Neben der Operation leistet die Chemotherapie einen wichtigen Beitrag in der Behandlung von Darmkrebs. Das Prinzip der Chemotherapie ist die Zerstörung von Zellen, die sich schnell teilen. Die Medikamente (Zytostatika) werden dabei über den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt (systemische Therapie) und erfassen neben den Krebszellen leider auch gesundes Gewebe mit hoher Teilungsrate. Dies kann verschiedene Nebenwirkungen verursachen, die weiter unten noch ausführlicher erläutert werden. Antikörpertherapien ergänzen die Möglichkeiten der systemischen Tumortherapie, dabei werden gezielt Signale zur Wachstumssignalübertragung blockiert. Im Darmzentrum werden die Empfehlungen zur systemischen Tumortherapie in der interdisziplinären Tumorkonferenz abgesprochen und dokumentiert.
Wann ist eine systemische Tumortherapie angezeigt?
Je nach Zeitpunkt der Chemotherapie und Stadium der Krebserkrankungen unterscheidet man zwischen neoadjuvanter, adjuvanter und palliativer Chemotherapie.
Neoadjuvante Chemotherapie:
Eine neoadjuvante Chemotherapie wird in Kombination mit Strahlentherapie vor einer Operation bei fortgeschrittenem Enddarmkrebs angewandt, um eine Verkleinerung des Tumors herbeizuführen und damit eine Operation im Gesunden, d.h. ohne Tumorreste zu ermöglichen. Das Risiko, dass die Krebserkrankung nach erfolgreicher Operation wieder auftritt (Rezidiv), wird durch eine derartige Vorbehandlung deutlich gesenkt.
Adjuvante Chemotherapie:
Eine adjuvante Chemotherapie wird nach einer erfolgreichen Operation empfohlen, wenn in der Untersuchung des Operationspräparates tumorbefallene Lymphknoten (Stadium III) nachgewiesen werden. Risikofaktoren wie Notalloperation, die Eindringtiefe des Tumors (T4) u.a. können im Stadium II ein Grund für eine chemotherapeutische Nachbehandlung sein. Trotz kompletter Tumorentfernung besteht in diesen Fällen die Möglichkeit, dass nicht alle Krebszellen durch die Operation entfernt wurden. Es besteht ein Risiko, dass irgendwo im Körper Krebszellen verborgen sind, die mit den üblichen Untersuchungsmethoden nicht nachgewiesen werden können und von denen das Risiko für die Ausbildung von Tochtergeschwülste (Metastasen) auch Jahre später ausgehen kann. Große internationale Studien haben gezeigt, dass eine adjuvante Chemotherapie das Rückfallrisiko deutlich senken kann.
Palliative Chemotherapie:
Eine palliative Chemotherapie ist dann angezeigt, wenn sich bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) z.B. in der Leber oder Lunge gebildet haben (Stadium IV). Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Besserung der tumorbedingten Symptome und die Verlängerung der Überlebenszeit durch ein Aufhalten des Tumorwachstums. Eine Heilung ist zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr möglich. Heutzutage wird die palliative Chemotherapie durch sog. Antikörpertherapien ergänzt. Das sind Medikamente, die bestimmte Zielstrukturen auf den Tumorzellen blockieren und damit eine Wachstums-und Teilungshemmung verursachen.
In bestimmten Fällen können Leber - oder Lungenmetastasen durch eine Chemotherapie so verkleinert werden, dass diese dann chirurgisch entfernbar werden.
Durchführung einer systemischen Tumortherapie
Eine Chemotherapie kann prinzipiell ambulant, zum Beispiel in einer Krankenhausambulanz oder einer spezialisierten, onkologischen Arztpraxis durchgeführt werden, wenn nicht gesundheitliche Gründe einen stationären Aufenthalt erforderlich machen.
Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Medikamente (z.B. 5-FU, Folinsäure, Oxaliplatin, Irinotecan, Capecitabine, Cetuximab, Panitumumab, Bevacizumab) hängt sowohl vom Stadium der Erkrankung als auch von den Begleiterkrankungen und dem Allgemeinzustand ab. Sie werden häufig in Kombination, aber auch einzeln (Monotherapie) angewendet. Die Verabreichung erfolgt in der Regel über eine Vene (intravenös). Der Einbau eines venösen Portkatheters ist hierbei generell von Vorteil und für den Patienten angenehmer, bei bestimmten Kombinationen sogar Voraussetzung für die ambulante Durchführbarkeit. Lediglich Capecitabine wird als Tablette eingenommen.
Die Behandlung erfolgt durch ein speziell ausgebildetes Team aus Ärzten (internistische Onkologen) und Pflegekräften. Die Ärzte bewerten nach der Verabreichung einer Chemotherapie die aufgetretenen Nebenwirkungen und entscheiden über das weitere Vorgehen, sei es durch Anpassung der verwendeten Dosis oder Umsetzen auf ein anderes verträglicheres Protokoll. Untersuchungen zur Dokumentation der Wirksamkeit finden auch in regelmäßigen Abständen statt. Bei Ansprechen der Behandlung und guter Verträglichkeit wird die Therapie in der Regel unverändert fortgesetzt. Bei Nichtansprechen gibt es alternative Therapieprotokolle.
Mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen?
Da auch die Zellteilung und -vermehrung von gesunden Geweben durch Chemotherapie beeinträchtigt werden, können daraus unterschiedliche Nebenwirkungen resultieren. Das blutbildende Knochenmark, das weiße und rote Blutkörperchen sowie Blutplättchen bildet, reagiert besonders empfindlich, sodass es im Laufe der Therapie zu Infektionen, Blutarmut oder Blutungen kommen kann.
Aus diesem Grund sollte das sog. Blutbild regelmäßig durch den Hausarzt kontrolliert werden. Dabei kommt den weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die der Infektionsabwehr dienen, eine besondere Bedeutung zu. So kann es vorkommen, dass bei zu niedrigen Leukozyten werten die Therapie bis zur Erholung des Blutbildes unterbrochen werden muss. Eine weitere Nebenwirkung sind Übelkeit und Erbrechen. Jedoch können durch die vorsorgliche Infusion so genannter Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit), die vor jeder Chemotherapie gegeben werden, Übelkeit und Erbrechen wirksam unterdrückt werden. Des Weiteren können Appetitlosigkeit, Geschmacksstörungen und Durchfälle auftreten.
Nach Abschluss der Therapie verschwinden die Nebenwirkungen wieder. Eine für viele Patienten belastende Nebenwirkung stellt Haarausfall dar. Jedoch ist bei den gegen Darmkrebs eingesetzten Medikamentenkombinationen kein vollständiger Haarausfall zu erwarten. Auf alle Fälle wachsen die Haare nach Ende der Behandlung wieder nach. Die oben erwähnten Antikörper sind im Allgemeinen gut verträglich. Da es sich um Eiweiße handelt, sind allergische Reaktionen möglich. Während Cetuximab zu akneformen Hautausschlag führen kann, ist bei Bevacizumab auf Blutungen und Thrombosen sowie auf Bluthochdruck zu achten.