. Das zeigt: Emotionale Zustände wirken sich auf den Körper aus und umgekehrt.

Psychische Stärke kann dabei helfen, mit der Krankheit und ihren Folgen besser umzugehen. In Bezug auf eine Lungenkrebserkrankung bedeutet dies zum Beispiel, dass Erkrankte dafür offen sind, eher nach Hilfe fragen, sich nicht zurückziehen und bestenfalls weniger intensiv das Gefühl haben, der Erkrankung hilflos ausgeliefert zu sein. Mentale Stärke heilt keinen Krebs, kann aber dabei helfen, psychische Belastungen besser zu bewältigen und somit auch die Lebensqualität in dieser schweren Zeit verbessern.

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Bewältigungsstrategien nach Krebsdiagnose

Die Bewältigung einer Krebserkrankung ist zweigeteilt. Auf der einen Seite handelt es sich um einen bewussten Prozess (Coping), um die Diagnose und die daraus resultierenden Folgen zu verarbeiten. Auf der anderen Seite laufen unbewusste Prozesse ab, sogenannte Abwehrmechanismen. Sie schützen Erkrankte vor zu starken Emotionen und Affekten, die in der Situation überfordern würden. Beide Bewältigungsstrategien können nebeneinander oder abwechselnd nacheinander auftreten.

Zu den bewussten Bewältigungsstrategien gehören:

  • Informationssuche
  • Ablenkung
  • Suche nach Unterstützung
  • Sozialer Rückzug
  • Wunschdenken

Zu den unbewussten Bewältigungsstrategien gehören:

  • Verleugnung der Realität
  • Rationalisieren (innere Ausrede für das, was gerade mit einem passiert)
  • Vermeidung

Phasen der Krankheitsbewältigung bei Lungenkrebs

Patientinnen und Patienten durchleben im Verlauf der Erkrankung verschiedene Phasen der Krankheitsverarbeitung. In diesen müssen sie sich neu orientieren und Möglichkeiten finden, wie sie die bestehenden oder zu erwartenden Belastungen bewältigen können. Angst vor der Zukunft ist dabei fast immer vorherrschend.

Diagnose Lungenkrebs

Wenn nach diversen Untersuchungen und Arztgesprächen die Diagnose feststeht, ist das oft ein Schock. Nach dem die Worte ausgesprochen sind, können viele Betroffene nur noch wenige Informationen aufnehmen. Daher ist es immer ratsam, zum Diagnosegespräch eine weitere Person mitzunehmen, denn manchmal sollten direkt weitere Entscheidung für die Behandlung getroffen werden. Die Diagnose kann zu Existenzängsten und einer persönlichen Krise führen. Psychische Verarbeitungsmechanismen wie Informationssuche, Verleugnung und Vermeidung verlaufen oftmals parallel in dieser Phase.

Die Psychoonkologie versucht hier im Rahmen einer Krisenintervention die Betroffenen in drei Schritten zu unterstützen:

  1. emotionale Entlastung schaffen
  2. Reflexion über die eigenen negativen Gefühle
  3. Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags

Es gibt auch Menschen, die die Diagnosemitteilung weniger schockierend erleben. Grund dafür könnten etwa bereits aufgetretene Krebserkrankungen in der Familie sein, wodurch das Risiko selbst zu erkranken erhöht war.

Behandlung und Folgen

Im Rahmen der Behandlung erleben Patientinnen und Patienten viele körperliche Veränderungen. Laut Leitlinie Psychoonkologie müssen häufig teile der Lunge entfernt werden. Nach der Operation sind häufig starke Schmerzen und eine verringerte körperliche Belastbarkeit die Folge. Und auch die Angst vor einer Chemo- und Strahlentherapie ist allgegenwärtig.

Eine Chemotherapie geht oft mit Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall einher. Aber auch anhaltende körperliche Abgeschlagenheit (Fatigue) ist möglich, die auch noch in späteren Krankheitsphasen auftreten kann. Häufig erhalten Patienten mit Lungenkrebs zusätzlich eine Strahlentherapie, die weitere Nebenwirkungen mit sich bringen kann. Für die Patienten ändert sich durch die Diagnose und Behandlung nicht nur der Alltag, sondern auch ihr körperliches Erscheinungsbild. Die medizinischen Therapien werden als belastend empfunden, da sie die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Soziale Beziehungen nehmen ab, die sexuelle Lust ist gemindert oder fehlt.

Einerseits ist dies eine Phase, die von Kampfgeist geprägt ist. Anderseits besteht ein erhöhtes Risiko Ängste und Depressionen zu entwickeln. Informationen über Nutzen und Nebenwirkungen sowie das offene Ansprechen von Ängsten und Sorgen können Betroffenen in dieser Phase unterstützend helfen.

Nachsorge

Nachsorgetermine sind für viele Betroffene oft mit Angst und Stress verbunden. Die Erkrankung und das Erlebte rücken wieder verstärkt ins Bewusstsein – gleichzeitig wachsen die Sorgen, ob der Krebs zurückgekehrt sein könnte.

Die Angst vor einem Rückfall (Rezidiv) begleitet viele ehemalige Krebserkrankte. Auch hier gilt: Betroffene sollten ihre Ängste offen ansprechen und sich bei Bedarf psychoonkologische Unterstützung holen.

Rückkehr zur Normalität

Auch die Rückkehr in den Alltag ist für Betroffene häufig nicht einfach. Das Verhältnis zu Familie und Freunden, aber auch Kollegen kann sich durch die Erkrankung verändert haben. Unterschiedliche Erwartungen können das Konfliktpotenzial erhöhen, wenn die Rückkehr zur Normalität anders als gedacht abläuft.

Wichtig ist, sich Zeit zu geben. Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben, sollten ihren eigenen Weg finden, wieder zurück in den Alltag zu finden. Unabhängig davon, was andere von ihnen erwarten.

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Bedeutung von Familie und Freunden

Familie und Freunde können Erkrankten emotionale Stabilität und Sicherheit bieten. Dennoch trifft auch sie die Diagnose und kann bei ihnen zu Unsicherheiten und Ängsten führen. Offen und ehrlich über Gefühle, Probleme und Sorgen zu sprechen, kann helfen, Missverständnissen auf beiden Seiten vorzubeugen und gemeinsam Ängste zu überwinden. Der Kontakt zu Familie und Freunden tut Erkrankten in der Regel gut, auch wenn sie sich nicht mehr so regelmäßig sehen oder hören. Das Wissen um Personen, die in dieser Zeit da sind, gibt vielen Betroffenen Kraft.

Angehörige und Freunde erhalten oft weniger Unterstützung und sehen sich mit Erwartungen an sich konfrontiert. Dabei erleben sie die Erkrankung und den veränderten Alltag ebenfalls, jedoch werden ihre (psychischen) Belastungen weniger wahrgenommen. Wichtig: Auch Angehörige können psychoonkologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Kinder krebskranker Eltern

Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Die Leitlinie empfiehlt, offen und altersgerecht über die Erkrankung des Elternteils zu sprechen. Eltern müssen nicht jedes Detail erzählen, jedoch sollte das Erzählte der Wahrheit entsprechen. Auch Fragen vom Kind sind erlaubt, denn so werden potenzielle Ängste und Fantasien thematisiert und können weniger beängstigend wirken. Ganz wichtig: Eltern sollten nichts versprechen, was sie nicht garantieren können.

Wann für ein solches Gespräch der richtige Zeitpunkt ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Auch hier kann der Austausch mit Psychoonkologen hilfreich sein. Diese können auch am Gespräch teilnehmen.

Psychoonkologische Unterstützung: Anlauf- und Beratungsstellen

Menschen mit Lungenkrebs, aber auch deren Angehörige und Freunde können sich an Anlauf- und Beratungsstellen wenden, um Informationen sowie Unterstützung zu erhalten. Diese sind sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zu finden.

stationärer Bereich

  • psychoonkologische Fachabteilungen in der Klinik
  • psychoonkologische Unterstützung in der Rehaklinik
  • stationäre Hospize mit Expertinnen und Experten der Psychoonkologie
  • psychosoziale Beratungsstellen für Krebspatientinnen und -patienten
  • Sozialdienste in Kliniken für sozialrechtliche Fragen

ambulanter Bereich

Häufige Fragen zu Psyche und Lungenkrebs

Nein. Laut Patientenleitlinie Psychoonkologie gibt es keine wissenschaftlichen gesicherten Nachweise, dass eine Krebserkrankung auf seelische Ursachen zurückzuführen ist. Weder Stress, Depressionen oder belastende Lebensereignisse sind auslösende Faktoren.

 

Die häufigste Ursache für Lungenkrebs ist Rauchen. Aber auch Umweltfaktoren oder eine genetische Vorbelastung können die Erkrankung begünstigen.

Zu den häufigsten psychischen Belastungen zählen Ängste in Bezug auf Schmerzen oder den ungewissen Ausgang der Erkrankung und depressive Verstimmungen.

Die 6-Jahres-Überlebensrate bei Lungenkrebs liegt bei rund 25 Prozent bei Frauen und 19 Prozent bei Männern, wie die Zahlen des Zentrums für Krebsregisterdaten zeigen. Die Überlebensaussichten hängen stark vom Erkrankungsstadium ab. Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser sind die Behandlungschancen.

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Die Inhalte dieser Seite wurden in Zusammen mit unserem Experten erstellt:

Christian Brünahl, MME
Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie