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Zwei Leben an einer dünnen Nabelschnur

Um Großes zu bewirken, braucht es mitunter nicht viel: Alle Weichen auf Grün gestellt und dazu ein kleines Quäntchen Glück. Dann jedoch sind selbst Wunder nicht ausgeschlossen. Wunder, wie es Franziska und Anne Schumacher bei der Geburt ihres Sohnes Theodor erlebten. Dass das Paar heute sich und seinen Sohn in die Arme nehmen kann, ist einer medizinischen Glanzleistung zu verdanken, an der interdisziplinär mehrere Ärzte und Kliniken beteiligt waren.
06. Mai 2022

Zwei Wochen, mehr Zeit galt es bis zur geplanten Geburt des Kindes nicht mehr zu meistern. Franziska und Anne Schumacher freuten sich auf ihr Wunschkind und hatten keinen Zweifel daran, dass dem Ereignis nichts Hinderliches mehr im Weg steht. Der Schmerz im Rücken, das Kribbeln in den Füßen und der starke Brechreiz am Morgen des 30. März 2022 bereiteten der werdenden Mutter jedoch Sorge. Umgehend wurde daher ein Rettungswagen gerufen, der Franziska Schumacher in das Klinikum St. Georg brachte. Hier griff als erstes das Standardprogramm der medizinischen Versorgung: Blutentnahme, EKG. Ein geburtlicher Notfall, sagt die Oberärztin für Geburtshilfe Dr. Ulrike Heider, konnte frühzeitig ausgeschlossen werden. Ein hinzu gerufener Kardiologe jedoch erkannte sofort, dass hier Spezialisten gefragt sind und leitete umgehend die Verlegung der Patientin ins Herzzentrum Leipzig ein.

Zwei Leben an einer dünnen Nabelschnur

Von nun an zählten die Minuten. Denn die vom Kardiologen gestellte Diagnose einer Aortendissektion bedeutet akute Lebensgefahr - für Mutter und Kind. „Man muss ehrlich sein, die Überlebenszeit in solch einem Fall liegt bei wenigen Stunden. Zudem war hier längst nicht klar, dass Mutter und/oder Kind den Eingriff überstehen“, resümiert Prof. Dr. Christian Etz, Leitender Oberarzt für Aortenchirurgie die Geschehnisse des Tages.

Noch vor dem Abtransport ins Herzzentrum wurden er und sein Team über das Eintreffen der Patientin unterrichtet. An Dramatik waren diese Augenblicke nicht zu überbieten. „Ohne vorherige Bildgebung war der anstehende Eingriff für uns überhaupt nicht planbar. Zugleich war aber Eile geboten. Dass just zu diesem Zeitpunkt ein zweiter Notfall – eine weitere Aortendissektion – ins Herzzentrum kam, machte die Lage nicht einfacher“, blickt er zurück.

Alle Geschehnisse um sie herum bekam Franziska Schumacher nur am Rande mit. Als sie für die OP vorbereitet in den OP-Saal gebracht wurde, warteten bereits 20 Spezialisten auf die Patientin. Ein jeder ein Meister seines Fachs. Per Kaiserschnitt wurde die 35-jährige Leipzigerin schließlich von einem gesunden Sohn entbunden; ein Augenblick, den sie sich ganz sicher anders gewünscht hatte. Stattdessen galt es nun, im Akkord das Leben der Mutter zu retten. Eine Aortendissektion ist lebensgefährlich. Sie definiert sich durch einen Riss in der inneren Schicht der Hauptschlagader (Aorta), wodurch Blut in die Gefäßwand eindringt und diese aufspaltet.

Um das Leben der Patientin zu retten, galt es, sie an die Herz-Lungen-Maschine anzuschließen und die Körpertemperatur auf 23,5 Grad Celsius abzukühlen, um alle Organe und insbesondere das Gehirn während der Reparatur der Aorta zu schützen. „Der komplette Blutfluss kam dabei geplant zum Erliegen. Wichtig war nur, dass das Gehirn weiterhin mit Sauerstoff versorgt wird“, gibt Prof. Etz Einblick in das OP-Geschehen.

Maximal fünfundvierzig Minuten blieb den Chirurgen für die Reparatur des Aortenbogens im sogenannten Kreislaufstillstand, eine Zeit, in der nur das Gehirn mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Jede weitere Minute, sagt Prof. Etz, hätte die Gefahr einer eventuellen Querschnittslähmung und weiterer Organschäden drastisch erhöht. Schnell, präzise und effektiv arbeitete das Ärzteteam. Worte gaben nur das Nötigste wieder, jeder Handgriff war überlegt und einstudiert. So dramatisch die Situation auch war, die OP selbst besaß keinen Sonderstatus. „Wir operieren im Herzzentrum Leipzig pro Jahr bis zu 100 Aortendissektionen. Mehr macht kein anderes Klinikum in Deutschland“, sagt Etz. Schätzungen zufolge haben etwa zwei Prozent aller Deutschen eine Aortenklappe mit zwei statt der üblichen drei Flügelchen, wodurch sich für sie die Gefahr einer Dissektion massiv erhöht.

Von einer solchen Vorbelastung wusste Franziska Schumacher jedoch nichts, obgleich ihr Vater bereits eine ähnliche Erkrankung hatte. Ihr Glück war es allerdings, dass sowohl die Herzkranzgefäße als auch die Aortenwurzel keine erheblichen Schädigungen aufwiesen. Das Risiko eines Herzinfarktes wurde dadurch deutlich minimiert.

Sechs Stunden dauerte der hoch komplexe und komplizierte Eingriff. Als ihre Wunden gegen 23.15 Uhr vernäht wurden, war Theodor bereits sechs Stunden alt. Der hatte zwar beim Start ins Leben ein paar Anpassungsprobleme, „doch die haben sich schnell gegeben“, beruhigt Dr. Heider die junge Mutter.

Noch während der OP nahm Prof. Etz telefonisch Kontakt zur Anne Schumacher auf. „Er gab mir auf ruhige Art eine kurze Einschätzung der Lage und bestärkte mich darin, dass alles gut werden wird“, erinnert sie sich noch immer dankbar für die Information.

Vier Tage mussten vergehen, ehe auch Franziska Schumacher ihren Sohn in die Arme nehmen durfte. „Zuvor hatte ich nur Fotos von ihm gesehen. Doch das war nichts im Vergleich dazu, ihn zu spüren. Ich bin so glücklich und allen beteiligten Ärzten unendlich dankbar“, sagt sie. Dass die Familie heute ein normales Leben führt, resultiert aus dem Mitwirken Vieler. Auch aus dem des Kardiologen des Klinikum St. Georg, der binnen weniger Augenblicke die richtige Entscheidung getroffen hat. „Seine Diagnose hat Mutter und Kind ebenso das Leben gerettet, zugleich hat sein schnelles Handeln die Gefahr eines Schlaganfalls minimiert“, lobt Prof. Etz den Kollegen. Anerkennende Worte fanden er und Dr. Heider zugleich für die gelungene Zusammenarbeit beider Kliniken, die zumindest für ihren Bereich eine Premiere war. Eine überaus erfolgreiche obendrein.

Hier erfahren Sie mehr über unser Aortenzentrum

Viele Erkrankungen lassen sich heutzutage dank gut ausgeprägter Prävention früh erkennen und vorsorglich behandeln. Für die Aortendissektion trifft das allerdings nicht zu. Um deshalb den Fokus der Öffentlichkeit stärker darauf zu lenken und medizinische Entscheidungsträger für das Thema zu sensibilisieren, gründeten Ärzte des Herzzentrum Leipzig, auf Initiative von Prof. Dr. Christian Etz und Dr. Josephina Haunschild, den Verein „Bicuspid“. Mehr Infos zu dessen Arbeit lassen sich unter www.bicuspid.org entnehmen.