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Leisure-Sickness-Syndrom: Warum man im Urlaub krank wird

Kaum hat der langersehnte Urlaub begonnen, kündigt sich eine Erkältung an. Warum ist das so? Diplom-Psychologin Mandy Ziermann kennt die Gründe und gibt Tipps, wie man der Freizeitkrankheit vorbeugen kann.

sick man measuring temperature by thermometer

Was versteht man unter dem Leisure-Sickness-Sydrom?

Leisure-Sickness – auf Deutsch Freizeitkrankheit  bezeichnet das ärgerliche Phänomen, pünktlich zum Urlaub oder anstehenden Erholungsphasen Krankheitssymptome zu entwickeln. Man fühlt sich erschöpft, bekommt eine Erkältung oder auch grippeartige Symptome.¹

Warum wird man im Urlaub krank?

Die Gründe für die Freizeitkrankheit sind noch nicht eindeutig geklärt. „Die vorherrschende Theorie geht allerdings davon aus, dass es sich dabei um ein Zusammenspiel von Stressphasen und der physiologischen Reaktion des Körpers darauf handelt“, sagt Mandy Ziermann. Sie ist leitende Psychologin im Leipziger Institut der Helios Arbeitsmedizin.

Bei chronischem Stresserleben kommt es zu einer Überaktivierung des vegetativen Nervensystems. Es regelt die Abläufe im Körper, die man nicht mit dem Willen steuern kann. Der Sympathikus befähigt den Körper dabei zu schnellen Aktionen. Die Konzentration nimmt ab, wenn die Stressphase vorbei ist und der Gegenspieler Parasympathikus übernimmt.

Bei anhaltendem Stresserleben jedoch ist das Immunsystem durch den kontinuierlichen Einfluss der Hormone Cortisol und Adrenalin geschwächt, sodass die späte Übernahme des Parasympathikus durch Kopfschmerzen, Erschöpfung oder andere Krankheitssymptome begleitet ist.¹

Das belegte auch eine Studie von Dr. John W. Mason und Kollegen im Jahr 1961. Die amerikanischen Psychologen zeigten, dass Affen, die stressvolle Aufgaben erledigen mussten, im Anschluss an diese Anstrengungsphase Geschwüre und Magenbeschwerden entwickelten.²

Welche Rolle spielt Stress im Job?

Ein zusätzlicher Begriff taucht auf, wenn man das Zusammenspiel zwischen beruflichem Stress und dem Leisure-Sickness-Syndrom (L-S-S) betrachtet. Der „Arbeit-zu-Freizeit-Konflikt“ (Work-Life-Conflict) beschreibt, dass arbeitsbezogene Themen auch in anderen Lebensbereichen vorherrschen.¹

Die Psychologin erklärt: „Während Arbeitspausen und Erholungsphasen effektive Mittel sind, um Stress präventiv vorzubeugen, steigt die Wahrscheinlichkeit für das L-S-S durch das andauernde Beschäftigen mit Arbeitsthemen und berufsbezogenem Stress.

So ist einer der größten Unterschiede zwischen Betroffenen und nicht Betroffenen der Umgang mit Stress.“ Betroffene besitzen meistens nicht die Fähigkeit, adäquat mit ihrem Arbeitsstress umzugehen und können somit im Urlaub nicht richtig abschalten.²

Welche Symptome kommen häufig vor?

Leisure-Sickness-Betroffene verspüren am Wochenende sehr oft Kopfschmerzen. Auch das Thema Migräne spielt eine Rolle. Diese tritt häufig zu Beginn der Freizeitphase auf. Außerdem fühlen sich L-S-Betroffene sehr oft platt und energielos.

Ihr Körper und insbesondere der Rücken schmerzen. Symptome wie Übelkeit und Erbrechen können auch auftreten und ähneln somit denen einer Magen-Darm-Grippe.²

Neben der Folge dieser Krankheitsausprägungen sind auch einige psychische Begleiterscheinungen zu beobachten. Hierzu zählen die mangelnde Fähigkeit abzuschalten, eine anhaltende Anspannungkeine gute Freizeitkultur. Beispielsweise das ziellose Verstreichenlassen der Zeit außerhalb der Erwerbstätigkeit, ohne dass dies als Erholung wahrgenommen wird.³

Neuerdings lassen sich auch schwerwiegendere Auswirkungen auf die Gesundheit erkennen. Es lässt sich eine erhöhte Todesrate erkennen, die durch Herzinfarkte und Schlaganfälle in den Ferien auftreten.­­­­­­­­­­­­­­⁴ Gerade um die Weihnachtszeit gibt es mehr Todesfälle als im Rest des Jahres.

Das deftige Essen in Kombination mit dem erhöhten Alkoholkonsum sind zusätzliche Risikofaktoren und im Zusammenspiel mit dem Leisure-Sickness-Syndrom eine gefährliche Kombination.²

Wie kann man vorbeugen?

Da das Immunsystem in Stressphasen durch die anhaltende Aktivierung des vegetativen Nervensystems besonders gefordert wird, sind regelmäßige Erholung und Entspannung besonders wichtig. „Fällt es Betroffenen schwer, am Wochenende oder im Urlaub richtig abzuschalten, sind sogenannte Coping- oder Bewältigungsstrategien nützlich, um das Stressempfinden zu regulieren“, rät die Expertin.

Eine nützliche Methode, um auch in den Arbeitsalltag regelmäßige Entspannungszeiten zu integrieren, ist die progressive Muskelentspannung. Hierbei handelt es sich um das gezielte An- und Entspannen der Muskeln, schließlich eine Entspannung des gesamten Körpers bewirkt werden soll.

Um möglichst ohne Gedanken an liegengebliebene Arbeit in die Arbeitspause zu starten, kann es hilfreich sein, den Urlaub gut zu planen. „Eine Möglichkeit hierfür wäre, aktuelle Projekte an Kolleginnen und Kollegen zu übergeben und die Vertretung durch To-Do-Listen vorzubereiten“, sagt Ziermann.

In der Freizeit selbst ist es ratsam, das Handy und insbesondere arbeitsbezogene Anrufe und Nachrichten einfach mal zu ignorieren. Eine ständige Erreichbarkeit wird von vielen als chronischer Belastungsfaktor erlebt.⁵ Für das Gelingen der digitalen Auszeit ist es hilfreich, das Handy auszuschalten und es außerhalb des Sichtfelds aufzubewahren.

Auch Unternehmen können ihre Arbeitnehmer:innen dabei unterstützen, sich ausreichend zu erholen. Die Diplom-Psychologin empfiehlt: „Durch das Einrichten von Erholungsräumen, das Angebot spezieller Entspannungsmaßnahmen, wie etwa Sportkurse, und die ausdrückliche Entscheidung gegen ständige Erreichbarkeit, können sie einen wichtigen Beitrag zur Erholungskompetenz ihrer Mitarbeitenden beitragen.“

„Mein persönlicher Tipp: Gegen hartnäckige Gedanken an die Arbeit ist Sport ein effektives Mittel“, sagt Mandy Ziermann. Ob an der frischen Luft oder ein kleines Work-out zu Hause, wichtig ist die Bewegung. Die Psychologin weiß: „Für die physische Gesundheit bietet Sport einen enormen Vorteil, um abzuschalten und sich gleichzeitig fit zu halten.“

Welche gesetzlichen Regelungen gelten?

Werden Arbeitnehmer:innen dann doch mal im Urlaub krank, stellt sich die Frage, was mit den Urlaubstagen passiert. Grundsätzlich gilt, Urlaubstage, an denen Arbeitnehmer:innen krankgeschrieben wurden, werden auf den Jahresurlaub nicht angerechnet (§ 9 Bundesurlaubgesetz).

Hierbei ist es wichtig, die Krankheit durch ein ärztliches Attest zu bescheinigen und den Arbeitgeber schnellstmöglich über den Beginn und die geschätzte Dauer der Krankheit zu informieren.⁶

Sollte man vor einer geplanten Reise krank werden, darf diese nicht angetreten werden und muss abgesagt werden. Es gilt, dass alles, was die Genesung gefährden könnte, vermieden werden soll.⁶

 

Quellen

[1] Barmer. (17.03.2023). Leisure-Sickness-Syndrom: Wenn die Entspannung zu spät kommt. Presse-Newsletter – Gesundheit im Blick. Von www.barmer.de/presse/presseinformationen/newsletter-gesundheit-im-blick/leisure-sickness-syndrom-wenn-die-entspannung-zu-spaet-kommt-1156500 abgerufen.

[2] Buchenau, P. und Balsereit, B. (2015), zitiert nach Kop et al. (2003), Chefsache Leisure Sickness – Warum Leistungsträger in ihrer Freizeit krank werden. Wiesbaden: Springer Gabler.

[3] Wieden, M. (2016). Leisure Sickness – wenn Freizeit krank macht. In M. Wieden, Chronobiologie im Personalmanagement – Wissen wie Mitarbeiter ticken (S. 77-81). Wiesbaden: Springer Gabler.

[4] Buchenau, P. und Balsereit, B. (2015), zitiert nach Van Heeck und Vingerhoest, (2007), Chefsache Leisure – Sickness Warum Leistungsträger in ihrer Freizeit krank werden. Wiesbaden: Springer Gabler.

[5] Techniker Krankenkasse. (30.06.2023). Allzeit bereit oder Digital Detox? Von www.tk.de/techniker/magazin/digitale-gesundheit/rund-ums-smartphone/digital-detox-tipps-2055434 abgerufen.

[6] Techniker Krankenkasse. (31.08.2022). Krank im Urlaub – was rechtlich gilt. Von www.tk.de/firmenkunden/service/gesund-arbeiten/betriebliche-gesundheitsfoerderung/krank-im-urlaub-was-rechtlich-gilt-2068296 abgerufen.

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