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Hypnobirthing: Schmerzfreie Geburt unter Hypnose?

Viele werdende Mütter haben ein mulmiges Gefühl, wenn es langsam aber sicher in Richtung Geburt geht. Schauergeschichten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis oder auch die Angst vor Schmerzen führen nicht selten zu Verunsicherung. Muss die natürliche Geburt zwingend schmerzhaft oder traumatisch sein? Wir erläutern das Konzept Hypnobirthing. 

Hebamme mit Mutter und Baby

Was ist Hypnobirthing?

„Hypnose ist ein äußerst natürlicher Zustand, in dem die meisten von uns einen Großteil des Tages verbringen“, erklärt Dr. Jan Kemnitz, Chefarzt der Geburtsklinik und zertifizierter Hypnosecoach und -therapeut der Helios Klinik Miltenberg-Erlenbach. Wenn wir in unsere Arbeit vertieft sind und das Zeitgefühl verlieren oder nicht bemerken, was um uns herum geschieht, ist das Hypnose.

Hypnobirthing ist, wenn man sich während eines Geburtsverlaufs in Trance befindet. Gespräche sind dann noch zu hören und wenn das gewünscht ist, kann auch daran teilgenommen werden.

Die Entstehung des Hypnobirthings

Die Philosophie hinter Hypnobirthing hängt eng mit der Art zusammen, wie die Menschen des Altertums die Geburt sahen: als ein Fest des Lebens. Seine praktischen Ursprünge hingegen basieren auf dem Werk moderner Wissenschaftler:innen. Vor allem auf den Theorien des englischen Frauenarztes Dr. Grantly Dick-Read, der am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Geburtshilfe tätig war. Als junger Assistenzarzt arbeitete er in den Elendsvierteln Londons und beobachtete Frauen, wie sie mit sanftem Atem ihre Kinder zur Welt brachten.

Das brachte Dick-Read dazu, sein bisheriges Wissen infrage zu stellen. Wie war es diesen Frauen möglich, ihre Kinder so entspannt zur Welt zu bringen? Mit der Zeit wurde ihm klar, dass es nicht so sehr etwas war, das sie besaßen, als vielmehr etwas, das sie nicht hatten – nämlich Angst. Er nannte seine Theorie das „Angst-Verkrampfung-Schmerz-Syndrom".

Das Konzept von Hypnobirthing wurde schließlich von der Hypnosetherapeutin Marie F. Mongan entwickelt, die es 1989 erstmals als Geburtsmethode vorstellte. Es bedeutet eine Rückkehr zu der Vorstellung, dass es jeder Frau möglich ist, mithilfe ihres Mutterinstinkts ihr Kind angenehm und mit Freude zur Welt zu bringen – so wie es der Natur am meisten entspricht. Mongan erkannte, dass auch sie Selbsthypnose während der Geburt angewendet hatte, um das Maß an Entspannung zu erreichen, das es ihr ermöglichte, die Entbindung schmerzlos zu erleben.

Durch ein besseres Verständnis der Hypnose wissen wir heute, dass eine Person im hypnotischen Zustand vollkommen bei Bewusstsein, ja sogar in einem gesteigerten Bewusstseinszustand ist und sich völlig unter Kontrolle hat.

Hypnobirthing: Übungen und Techniken

Die tief in unserer Kultur verankerte Angst der Frauen vor der Geburt bewirkt im Körper drei entscheidende Reaktionen:

  • die Muskeln verkrampfen,
  • die Durchblutung wird reduziert und
  • Stress-Hormone werden ausgeschüttet.

All diese Reaktionen bedingen und verschlimmern den Geburtsschmerz. „Bei der Mongan-Methode wird diese Angst mithilfe von Hypnosetechniken systematisch abgebaut – auch solche aus dramatisch erlebten Geburten“, sagt Dr. Kemnitz. Viele Schmerzen entstehen so erst gar nicht, die werdende Mutter kann sich tief entspannen und ihr Körper seine Aufgabe wesentlich besser erfüllen.

Zusätzlich vermindert Hypnobirthing Schmerzen durch besondere Atem-, Entspannungs- und Konzentrationsübungen drastisch, sodass Schmerzmittel fast immer überflüssig sind. Ebenso wird die Zahl der Kaiserschnitte und anderer ärztlicher Eingriffe stark reduziert. Nach der Geburt erholen sich die Frauen deutlich schneller, wodurch es ihnen leichter fällt, eine innige Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Vielseitiges Mongan-Konzept

Das Konzept vermittelt nicht nur Entspannungs- und Visualisierungstechniken, sondern auch Gymnastikübungen und einen Ernährungsplan. Das Erarbeiten einer ruhigen Herangehensweise an Schwangerschaft und Geburt ermöglicht es, sich auf eine leichtere, angenehmere und freudvollere Geburtserfahrung einzustellen.

Hypnobirthing hilft den werdenden Eltern, verschiedene Entscheidungen zu treffen, denen sie bei der Vorbereitung auf eine der entscheidendsten Zeiten in ihrem Leben gegenüberstehen werden. Es wird den Eltern gezeigt, wie sie sich mit ihrem ungeborenen Kind verbinden können und ein tieferes Verständnis für ihr Baby als bewussten, kleinen Menschen aufbauen, der auch schon vor der Geburt problemlos mit ihnen kommunizieren kann. Sie können lernen, ihren Körper und ihren Geist so einzustellen, dass – ungeachtet ihrer gegenwärtigen Ziele – für sie eine glückliche Geburt möglich wird.

Der Geburtsgefährte – ganz egal ob Kindsvater, Elternteil oder eine andere Vertrauensperson – nimmt beim Hypnobirthing eine besondere Rolle ein. Der Halt und die Verbundenheit, die während des Geburtsverlaufs entstehen, geben der Partnerschaft eine neue Ebene der Tiefe. Das Wissen, von einer liebevollen und fürsorglichen Person unterstützt zu werden, ist einer der Hauptfaktoren, die das emotionale Wohlbefinden der werdenden Mutter und ihres Babys sicherstellen.  

Der Körper folgt dem Geist

Auch die Sprache spielt bei der schmerzfreien Geburt eine entscheidende Rolle. Worte oder Begriffe, die heutzutage automatisch unterbewusst mit Schmerz oder negativen Gefühlen verbunden werden, werden ersetzt. So verwendet man beispielsweise „Geburtswellen" anstatt „Wehen", „Geburtsweg" statt „Geburtskanal" oder „Empfindung und Gefühl" statt „Schmerz".

Sowohl Körper als auch Geist werden auf die erfolgreiche Geburt vorbereitet. Dazu gehören auch Übungen zur pränatalen Verbundenheit, die richtige Wahl der Geburtsbetreuung und der -umgebung.

Die vier Basistechniken des Hypnobirthings sind:

  • Atmung: Schlafatmung, langsames Atmen, Geburtsatmung
  • Visualisierung: Regenbogenentspannung, die sich öffnende Blüte
  • Entspannung: Progressive Entspannung, Verschwinden der Buchstaben, die leichte Berührungsmassage
  • Vertiefung: die Handschuhentspannung, das Tiefometer

Kosten und -übernahme durch Krankenkassen

Die Gebühren für Hypnobirthing-Kurse variieren je nach Anbieter und Leistung. Gruppenkurse mit bis zu fünf Paaren können beispielsweise bei rund 300 Euro, Einzelkurse bei etwa 450 Euro liegen.

Einige Krankenkassen übernehmen anteilig die Kursgebühren. Die Entscheidung darüber obliegt jedoch der jeweiligen Krankenkasse und stellt eine Einzelfallentscheidung dar. Informieren Sie sich vor Ihrer Teilnahme, ob eine Kostenübernahme möglich ist.  

Kritik an der Hypnobirthing-Methode

Der Trend des Hypnobirthings hat leider dazu geführt, dass auch viele unqualifizierte Kursanbieter:innen den Markt bevölkern. Das Erlernen des Hypnobirthings ist ein stetiger Prozess, der nicht innerhalb eines Tages erlernt werden kann. Vielmehr sollten die werdenden Eltern über die Schwangerschaft hinweg begleitet werden. Dabei ist es wichtig, auf zertifizierte Hypnosetherapeut:innen zu achten.

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