Was ist ein Angioödem?
Angioödeme (auch Quincke-Ödeme) sind plötzlich auftretende Schwellungen, die unter der Haut oder Schleimhaut auftreten. Als Ursachen kommen verschiedene Erkrankungen infrage.
Grob unterschieden wird zwischen einer Mastzell-vermittelten und einer Bradykinin-vermittelten Form: Mastzell-vermittelte Angioödeme kommen zum Beispiel im Rahmen von Allergien oder Nesselsucht (Urtikaria) vor. Bradykinin-vermittelte Formen werden oftmals vererbt oder treten durch Medikamente oder andere Grunderkrankungen auf.
Mastzell-vermittelte Angioödeme
Die meisten Angioödeme sind Mastzell-vermittelt. Mastzellen sind Abwehrzellen des menschlichen Immunsystems. Sie sind auf der Haut, in den Schleimhäuten und in der Nähe von Gefäßen sowie in den Organen verteilt und schütten Botenstoffe aus, die die körpereigene Abwehrreaktion stärken. Oft spielt der Botenstoff Histamin dabei eine Rolle. Dieser erhöht die Gefäßdurchlässigkeit, wodurch Blutplasma ins Gewebe tritt und es zu Flüssigkeitsansammlungen kommt. Die Angioödeme treten dann häufig in Kombination mit Quaddeln oder Juckreiz auf.
Die auslösenden Ursachen für die Aktivierung der Mastzellen sind vielfältig:
- allergische Reaktion auf Lebensmittel wie Nüsse, Eier, Milch, Fisch, Meeresfrüchte, Obst oder auf Tierhaare
- Pseudoallergien
- virale und bakterielle Infektion
- Einnahme von Medikamenten
- psychischer oder mechanischer Stress (Kälte, Wärme, Druck oder Reibung)
Bradykinin-vermittelte Angioödeme
Deutlich seltener sind Bradykinin-vermittelte Erkrankungen. Hier kommt es im Blut zu einem Anstieg von Bradykinin, einem Hormon, welches zu einer erhöhten Gefäßdurchlässigkeit (Permeabilität) führt.
Auslöser hierfür können sein:
- erblich bedingte Störungen verursachen das hereditäre Angioödem (HAE): Durch eine Genmutation ist der C1-Inhibitor (Mitglied der Serpin-Klasse von Proteinen = Eiweißen) im Blut vermindert oder fehlerhaft. Daneben gibt es erbliche Formen mit normalen C1-Inhibitor-Werten, die durch spezielle Genmutationen ausgelöst werden
- erworben durch Krankheitsbilder wie Krebs- oder Autoimmunerkrankungen (etwa Lymphdrüsenkrebs, MGUS oder Lupus erythematodes)
- bestimmte Medikamente wie etwa Blutdrucksenker (zum Beispiel ACE-Hemmer induziertes Angioödem)
- idiopathisch, ohne dass bestimmte Ursachen vorliegen
Welche Symptome treten bei einem Angioödem auf?
Die Schwellungen können fast alle Körperregionen betreffen wie Gesicht, Zunge, Kehlkopf, Extremitäten oder innere Organe. Neben den störenden sichtbaren Schwellungen sind auch starke Bauchschmerzen möglich. Treten die Angioödeme im Bereich von Zunge, Rachen oder Kehlkopf auf, besteht die Gefahr einer lebensbedrohlichen Luftnot.
Beim Mastzell-vermittelten Angioödem kommt es häufig zusätzlich zu Juckreiz und Nesselsucht. Das hereditäre Angioödem tritt oft in Verbindung mit Schwellungen im Magen-Darm-Trakt auf, wodurch es zu starken Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen sowie Durchfall kommen kann. Beim HAE treten die Symptome meist bereits im Kindesalter auf.
Diagnose eines Angioödems
Wenn Sie bei sich solche Schwellungen bemerken und damit ärztlichen Rat suchen, ist die Blickdiagnose meist schnell eindeutig. Im nächsten Schritt muss jedoch die Ursache gefunden werden. Dies erfolgt durch eine ausführliche Befragung (Anamnese), etwa zum Auftreten, der Dauer, der Lokalisation und möglichen Auslösern wie Medikamente oder Stress. Laboruntersuchungen zum Beispiel zur Bestimmung des C1-Inhibitor-Wertes, Allergietests und weitere Untersuchungen dienen der weiteren Abklärung der Ursachen.
Es ist hilfreich, wenn Sie notieren, wann, wo und wie lange die Schwellungen auftreten und welche weiteren Symptome Sie haben. Ebenso sind Fotos der Schwellungen von Nutzen.
Wie läuft die Therapie ab?
Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Therapieansätze. In der Notfallsituation wird die Diagnose anhand von klinischen Symptome und der Anamnese gestellt.
Mastzell-vermitteltes Angioödem:
In der Regel kommen hier Antihistaminika, Kortisonpräparate und gegebenenfalls Adrenalin zum Einsatz um die Symptome zu beseitigen.
Wenn die Ursache eine Allergie ist, sollten Sie die Auslöser künftig meiden. Liegt bei Ihnen eine virale oder bakterielle Infektion oder eine auslösende Grunderkrankung vor, sollte diese entsprechend therapiert werden.
Bradykinin-vermitteltes Angioödem:
Wenn bei Ihnen das hereditäre Angioödem diagnostiziert wurde, werden spezielle Medikamente verordnet. Kortison und Allergietabletten sind hier nicht wirksam. Zudem können Sie Medikamente im Rahmen einer vorbeugenden Therapie einnehmen, mit denen sich die Häufigkeit der HAE-Attacken mindern lässt.
Bei Formen, die durch Medikamente ausgelöst werden, sollte das ursächliche Medikament abgesetzt und lebenslang gemieden werden. Ihre Ärztin/Ihr Arzt muss hier eine medikamentöse Alternative finden.
Bei der erworbenen Form der Bradykinin-vermittelten Angioödeme durch Störungen eines bestimmten Eiweißes im Körper kommt entweder eine Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung in Frage oder es stehen ebenfalls spezielle Medikamente zur Verfügung, ähnlich wie beim HAE.
In speziellen Angioödem-Sprechstunden können Sie gemeinsam mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt eine individualisierte Therapie festgelegen, deren Erfolg Sie gemeinsam regelmäßig prüfen. Es ist auch ratsam, Angehörige und Freunde in die Behandlung einzubeziehen, sodass diese im Notfall wissen, wie sie handeln sollten.
Wie gefährlich ist ein Angioödem?
Im Normalfall ist das Angioödem nicht gefährlich und die Beschwerden klingen nach ein bis sieben Tagen von selber wieder ab.
Ein lebensbedrohlicher Notfall besteht bei Schwellungen im Bereich von Zunge, Rachen oder Kehlkopf. Dann kann Atemnot drohen und im schlimmsten Fall ein Erstickungstod. Sie sollten so schnell wie möglich den Notruf kontaktieren oder in die Rettungsstelle gehen. Dort kann Ihnen schnell geholfen werden. Sollten Sie ein Notfallmedikament zu Hause haben, verabreichen Sie sich dieses zusätzlich so zügig wie möglich.