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Künstliche Befruchtung: Große Hoffnung für viele Paare

Ungewollte Kinderlosigkeit betrifft in Deutschland rund jedes zehnte Paar mit Kinderwunsch. Welche Möglichkeiten bietet die künstliche Befruchtung? Wie hoch sind die Erfolgschancen? Und: Wer übernimmt die Kosten? Diese Fragen beantworten hier unsere Experten.

Eltern schmusen mit ihrem Baby

Kinderwunsch und die monatliche Enttäuschung

Monat für Monat das gleiche endlose Warten: Zuerst auf die fruchtbaren Tage im weiblichen Zyklus. Anschließend auf den sogenannten „NMT“ – den „Nicht-Menstruations-Tag“. Setzt die Monatsblutung dann doch ein, fallen viele Frauen mit Kinderwunsch in ein tiefes Loch: Wieder hat es mit dem Baby nicht geklappt. Wieder warten.

Dass es ein paar Monate dauert, bis ein Paar sich über den positiven Schwangerschaftstest freuen darf, ist ganz normal. „Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft liegt im besten Fall bei etwa 20 bis 30 Prozent pro Zyklus und ist abhängig von Alter und Veranlagung der Paare. Ab 30 lässt die Fruchtbarkeit bei Frauen aber bereits nach. Die Chance einer Schwangerschaft liegt mit 35 Jahren nur noch bei etwa 15 Prozent je Zyklus, mit 40 sogar nur noch bei zehn Prozent. Gleichzeitig steigt leider das Risiko für Fehlgeburten“, sagt Prof. Dr. Jürgen Kleinstein. Er ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie in der Helios Klinik Köthen.

Grundsätzlich gilt: Ist eine gesunde Frau unter 35, mit regelmäßigem Zyklus und Geschlechtsverkehr nach einem Jahr noch nicht schwanger, sollte sie mit ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt sprechen. Bei Frauen über 35 Jahren verkürzt sich diese Spanne: Hier sollte die Ärztin oder der Arzt bereits nach sechs Monaten einbezogen werden.

Untersuchungen bei unerfülltem Kinderwunsch

„Den Frauenarzt beziehungsweise die Frauenärztin bezeichnet man zu Recht auch als ‚Hausarzt der Frauen‘. Aufgrund ihrer Ausbildung kennen sie sich mit dem Zyklus der Frau und seinen Störungen sehr gut aus“, sagt der Kinderwunschexperte. „Bei unerfülltem Kinderwunsch sollte zunächst kontrolliert werden, ob ein Eisprung stattfindet. Außerdem muss eine Gelbkörperschwäche ausgeschlossen werden und die Durchlässigkeit der Eileiter gesichert sein. Per Ultraschall sollte überprüft werden, ob Eierstockzysten, polyzystische Ovarien – kurz PCO-Syndrom – und Myome vorliegen“, sagt Professor Kleinstein.

Eine Hormonanalyse unter Einschluss des Anti-Müller-Hormons (Hinweis auf Anzahl der Eizellen) und des für die Schilddrüse wichtigen TSH gibt Informationen über Zyklus- und Schilddrüsenfunktion sowie die Eizellreserve. „Störungen der Schilddrüse sind bei Frauen vergleichsweise häufiger zu finden und müssen eventuell durch den internistischen Endokrinologen abgeklärt werden“, erläutert der Reproduktionsmediziner.

Nicht zuletzt gilt es, auch die Gerinnung zu überprüfen: Eventuell vorliegende Störungen werden auf Basis von Blutproben durch Labormediziner:innen und entsprechende Spezialist:innen diagnostiziert und bewertet.

Wann ist die künstliche Befruchtung sinnvoll?

Sind alle Untersuchungen ohne Befund oder tritt trotz Behandlung der Frau keine Schwangerschaft ein, sollten sich Paare nicht scheuen, eine Kinderwunschsprechstunde aufzusuchen.

Spätestens hier wird die Spermienqualität des Mannes überprüft: Ist die Spermienkonzentration reduziert? Wie hoch ist der Anteil normal geformter Spermien? Ist die Beweglichkeit der Spermien eingeschränkt?

Wie wichtig die Untersuchung beider Partner ist, zeigt die ungefähre Verteilung der Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit: „In circa 35 Prozent der Fälle sind die Ursachen bei der Frau zu finden, in rund 30 Prozent beim Mann und in nochmal 30 Prozent bei beiden Partnern. Bei ungefähr 5 Prozent der Paare lässt sich keine Ursache finden“, sagt Professor Jürgen Kleinstein.

Welche Methoden der künstlichen Befruchtung gibt es?

Grundsätzlich unterscheidet man die künstliche Befruchtung durch Intrauterine Insemination (IUI) oder durch In-vitro-Fertilisation (IVF).

Während bei der IUI die Spermien in den Gebärmutterhals, die Gebärmutter oder den Eileiter eingebracht werden und dann selbständig zur Eizelle finden, erfolgt bei der IVF-Behandlung die Befruchtung außerhalb des weiblichen Körpers, die befruchtete Eizelle wird später eingesetzt.

Auch bei einer IVF gibt es verschiedene Verfahren: Einmal können Eizelle und männliche Spermien in einer Nährlösung zusammengebracht werden, eine der Samenzellen verschmilzt dann eigenständig mit der Eizelle. „Bleibt das erfolglos oder besteht beim Mann eine schwere und nicht medikamentös therapierbare Unfruchtbarkeit, kann die Samenzelle auch mittels ‚Spritze‘ in die Eizelle eingebracht werden. Dieses Verfahren nennt sich ICSI“, erklärt Professor Kleinstein.

Die klassische IVF kommt beispielsweise nach dem Verlust der Eileiter, bei einem operativ nicht korrigierbaren Eileiterschaden, bei Endometriose (gynäkologische Erkrankung), einer milden Fertilitätsstörung – sprich Unfruchtbarkeit – des Mannes oder nicht erklärbarer Kinderlosigkeit zum Einsatz.

Eine IUI wird versucht, wenn die Spermienqualität beziehungsweise -menge unzureichend ist oder eine Schwäche im Gebärmutterhals vorliegt.

Risiken einer künstlichen Befruchtung

Bevor sich Paare für die künstliche Befruchtung entscheiden, werden sie über die möglichen Risiken der Behandlung aufgeklärt. „Wichtig ist, dass man bei der Frau das sogenannte Überstimulationssyndrom vermeidet. Es kann mit vergrößerten Eierstöcken, vielen Eibläschen, Flüssigkeitsansammlung, Schmerzen und Kreislaufinstabilität einhergehen“, erklärt der Arzt.

Um schwerwiegende Komplikationen zu verhindern, kann beispielsweise nur ein Embryo eingesetzt werden. „Der Transfer von nur einem Embryo, zum Beispiel als Blastozyten-Transfer, ist die wirksamste Komponente um kindliche Gefährdungen in Form von Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden“, sagt Professor Jürgen Kleinstein. Ein Blastozyt ist ein Embryo wenige Tage nach der Befruchtung.

Schwangerschaften durch künstliche Befruchtung sind nicht per se Risikoschwangerschaften. Aufgrund des meist fortgeschrittenen Alters der Patientinnen, verschiedener Einschränkungen der Fruchtbarkeit und einem höheren Risiko für Schwangerschaftsdiabetes werden die Schwangeren jedoch engmaschig betreut.

Die Erfolgschancen bei künstlicher Befruchtung

Unabhängig von der Statistik hat jedes Paar individuelle Erfolgschancen, die vom Alter, dem allgemeinen Gesundheitszustand, Vorerkrankungen und dem Lebensstil bestimmt sind. „Man muss dabei Schwangerschafts- und Geburtenrate unterscheiden. Denn: Nicht jede Schwangerschaft führt auch zu einer Geburt“, sagt Alexander Schaefer, Executive Director Fertility, der bei Helios Health alle Angebote rund um die Reproduktionsmedizin verantwortet.

„Je Embryotransfer nach einer IVF oder ICSI liegt die Schwangerschaftsrate bei einer 30-jährigen Frau bei rund 35 bis 45 Prozent, die Geburtenrate bei rund 25 bis 35 Prozent.  Leider nimmt die Erfolgschance bereits ab dem 31. und insbesondere ab dem 35. Lebensjahr deutlich ab, während die Anzahl der Fehlgeburten steigt“, erläutert Schaefer.

Eizellspende in Deutschland illegal, Samenspende nicht

Während in den meisten europäischen Ländern auch Eizellspenden erlaubt sind, ist dies in Deutschland verboten. „Das beruht im Wesentlichen auf der Begründung, dass eine gespaltene Mutterschaft für die entstehenden Kinder zu einer psychologischen Belastung führen würde. Außerdem will man einen möglichen Handel mit menschlichen Eizellen unterbinden. Dass diese Argumentation widersprüchlich ist, wird mit Blick auf die Samenspende deutlich. Sie hat im Grunde einen ähnlichen Charakter – ist aber in Deutschland legal“, sagt Schaefer.

Wer zahlt die künstliche Befruchtung?

Die künstliche Befruchtung kostet in Deutschland je Zyklus circa 800 Euro bei einer IUI (Intrauterine Insemination), rund 3.000 Euro bei einer IVF (In-vitro-Fertilisation) und rund 5.000 Euro bei einer ICSI, wenn also die Samenzelle mittels „Spritze“ in die Eizelle gebracht wird. Dazu kommen Medikamentenkosten von 700 bis 1.500 Euro.

„Bei der Kostenübernahme sind die meisten gesetzlichen Krankenkassen leider sehr restriktiv. Wenn  alle Voraussetzungen erfüllt sind, können in der Regel 50 Prozent der Kosten für eine eingeschränkte Zahl an Behandlungszyklen übernommen werden. Meist sind das bis zu drei IVF beziehungsweise ICSI und bis zu acht IUI“, weiß Alexander Schaefer.

Helios Klinik Köthen

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Depatmentleiter für Mikrochirurgie

In circa 35 Prozent der Fälle sind die Ursachen bei der Frau zu finden, in rund 30 Prozent beim Mann und in nochmal 30 Prozent bei beiden Partnern. Bei ungefähr 5 Prozent der Paare lässt sich keine Ursache finden.

Das gilt für gesetzlich Versicherte

Die Kriterien können zwar je nach Krankenkasse variieren, in der Regel sind aber folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Nachweis medizinischer Notwendigkeit
  • verheiratetes heterosexuelles Paar
  • Ei- und Samenzellen der Partner werden verwendet (keine Spende)
  • Alter: Frau 25 bis 40 Jahre; Mann 25 bis 50 Jahre

Das gilt für Privatversicherte

Private Krankenkassen haben sehr unterschiedliche Regelungen und Tarife. Oft werden jedoch bis zu 100 Prozent der Kosten übernommen. Die Voraussetzungen für die Kostenübernahme sind hier oft etwas günstiger für die Patientinnen und Paare:

  • Keine starren Altersgrenzen
  • Ehe ist kein Muss.
  • Samenspende kann in Anspruch genommen werden
  • Behandlung im europäischen Ausland könnte übernommen werden, wenn diese Behandlung auch in Deutschland legal ist

„Bei privaten Versicherungen muss aber meist eine medizinische Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als 15 Prozent nachgewiesen werden“, ergänzt Professor Kleinstein. Außerdem kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn beide Partner bei unterschiedlichen Versicherungen sind.

Finanzielle Förderung der künstlichen Befruchtung

Gut zu wissen: Viele Bundesländer und auch der Bund bieten Förderprogramme an, deren Voraussetzungen oft ähnlich denen der gesetzlichen Krankenversicherungen sind und die eine zusätzliche Erstattung von jeweils 12,5 Prozent je Partner – insgesamt also 25 Prozent – ermöglichen. „Eine Vorreiterrolle nimmt hier Rheinland-Pfalz ein, das als erstes Bundesland seit dem 1. März 2021 auch lesbische Paare fördert, die krankheitsbedingt keine Kinder bekommen können“, weiß Alexander Schaefer.

Schwangerschaft nach Eileitersterilisation

Eine Sonderform in der Reproduktionsmedizin ist die sogenannte „Refertilisierung“, bei der eine Eileitersterilisation rückgängig gemacht wird.

„Hier handelt es sich also nicht um eine künstliche Befruchtung, sondern um die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit bei Frauen, die in der Regel bereits mehrere Kinder geboren haben“, erklärt Prof. Jürgen Kleinstein, der in der Helios Klinik Köthen diesen Eingriff anbietet.

Häufig kommen zu ihm Patientinnen, die in einer neuen Partnerschaft nochmal einen Kinderwunsch haben. „Der große Vorteil einer Refertilisierung besteht in der Möglichkeit, Zyklus für Zyklus schwanger werden zu können – ohne aufwendige Stimulation der Eierstöcke.“

Der Erfolg gibt ihm Recht: Inzwischen werden in Köthen die meisten Refertilisierungen der DACH-Länder (Deutschland, Österreich und Schweiz) durchgeführt.

Lesen Sie hier ein Interview mit Prof. Dr. Kleinstein zum Thema Kinderwunsch und künstliche Befruchtung

Mom2B – bestens beraten durch die Schwangerschaft: Unerfüllter Kinderwunsch: das können Sie tun

Was, wenn ich nicht schwanger werde? Woran kann das liegen? Welche Untersuchungen machen Sinn? Der deutschlandweit renommierteste Experte für Reproduktionsmedizin Prof. Dr. Jürgen Kleinstein, Leiter des Departments Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie in der Helios Klinik Köthen erklärt, ob und wann der Kinderwunsch doch noch in Erfüllung gehen kann.

Hinweis der Redaktion: Die im Zitat gewählte männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen, die ausdrücklich mitgemeint sind.

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