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Arbeitssucht: Was ist das?

Laut einer Studie sind rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitssüchtig [1]. Aber welche Folgen haben exzessives Arbeiten und fehlende Regeneration?

Arbeiten am Laptop und Mobiltelefon

Was heißt Arbeitssucht?

Bei Arbeitssucht (auch Workaholismus) handelt es sich um eine sogenannte Verhaltenssucht. Dahinter steckt das übermäßige und unkontrollierte Verlangen nach Arbeit. Betroffene haben im Verlauf der Sucht für nichts anderes mehr Zeit als für ihre Arbeit. Dieses Verhalten zeigt sich nicht nur bei beruflichen Tätigkeiten, sondern kann auch die Arbeit betreffen, die im Haushalt oder Ehrenamt anfällt.

Allerdings muss unterschieden werden zwischen arbeitssüchtigem Verhalten und Arbeitsengagement (work engagement). Bei letzterem empfinden Arbeitende Leidenschaft und Spaß bei ihrer Tätigkeit, zeigen jedoch kein exzessives oder zwanghaftes Verhalten im Job.

Wer ist besonders gefährdet für arbeitssüchtiges Verhalten?

15- bis 24-Jährige arbeiten häufiger suchthaft als die 55- bis 64-Jährigen. Aber: Zwischen den Geschlechtern gibt es kaum Unterschiede, wer häufiger arbeitssüchtiges Verhalten zeigt. Frauen und Männer können gleichermaßen betroffen sein [2].

Unter Erwerbstätigen mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ist suchthaftes Arbeiten um rund 11 Prozent höher als bei Personen mit geringen Arbeitszeiten. Sowohl Selbstständige als auch Führungskräfte zeigen im Vergleich zu anderen Gruppen ebenfalls ein erhöhtes Aufkommen suchthaften Arbeitens [3]. 

Welchen Einfluss haben neue Arbeitskonzepte?

Die Arbeitswelt verändert sich und neue Konzepte wie flexiblere Arbeitszeiten und Home-Office (HO) ziehen ein. Diese können zwar zu einer ausgewogenen Work-Life-Balance beitragen, aber auch suchthaftes Arbeiten begünstigen.

Untersuchungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigen, dass das häufigste Motiv für Home-Office die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist. Aber etwa 46 Prozent der im HO-Beschäftigten geben an, in ihrer arbeitsfreien Zeit nicht richtig abschalten zu können, unter anderem weil die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen und mobiles Arbeiten eine ständige Erreichbarkeit fördert. So geben rund 39 Prozent der Befragten an, dass sie auch noch außerhalb der normalen Arbeitszeit erreichbar sind. Im Vergleich dazu sind von Angestellten mit einem normalen Arbeitsplatz nur 15 Prozent auch außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar [3].

Um zu gewährleisten, dass flexible Arbeitsmodelle, wie beispielsweise die Vier-Tage-Woche oder mobiles Arbeiten im Home-Office zu einer besseren Arbeits- und Lebensqualität beitragen, braucht es sinnvolle Rahmenbedingungen. Eine betriebliche Vereinbarung könnte das Risiko für suchthaftes Arbeiten verringern und zu einer besseren Work-Life-Balance führen. In dieser könnte etwa der Umgang mit Überstunden, die im HO entstehen, geregelt sein.

Was sind Symptome einer Arbeitssucht?

Workaholics treibt oft das Gefühl an, dass sie immer und ständig Leistung erbringen müssen. Viele Betroffene machen ihr Selbstwertgefühl an der Arbeit und ihrem Beruf fest. Dafür sind sie bereit, Freizeit, Hobbys und soziale Kontakte zu opfern.

Auch die Abgrenzung zum Job und eine entsprechende Regeneration bleibt bei ihnen aus. Vielmehr neigen sie zu zwanghaftem Arbeiten – auch heimlich. Dabei zeigen sie einerseits einen ausgeprägten Perfektionismus, sind aber anderseits unfähig Prioritäten zu setzen. Oftmals zeigt sich suchttypisches Verhalten wie Gereiztheit oder Niedergeschlagenheit. Auch Burn-out kann eine Folge arbeitssüchtigem Verhaltens sein.

Folgen können sich bei Arbeitssüchtigen sowohl psychisch als auch körperlich äußern.

Psychische Beschwerden sind etwa:

  • Erschöpfung
  • Schlafstörungen
  • Depressive Verstimmung
  • Konzentrationsstörungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Gefühle der Angst
  • Panikattacken

Körperliche Beschwerden sind etwa:

  • Bluthochdruck
  • Arteriosklerose
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden, wie Herzrhythmusstörungen
  • Magengeschwüre
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Chronische Kopfschmerzen
  • erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

Diagnose Arbeitssucht

Noch gibt es keine klinische Diagnose der Arbeitssucht, da sie offiziell laut Internationaler Klassifikation (ICD-10) nicht anerkannt ist. Dennoch erfüllt sie die Kriterien einer Sucht, etwa unkontrollierbares Verhalten oder auch psychosomatische Beschwerden, für die es bereits Diagnosekriterien gibt.  

Wie lässt sich Arbeitssucht behandeln?

Es gibt keine spezifische Behandlungsmethode. Ein erster Schritt ist, dass Betroffene ihre Arbeitssucht erkennen und auch akzeptieren, dass sie Hilfe benötigen.

Für Menschen, die an einer Arbeitssucht leiden, gibt es unterschiedliche Behandlungs- und Unterstützungsoptionen, wie medizinische und therapeutische Behandlungen oder auch die klinisch-psychologische Behandlung. Bei einem suchtfördernden Umfeld ist möglicherweise auch ein Klinikaufenthalt zur Entlastung der Betroffenen/des Betroffenen sinnvoll.

Im Vergleich zu anderen Süchten lässt sich bei arbeitssüchtigen Menschen das Suchtmittel nicht einfach absetzen. Daher müssen Betroffene Strategien entwickeln, um wieder eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit aufzubauen. Diese lernen sie in Einzeltherapie-Sitzungen oder auch in Selbsthilfegruppen.

Mögliche Therapieziele sind:

  • ohne inneren Zwang arbeiten
  • Neubewertung selbstschädigender Verhaltensmuster
  • Überprüfung der eigenen Ansprüche an die Arbeit und deren Ergebnisse

Arbeitssucht und Partnerschaft

Zwanghaftes Arbeiten kann in eine gesellschaftliche Isolation führen, denn die Betroffenen widmen ihre Zeit fast ausschließlich dem Job. Für die Familie, den/die Partner:in und Freunde bleibt keine Zeit.

Oftmals ist Betroffenen ihr schädliches Verhaltensmuster nicht bewusst, was die Partnerschaft zusätzlich strapaziert. Werden Workaholics auf die fehlende Balance von Job und Privatleben angesprochen, kann dies oft zu Streit führen. Sie empfinden die Äußerungen als Kritik, da ihnen die Fähigkeit fehlt, ihr arbeitssüchtiges Verhalten zu reflektieren. Menschen mit Arbeitssucht haben dann das Gefühl, dass der/die Partner:in ihr Arbeitsleben kontrollieren will.

Was sollten Führungskräfte beachten?

Wenn der wirtschaftliche Druck direkt an die Mitarbeitenden weitergegeben wird, es zu immer mehr Aufgaben bei gleichbleibender Arbeitszeit, Teamgröße und Überstunden kommt, kann sich dies in arbeitssüchtigen Verhaltensmechanismen niederschlagen. Führungskräfte sind jedoch in der Verantwortung, ungesunde Arbeitseinstellungen bei ihren Mitarbeitenden zu erkennen. Dazu sollten sie die betrieblichen Arbeitsbedingungen analysieren und ihre Mitarbeitenden befragen.

Wenn Sie als Chef:in oder Kolleg:in den Verdacht haben, jemand im Team ist arbeitssüchtig, sprechen Sie das Thema behutsam an und spiegeln Sie die eigene Wahrnehmung. In einem nächsten Schritt können mögliche Hilfestellungen besprochen werden.

Das können Arbeitgebende tun

  • gesundheitsfördernde Maßnahmen einführen, zum Beispiel Stressbewältigungsprogramme, Entspannungstrainings oder Coachings
  • angenehmes Arbeitsumfeld schaffen mit einem wertschätzenden Umgang im Team
  • Urlaubstage nutzen und nicht auszahlen, um Erholung zu sichern
  • Belegschaft für Thematik sensibilisieren und darüber aufklären
  • Einführen von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen zur Arbeitssucht
  • Aufgabenverteilung nach anforderungs- und leistungsgerechten Kriterien
  • Arbeitsprozesse hinterfragen, die arbeitssüchtiges Verhalten fördern könnten

Kann eine gesunde Work-Live-Balance wieder erlernt werden?

Prinzipiell ja. Das ist immer das Therapieziel. Anders als bei anderen Süchten muss jedoch ein kontrollierter Konsum erreicht werden. Dies gelingt meist im Rahmen einer Verhaltenstherapie und bedarf Zeit.

Quellen

[1] https://www.bibb.de/de/157817.php | Zugriff am 17.11.2023

[2] https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/arbeit-2022-0015/html | Zugriff am 17.11.2023

[3] https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++664c54a4-d811-11eb-93de-001a4a160123 | Zugriff am 17.11.2023

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