
Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen
In Deutschland leiden fünf Millionen Männer und Frauen an Essstörungen. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. In den letzten zehn Jahren hat sich der Zahl der Magersüchtigen verdreifacht. Stress, Leistungsdruck, falsche Vorbilder sowie die Pubertät können gerade bei Jugendlichen zu einer Essstörung führen.
Magersucht, Bulimie, Binge-Eating – wo liegt der Unterschied?

Magersucht – auch Anorexie genannt – ist eine psychisch verursachte Essstörung, die durch eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme unbehandelt zu starken Untergewicht führt. Die Angst „dick“ zu sein, wird mit übermäßigen Sport, selbst herbeigeführten Erbrechen sowie die Einnahme von Medikamenten wie Appetitzügler, Diuretika oder Abführmitteln, kompensiert.
Bei der Bulimie treten Heißhungerattacken auf, bei der viel Nahrung in kürzester Zeit aufgenommen wird. Auch hier spiel die Angst dick zu sein eine große Rolle und wird mit Sport, Erbrechen und Medikamenteneinnahmen bekämpft. Häufig ist eine Magersucht in der Vorgeschichte bekannt. Im Alltag ist die Erkrankung schwer zu erkennen, da Betroffene in der Regel normal- oder übergewichtig sind.
Eine weitere Form der Essstörung ist die sogenannte Binge-Eating-Störung. Betroffene nehmen innerhalb kürzester Zeit Unmengen an Nahrung zu sich, verlieren dabei jegliche Form der Kontrolle und des Völlegefühls. Begleitet werden diese Attacken, bei der die Betroffenen meist allein sind, von Schuldgefühlen, Scham und Ekel vor der eigenen Person.
Wie erkennen Eltern ein gestörtes Essverhalten ihrer Kinder?
Die Symptome und Alarmsignale werden häufig von den Betroffenen nicht wahrgenommen oder vernachlässigt und abgewehrt, da die hohe Funktionalität einer Essstörung für die Betroffenen im Vordergrund steht – sie bietet Kontrolle, erhöht den Selbstwert und gibt Sicherheit sowie Autonomie. Daher ist es umso wichtiger, dass das familiäre und soziale Umfeld unsere Jugendlichen umsichtig und aufmerksam begleitet.
Eltern sollten wachsam sein bei:
- einem auffälligen Gewichtsverlust
- ungewöhnlich häufiges Wiegeverhalten
- Reduzierung des Essens und der Esssituationen bis zur zunehmenden Einschränkung
- Intensivem Bekochen der Familie oder Freunde und gleichzeitigem Vermeiden dieser Mahlzeiten
- Unzufriedenheit mit dem eigenen Gewicht, obwohl ihre Kinder schon auffällig dünn sind
- Ausbleiben der Menstruation
- Bereitschaft zu hohem Sportpensum, ungewöhnlichen Trainingsbelastungen
- langem Verweilen nach Mahlzeiten in Bad/WC und Würgegeräusche
- exzessiver Beschäftigung mit Ernährung/bestimmten Ernährungsformen
Wo liegt die Grenze zwischen gesundem Schönheitsideal und krankhaftem Schlankheitswahn?
Eine Grenze ist erreicht, sobald krankhafte Symptome auftreten. Diese manifestieren sich in körperlichen Störungen bis hin zu einer vitalen Gefährdung. Es können Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit auftreten mit schulischen Leistungseinbußen oder Schulversagen. Weitere psychische Störungen wie Depression, Zwänge und Angststörungen können sich zusätzlich entwickeln. Die familiäre Kommunikation und Interaktion wird beeinträchtigt; häufig entsteht ein sozialer Rückzug.
Beeinflussen die sozialen Medien die Entstehung von Essstörungen?

Das gegenwärtige übertriebene Schlankheitsideal über die sozialen Medien, stellt die Kinder und Jugendlichen unserer Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die Entwicklung einer Essstörung entsteht aber in der Regel nicht durch das Vorhandensein eines einzigen Risikofaktors, sondern die Wissenschaft geht bei den Essstörungen von einer multifaktoriellen Entstehung aus. Neben biologischen Faktoren spielen Persönlichkeitsmerkmale, familiäre, soziale und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle, oft auch belastende Lebensereignisse.
Wie werden Kinder und Jugendliche mit Essstörungen bei Ihnen behandelt?
Wir bieten auf einer unserer Jugendstationen, der Station K2-C, für jugendliche essgestörte Patienten, aber in den letzten Jahren teilweise auch für ältere Kinder im Alter von ca. 12-13 Jahren ein multimodales Behandlungskonzept an. Dieses beinhaltet medizinisch-internistischen Interventionen sowie Psychotherapie. Inhaltlich geht es um eine schrittweise Normalisierung von Gewicht und Essverhalten. Zugleich wird ein individuelles Erkrankungsmodell erarbeitet, um therapeutische Ansätze zu entwickeln. Unsere Patienten erhalten neben Gesprächstherapeutischen Angeboten, Bewegungs- und Kreativtherapeutische Angebote. Diese erfolgen als Einzel- oder Gruppentherapie. Auch das familiäre Bezugssystem wird in die Behandlung mit eingebunden.
Wo finden Eltern Hilfe und Beratung?
Anlaufstellen sind Kinderärzte, niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater, Kinder- und Jugendpsychiatrische Ambulanzen oder –Versorgungszentren. Spezialkliniken und –stationen bieten teilweise Beratungs- u. Vorgespräche an. Kontaktaufnahme zum betreuenden Kinder- und Jugendmediziner bzw. zum Hausarzt, der dann zu oben genannten Institutionen überweist.