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Laktoseintoleranz: Von hungrigen Bakterien und Genmutationen

Der Einfluss unserer Ernährung auf das Wohlbefinden ist längst wissenschaftlich belegt. Doch besonders in diesem Bereich kursieren viele Halbwahrheiten und Mythen. So scheinen plötzlich immer mehr Menschen an einer Laktoseintoleranz zu leiden. Was steckt dahinter?

 

 

little girl is drinking milk

Was bedeutet Laktoseintoleranz?

Milch zum Müsli am Morgen, eine Sahnesoße zu den Nudeln am Mittag und schon geht das Grummeln los. Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Übelkeit – rund 15 Prozent der Deutschen leiden unter diesen Symptomen, wenn sie Milch oder Milchprodukte zu sich nehmen.

Die Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) ist scheinbar zu einem Massenphänomen geworden, immer mehr Produkte im Supermarkt weisen sich werbewirksam als „laktosefrei“ aus. Doch viele Darmstörungen gehen auch auf Stress oder schlechte Ernährungsgewohnheiten zurück. Wir fassen daher die wichtigsten Informationen rund um den „Milchzucker“ zusammen.

Wie entsteht eine Laktoseintoleranz?

Laktoseintoleranz ist weder eine Krankheit noch eine Allergie – es ist eine Lebensmittelunverträglichkeit. Die Betroffenen können den Milchzucker, die Laktose, nicht mehr richtig abbauen und haben daher Probleme bei der Verdauung. In den ersten Lebensmonaten produzieren alle Menschen das Verdauungsenzym Laktase, das den Milchzucker in seine Einzelbestandteile, die Galaktose und Glukose, spaltet. Nur so kann er von unserem Körper verwertet werden. Später, wenn wir uns nicht mehr hauptsächlich von Milch ernähren, sinkt die Aktivität des Enzyms stark ab. So gelangt die Laktose als ungespaltenes Molekül in den Darm und wird dort von ansässigen Bakterien zersetzt.

Die Folge: Eine erhöhte Gasproduktion, die starke Blähungen verursachen kann. Dazu zieht die verbliebene Milchsäure Wasser an und verflüssigt den Stuhl. Bei rund 90 Prozent der Nordeuropäer:innen hat die Natur selbst für Abhilfe gesorgt. Eine einfache Genmutation, die sich in den letzten Jahrhunderten vermehrt durchgesetzt hat, ermöglicht es den meisten Erwachsenen, lebenslang ohne größere Probleme Milch zu genießen. Zum Vergleich: Im asiatischen Raum können das nur rund sechs Prozent.

Manchmal entsteht eine Laktoseintoleranz aber auch anderweitig: Durch chronische Darmkrankheiten oder veränderte Verhältnisse im Magen-Darm-Trakt, etwa nach einer Operation. Zugleich können die typischen Symptome auch andere Ursachen haben: Stress, zu schnelles Essen oder ungesunde Lebensmittel schlagen vielen Menschen vermehrt auf den Magen.

Käse und Joghurt sind meistens gut verträglich

Egal, wodurch die Intoleranz hervorgerufen wird, entscheidend für die Betroffenen ist die Menge der Laktose: Milch, Buttermilch, Molke und Eiscreme haben einen hohen Laktosegehalt und sollten gemieden werden. Diese Produkte gibt es allerdings auch in laktosefreier Form zu kaufen.

Ein Verzicht auf Käse ist nicht notwendig, denn der normalgereifte Käse ist unproblematisch. Hart- und Schnittkäse enthalten durch den Reifungsprozess nahezu keinen Milchzucker. Auch Sauermilchprodukte, wie natürlicher Joghurt und Kefir sowie probiotische Lebensmittel, werden häufig gut vertragen. Soya-, Hafer- oder Reismilch sind zudem gesunde Alternativen zur Kuhmilch. Schaf- und Ziegenmilch enthalten entgegen der gängigen Meinung durchaus Laktose.

Generell gilt: Ein vollständiger Verzicht auf Milchzucker ist auch bei einer nachgewiesenen Laktoseintoleranz nicht notwendig, eine laktosearme Ernährung reicht häufig aus.
Auch Medikamente, die manchmal kleine Mengen des Milchzuckers enthalten, sind in der Regel bedenkenlos einzunehmen.

Wer sich trotzdem ab und an ein Eis oder eine Tasse Milch gönnen möchte, kann sich auch Abhilfe in der Apotheke oder dem Drogeriemarkt beschaffen. Dort sind die dem Körper fehlenden Enzyme rezeptfrei meist in Tablettenform erhältlich. Sie werden zeitgleich mit dem Eis eingenommen.

Für Allergiker:innen hingegen ist die genaue Kennzeichnung der Nahrungsmittel lebensnotwendig: Denn eine Laktoseunverträglichkeit ist von einer Milcheiweißallergie sehr genau zu unterscheiden. Bei letzterer handelt es sich um eine Autoimmunreaktion des Körpers. Die Allergiker:innen reagieren zum Teil heftig auch auf kleinste Mengen des Milcheiweißes – bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock (allergische Reaktion). Sie müssen Milchprodukte und deren Spuren gänzlich meiden und tragen für den Notfall auch einen Ausweis mit sich.

Was tun bei Verdacht auf eine Intoleranz?

Wer die Vermutung hat, Milchzucker nicht zu vertragen, kann zunächst ein Ernährungsprotokoll führen und notieren, was er gegessen und getrunken hat und wann die Symptome aufgetreten sind. Erhärtet sich der Verdacht, sollte man sich medizinisch untersuchen lassen. Das angewendete Verfahren mit einem Wasserstoff-Atemtest ist sehr genau und gibt schon nach wenigen Stunden Aufschluss darüber, ob eine Unverträglichkeit vorliegt.

Die Proband:innen trinken dabei eine Laktose-Testlösung und geben dann über eine bestimmte Zeit „Atemproben“ ab. Kann der Körper den Milchzucker nicht richtig verarbeiten, entsteht durch die gehäufte Bakterienaktivität im Verdauungstrakt Wasserstoff, der wiederum über die Schleimhäute ins Blut und damit in die Atemluft gelangt.

Laktoseunverträglichkeit – Mythos oder Realität?

Fest steht allerdings: Laktoseunverträglichkeit ist keine Modeerscheinung – denn die Zahl der Betroffenen hat nicht zugenommen, die Zahl der Diagnosen hingegen schon. Dank verbesserter Messverfahren und verstärkter Aufklärung lässt sich die Intoleranz heute gezielter feststellen.

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