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Alles im Griff?

An ihnen hängt fast alles. Sowohl beim klassischen als auch beim Klettern auf Absprunghöhe, dem Bouldern, wird die Hand- und Fingerkraft besonders beansprucht. Das führt immer wieder zu Verletzungen und Überlastungserscheinungen. Handchirurg Dr. Elias Volkmer erklärt die größten Schwachstellen der Hände und was sie schützt.
10. September 2020

Klettern befriedigt seit jeher einen inneren Drang, über Bewegung Neues zu entdecken. Kleinkinder klettern aufs Sofa, Kinder auf Bäume – und Erwachsene am Fels oder in der Halle. Der Spaß an der Bewegung fasziniert Menschen jedes Alters. Daher sind Klettern und Bouldern weiter auf dem Vormarsch. Laut Deutschem Alpenverein gibt es in Deutschland rund 500.000 Sportkletterer und Boulderer. Für sie ist es der perfekte Sport: Anstrengung und zugleich das Gefühl, völlig abschalten zu können – immer auf der Suche nach dem nächsten Griff.

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„Mehr als 30 Muskeln sorgen dafür, dass wir komplexe und feingliedrige Bewegungen ausführen können. Das Erstaunliche dabei: Kein einziger dieser Muskeln befindet sich in unseren Fingern. Dort sind lediglich ihre Verlängerungen – die Sehnen. Diese laufen von den jeweiligen Fingergliedern über die Fingergelenke, durch die Hand und übers Handgelenk bis in den Unterarm. Erst in dessen oberem Teil liegen schließlich die Muskeln, die die Finger beugen und strecken“, erklärt der Mediziner. Der lange Weg der Kraftübertragung habe seine Tücken. Insbesondere dort, wo die Sehnen umgelenkt würden, bestehe erhöhtes Verletzungspotenzial. Das gelte für das Handgelenk, wo die Sehnen durch den Karpaltunnel laufen, und für alle Fingergelenke. An ihnen halten die Ringbänder die Sehnen an den Gelenken. Ringbandbeschwerden sind ein unter Kletterern weitverbreitetes Problem, da sie durch die unterschiedlichen Griffhaltepositionen sehr starken Belastungen ausgesetzt sind. Zur Prophylaxe empfiehlt es sich, die Bänder mit Tapes zu stabilisieren. Zudem gilt: Wer sich optimal bewegt und gut steht, nimmt viel Gewicht mit den Füßen weg und muss entsprechend weniger am Griff ziehen. Auch enge Fingerlöcher oder Schlitze, in denen sich die Finger beim Herausziehen nach oben verkanten, bergen eine erhöhte Verletzungsgefahr. Ein behutsames Lösen der Finger hilft Verletzungen vorzubeugen. 
 

Die meisten Verletzungen sind Überlastungsschäden an Gelenken und Sehnen. „Wenn man viele kleine Griffe häufig nacheinander festhält, ermüdet die zuständige Muskulatur. Was die Kraft nicht hält, hält dann der Bewegungsapparat. Daher ist es besser, öfter eine Pause zu machen, bevor man die Finger hoffnungslos überlastet. Viele üben und trainieren immer weiter und überschreiten dabei ständig die Belastungsgrenzen der Bänder und Sehnen“, sagt Volkmer. Wenn die Finger beim Sport schmerzen, die Beschwerden in Ruhe aber nachlassen, gehen nur wenige Sportler zum Arzt. Dabei könnten bereits Sehnen oder Ringbänder eingerissen sein. „Daher ist es empfehlenswert Verletzungen an den Fingern oder der Hand frühzeitig von einem Handchirurgen untersuchen zu lassen“, appelliert er. Meist werde zu lange gewartet und dann sei die Behandlung umso langwieriger.

Die Hand ist sehr vielschichtig im Aufbau, unter einer dünnen Hautschicht verbinden sich auf sehr engem Raum 27 Knochen, zwei Hauptschlagadern, Sehnen, Bänder, Nerven und Gelenke. Bei einer derart komplexen Struktur ist keine Verletzung wie die andere. „Es wird von Fall zu Fall entschieden, wie schwerwiegend eine Verletzung ist, ob sie von allein heilt oder ob eine Operation sinnvoll ist“, betont Volkmer.