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Schwangerschaft mit seltener Autoimmunerkrankung

Es begann mit hämmernden Kopfschmerzen – und endete mit einem achtmonatigen Krankenhausaufenthalt. Eine Autoimmunerkrankung riss die damals schwangere Jana Grigoleit mitten aus dem Leben. Ein Fall, der auch für die Mediziner:innen im Helios Klinikum Schleswig einzigartig ist.

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Mit der Schwangerschaft kamen die Kopfschmerzen

Rückblick ins Jahr 2018: Jana ist 22 Jahre alt, absolvierte ihre Ausbildung zur Altenpflegerin und steht mit beiden Beinen im Leben. Als sie schwanger wird, ist sie überglücklich. Übelkeit und Schwindel begleiteten sie während der ersten Phase ihrer Schwangerschaft – kein Grund zur Sorge für die Altenpflegerin. Als sie aber immer öfter mit heftigen Kopfschmerzen zu kämpfen hat, verwirrt ist und vergesslich wird, geht sie zu ihrem Frauenarzt.

Der Mediziner vermutet eine Schwangerschaftsdepression. Zur Sicherheit empfiehlt er der jungen Frau aber, seine Diagnose noch einmal weiter abklären zu lassen. „Meine Kopfschmerzen waren an diesem Tag so hämmernd, dass ich mich entschied, in die Klinik nach Schleswig zu fahren“, erinnert sich die junge Frau.

Diagnose Schwangerschaftspsychose?

Die Mediziner:innen dort stellten fest, dass Janas Entzündungswerte stark erhöht sind. Sie entschieden, die Schwangere auf der gynäkologischen Station aufzunehmen. Trotz eingeleiteter Maßnahmen, besserte sich ihr Zustand nicht – ganz im Gegenteil: Jana ging es immer schlechter. Ihre Mutter Ines Grigoleit erinnert sich: „Als ich ins Krankenhaus kam, habe ich eine völlig typveränderte Jana erlebt. Sie wirkte abwesend. Das war ein ganz komisches Gefühl.“ Jana wurde regelrecht aggressiv, halluzinierte und stand völlig neben sich. Zu ihrer eigenen Sicherheit wurde sie fixiert. Jana selbst erinnert sich nur noch bruchstückhaft an das Geschehene. Die Ärzt:innen entschieden, die Patientin in die psychiatrische Abteilung zu verlegen, da sie inzwischen von einer Schwangerschaftspsychose ausgingen. Ines Grigoleit glaubte nicht wirklich daran, vertraute den Ärzt:innen aber.

Limbische Enzephalitis Patientin

Keine Besserung in Sicht

Der Zustand von Jana verschlimmerte sich immer mehr. Sie vergaß zu essen, zu schlucken, schielte. „Sie wurde immer ruhiger und hat nicht mehr gesprochen“, erzählt Janas Mutter. Für sie eine kaum zu ertragende Situation. Was hat meine Tochter? Eine Frage, die sich nicht nur Ines Grigoleit stellt.

„Für uns war Jana tatsächlich eine rätselhafte Patientin“, so Priv.-Doz. Dr. Frederick Palm, Chefarzt in der Klinik für Neurologie im Helios Klinikum Schleswig. „Die Symptome und Befunde haben lange keine eindeutige Diagnose zugelassen“. Als Janas Körper mit Fieber, weiterhin erhöhten Entzündungswerten und Krampfanfällen reagiert, wird sie auf die neurologische Station verlegt. Es folgen weitere Untersuchungen. „Ganz furchtbar war auch das Warten auf ein eindeutiges Ergebnis. Ich fühlte mich so machtlos“, beschreibt ihre Mutter diese Phase. Jana wird von Kopf bis Fuß untersucht: Computertomographie (CT-Aufnahmen), Magnet-resonanztomographie (MRT), Hirnwasseruntersuchung – nichts lassen die Neurolog:innen aus. Inzwischen muss Jana sogar beatmet und intensivmedizinisch versorgt werden.

Dann endlich die Diagnose: Jana leidet an der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. „Es handelt sich hierbei um eine Gehirnentzündung, bei der das Immunsystem Antikörper gegen körpereigenes Gewebe bildet und beginnt, es zu bekämpfen“, erklärt Hanna Christine Kuiper, Fachärztin für Neurologie im Helios Klinikum Schleswig, die seltene und noch recht junge Erkrankung. „Der NMDA-Rezeptor ist ein wichtiges Protein, das bei der Signalübertragung von Nervenzellen im Gehirn verantwortlich ist.“

Helios Klinik Schleswig

Chefarzt der Klinik für Neurologie

Für uns war Jana tatsächlich eine rätselhafte Patientin. Die Symptome und Befunde haben lange keine eindeutige Diagnose zugelassen.

Besonders tückisch ist es, wenn die Gehirnentzündung durch die Immunreaktion des eigenen Körpers ausgelöst wird, so wie im Fall von Jana Grigoleit. Bei weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass sich bei Jana Grigoleit ein Teratom, ein Tumor, gebildet hat. Dieser Tumor könnte den Zustand bei der jungen Frau ausgelöst haben. „In vielen Fällen führt die operative Entfernung des Teratoms zu einer Verbesserung der Symptome“, so Kuiper.

Für Janas Mutter keine leichte Entscheidung, denn immerhin war Jana schwanger und auch das Leben des Ungeborenen musste berücksichtigt werden: Um an das Teratom, das sich im Unterleib befand, heranzukommen, musste man um das Neugeborene herum operieren. Nach ausführlicher Beratung entschied sich Ines Grigoleit für die Operation ihrer Tochter. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen und schon nach wenigen Tagen verbesserten sich die Werte der jungen Schwangeren.

In den folgenden Wochen und Monaten kämpfte sich Jana Tag für Tag zurück ins Leben. Ihre Familie war immer an ihrer Seite. Sie musste alles neu erlernen. „Als sie aufwachte, befand sie sich in der Phase einer 12- bis 14-Jährigen“, erzählt Ines Grigoleit. Gemeinsam mit den Therapeut:innen, dem Rückhalt der Familie und der eigenen Willensstärke verbesserte sich der Zustand von Jana jedoch Tag für Tag.

Geburt per Kaiserschnitt

Bis zur Geburt ihres Sohnes Elias verbrachte Jana Grigoleit die Zeit auf der neurologischen Station. Dass Jana das Kind nicht auf normalem Weg zur Welt bringen würde, war den Mediziner:innen schon früh klar. Durch die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis waren die kognitiven Einschränkungen noch so groß, dass Janas Kopf die Signale der Wehen nicht richtig deuten konnte, und so entschieden sich die Ärzt:innen für einen Kaiserschnitt.
Bange Minuten für Ines Grigoleit und die ganze Familie. „Immer wieder haben wir uns gefragt: Was hat die Erkrankung mit dem noch ungeborenen Kind gemacht“, erzählt sie. „Als die Hebamme dann mit den Worten ‘alle wohlauf und gesund und munter‘ aus dem OP kam, setzte das Gefühl der Erleichterung ein.“

Nach fast acht Monaten Aufenthalt durfte Jana das Krankenhaus endlich verlassen. Sie hat sich gut erholt. Sie arbeitet wieder als Altenpflegehelferin und der zweijährige Elias besucht inzwischen den Kindergarten.

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