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Haltungsschäden bei Jung und Alt

Die allermeisten Haltungsschäden entstehen im Kindesalter. Frühe Haltungsfehler können sich dann im Erwachsenenalter schmerzhaft bemerkbar machen. Doch in welchem Alter ist die Wirbelsäule besonders anfällig für Fehlentwicklungen? Lesen Sie hier.

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Was sind Haltungsschäden?

Schon Kinder plagen zum Teil Rückenprobleme, etwa durch zu schwere Schulranzen. Doch mit dem Wachstum hören die Beschwerden oft nicht einfach auf. Viel mehr ist die Wirbelsäule insbesondere während des pubertären Wachstumsschubs anfällig für Fehlentwicklungen durch eine falsche Körperhaltung. Eltern sollten die Haltung ihres Kindes in dieser Phase gut im Blick haben und spielerisch die Rückenmuskulatur stärken.

„Haltungsschäden ist eigentlich ein falscher Begriff. In der Medizin sprechen wir eher von Fehlhaltungen oder Haltungsstörungen, deren Folgen sind dann Haltungsschäden“, sagt Prof. Dr. Clayton N. Kraft, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie im Helios Klinikum Krefeld. 

Fehlbelastungen können die Wirbelsäule nachhaltig verkrümmen und zu knöchernen Veränderungen führen. Eine gesunde Wirbelsäule hat seitlich betrachtet eine Doppel-S-Form. Erkennt man diese S-Form nicht mehr eindeutig, lässt sich dies als Haltungsschaden beurteilen. Die Veränderungen der Wirbelsäule gehen häufig mit Rückenschmerzen einher.

Von einer Haltungsschwäche spricht man, wenn der Betroffene die Wirbelsäule im Stehen und mit gerade ausgestreckten Händen nicht mehr länger als 30 Sekunden aufrecht halten kann.

 

Fehlhaltungen bei Kindern

„Es gibt zwar angeborene Haltungsschäden, aber nur im Zusammenhang mit angeborenen Fehlbildungen. Grundsätzlich weisen Babys erstmal keine Haltungsschäden auf. Es sei denn, sie haben eine fehlangelegte Wirbelsäule, Arme oder Beine“ so Dr. Reza Pasha, Leitender Arzt der Kinderorthopädie im Krefelder Klinikum.

Bei Kindern und Jugendlichen können Fehlhaltungen, wie das Hohlkreuz (Hyperlordose) sowie der Rund- und Flachrücken auftreten. „Bei einer Haltungsstörung geht es immer um die Formgebung des Rumpfes", erklärt der Krefelder Kinderorthopäde. „Während Erwachsene und etwas ältere Kinder eine Doppel-S-Form der Wirbelsäule haben, kommen Babys noch mit einer tendenziell geraden Wirbelsäule auf die Welt. Erst im Laufe der Entwicklung, durch Robben, Krabbeln und Stehen entwickelt sich die typische Wirbelsäulenform. Babys, die keine angeborenen Fehlbildungen haben, haben in der Regel auch keinen Rundrücken oder ein Hohlkreuz“, weiß Dr. Reza Pasha.

Ab dem zweiten Lebensjahr aufwärts kann man bei Kindern bereits bei einer bestimmten Formgebung der Wirbelsäule oder des Rumpfes von einer Haltungsstörung sprechen. Manche Kleinkinder haben beispielsweise einen sogenannten „Entenpopo“. Diese Kinder stecken den Po stark nach hinten oder den Bauch nach vorne raus und haben ein Hohlkreuz. Die Ursachen für Fehlhaltungen sind bei Kindern wie bei Erwachsenen gleich. Allerdings sind Kinder aufgrund ihrer schwächeren Muskulatur noch etwas anfälliger.

Welche Ursachen stecken hinter Haltungsschäden?

Handelt es sich nur um eine veränderte Haltung durch Verspannungen der Muskulatur und nicht um eine Deformität der Wirbelsäule, spricht man lediglich von einer Haltungsstörung oder auch Fehlhaltung. „Muskuläre Dysbalancen, also ein Ungleichgewicht im Zusammenspiel verschiedener Muskeln, sind bei allen Fehlhaltungen die Ursache“, sagt Prof. Clayton N. Kraft.

So können nicht ausreichend trainierte Muskeln zu Fehlbelastungen und Verspannungssituationen führen. Dies sorgt wiederum für verspannte Muskeln und dafür, dass Betroffene eine Schonhaltung einnehmen. Verstärkt werden kann dies durch schlechtes Sitzen am Arbeitsplatz sowie Übergewicht mit einem großen Bauchumfang, der das Gewicht nach vorn zieht. Bei Kindern kann eine schlechte Trageform des Schulranzens die Fehlhaltung begünstigen.

Wenn die Fehlhaltung über Jahre oder Jahrzehnte vorliegt und es zu Fehlformen der Wirbelkörper kommt, handelt es sich um einen Haltungsschaden.

Übrigens: Auch bei einer gut trainierten Rücken-, aber schwachen Bauchmuskulatur können Haltungsschäden auftreten. Durch das Ungleichgewicht stehen die Muskeln unter Daueranspannung und versuchen die Haltung auszugleichen. Daher ist es wichtig, alle gegengleichen Muskelgruppen zu trainieren, um effektiv Fehlhaltungen entgegenzuwirken. 

Helios Klinikum Krefeld

Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie

Muskuläre Dysbalancen, also ein Ungleichgewicht im Zusammenspiel verschiedener Muskeln, sind bei allen Fehlhaltungen die Ursache.

Die häufigsten Haltungsschäden & Fehlhaltungen im Überblick

Skoliose

Bei der Skoliose unterscheidet man zwischen der Haltungs-Skoliose, bei der keine echte Deformität, sondern eine Fehlhaltung vorliegt und der echten Skoliose. Bei letzter Form hängt die Skoliose nicht nur mit einer Haltungsstörung zusammen, sondern mit weiteren Faktoren, wie fehlangelegten Wirbelkörpern beim Kind oder Osteoporose beim Erwachsenen.

Insbesondere die kindliche Skoliose zwischen dem zweiten und zehnten Lebensjahr verschlechtert sich besonders schnell. Hierbei handelt es um eine eigenständige Erkrankung, die durch schlechte Körperhaltung verstärkt werden kann. 

 

Hohlkreuz (Hyperlordose)

Ursächlich für ein Hohlkreuz ist eine zu schwache Bauchmuskulatur, die das Becken nach vorne kippen lässt. Dadurch ist die Wirbelsäule im Lendenbereich zu stark nach innen gekrümmt, wodurch sich der Druck auf die inneren Organe erhöht. Die Hyperlordose bringt oft Schmerzen mit sich, die durch Muskelverspannungen und Reizungen der Sehnen im Kreuz verursacht werden.

Ist das Hohlkreuz nicht zu stark ausgeprägt, können Betroffene mit Übungen entgegenwirken und die Muskulatur stärken. Dazu sollte beispielsweise das Becken bewusst nach hinten gekippt werden, sodass der Rücken runder wird und das Hohlkreuz abnimmt. In einer Rückenschule lernen Betroffene, welche Übungen sie machen können und wie sie auch im Alltag ihre Haltung verbessern. 

 

Rundrücken (Hyperkyphose)

Die Ursachen für einen Rundrücken sind vielfältig:

  • angeboren 
  • zu frühe Belastungen der Wirbelknochen in der Kindheit
  • ungenügend aufrichtende Muskulatur
  • Knochenerkrankung  

Die Wirbelsäule im Brustbereich ist bei einem Rundrücken stark gekrümmt. Die Schultern und der Kopf sind nach vorne geneigt. Das führt auch zu einem verringerten Atemvolumen. Die Fehlhaltung führt häufig zu verspannten Muskeln im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule, was zu starken Schmerzen führen kann. 

 

Flachrücken

Bei einem Flachrücken oder auch Flat Back ist die natürliche Krümmung der Wirbelsäule verringert. Dadurch kann sie Erschütterungen nicht mehr so gut abfedern.

Mitunter können vermehrt Kopfschmerzen auftreten. Die Nackenmuskulatur ist meist sehr verspannt.  

 

Fehlhaltungen korrigieren und Schmerzen lindern

Betroffene sollten die Muskelzüge verbessern. Diese dienen der aufrechten Haltung des Körpers. Folgeprobleme einer Fehlhaltung können mitunter auch operativ korrigiert werden.

„Jemand der jahrzehntelang schlecht sitzt und dadurch dann im Rahmen der beginnenden Osteoporose eine Deformität der Wirbelkörper bekommt, hat Schmerzen durch die Druckprobleme an den Nervenbahnen. Hier hilft oft nur die Operation“, erklärt Prof. Dr. Kraft.

Aber: Fehlhaltungen an sich lassen sich nicht operieren, sondern nur das, was daraus entsteht, nämlich eine Deformierung, die dann zu weiteren Problemen führt. Dies könnten etwa eine Verengung der Nervenbahnen oder des Spinalkanals sein. Prinzipiell werden Fehlhaltungen konservativ, also ohne einen operativen Eingriff, behandelt.

Ein Bandscheibenvorfall kann ebenfalls die Folge einer Fehlhaltung sein. So können die Bandscheiben bei ständiger Überlastung und nicht vorhandenen Muskelzügen unter Umständen nachgeben. Allerdings ist dies eher selten Fall.

Wie kann ich Haltungsschäden vorbeugen?

Schon durch kleine Anpassungen im Alltag, kann man entgegensteuern:

  • Richtige Sitzposition am Schreibtisch einnehmen
  • Sitz- und Arbeitshöhe richtig einstellen, gegebenenfalls höhenverstellbarer Tisch für Kinder und Erwachsene
  • Übergewicht vermeiden oder reduzieren
  • regelmäßig Sport treiben, auch mit Kleinkindern
  • Babys richtig betten 

Prof. Dr. Clayton N. Kraft: „Prinzipiell ist jede Sportart gut. Schwimmen trainiert beispielsweise den Rumpf extrem gut. Einem Erwachsenen mit Rundrücken würde ich eher Schwimmen oder Rudern empfehlen, da es die Brust dehnt und den Körpermittelpunkt nach hinten verlagert.“

Auch beim Betten von Babys sollten Eltern einiges beachten, um Haltungsschäden vorzubeugen. „Falsch wäre, immer das gleiche zu tun. Also etwa das Baby fünf Stunden im Tragekorb liegen oder sitzen lassen. Gerade bei Babys, die sich noch entwickeln und noch keine richtigen Knochen, sondern Knorpel haben, ist Abwechslung beim Betten wichtig", so Dr. Reza Pasha.

„Lagert man das Baby immer nur in derselben Position, können Schäden entstehen. Zum Beispiel: Aufgrund des plötzlichen Kindstods sollen Babys nur auf den Rücken gelegt werden. Diese Position begünstigt aber einen flachen Hinterkopf“, sagt der Kinderorthopäde.

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