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„Es ist ein anderes Lebensgefühl“

Johannes "Joo" Aiple aus Rottweil lebt jahrelang mit unentdecktem Diabetes. Schwere Komplikationen führen ihn in die Helios Klinik Rottweil – ein Zeh am Fuß muss abgenommen werden. Nun nimmt er sich fest vor, sein Leben zu ändern und seine Gesundheit mehr in den Fokus zu rücken. Und er ermutigt andere, unbedingt auf die Warnsignale des Körpers zu hören.
29. November 2023

Kreis Rottweil. Gute Vorsätze für ein gesünderes Leben: Während das Thema für die meisten Menschen erst kurz vor dem Jahreswechsel richtig präsent wird, ist es für Johannes Joo Aiple, wie er selbst treffend formuliert, die allerhöchste Eisenbahn. Der Rottweiler landet kurz vor seinem 40. Geburtstag im Krankenhaus – was folgt, sind eine OP, ein mehrwöchiger Klinikaufenthalt und die Erkenntnis, dass man die Signale des Körpers lieber nicht ignorieren sollte.

Doch alles der Reihe nach: In Rottweil ist Johannes Joo Aiple kein Unbekannter. Er ist Schlagzeuglehrer und Musiker, spielt in verschiedenen Bands mit und ist einer der drei Mitbegründer des Rottweiler Podcasts „Kleinstadtleben“. Seine Gesundheit, stellt er rückblickend fest, hat er lange Zeit nicht wirklich im Blick gehabt. „Ich habe zwar schon lange vermutet, dass ich ein Diabetes-Patient bin, aber ich habe mich nie wirklich darum gekümmert“, sagt Johannes Aiple.

„Ich habe die Symptome nie ernst genommen“

Er erzählt seine Geschichte, offen und ungeschönt, um die anderen zu ermutigen, die Warnsignale des Körpers unbedingt wahrzunehmen und medizinisch abklären zu lassen. Denn auch bei ihm habe es Anzeichen gegeben. „Ich habe viel Wasser getrunken, ich habe ab und zu schlecht gesehen, ich hatte oft wenig Energie, aber ich habe die Symptome nie ernst genommen. Ich dachte, das passt schon“, sagt der 39-Jährige.

Mehr als acht Millionen Menschen leben in Deutschland heute mit der Diagnose Diabetes mellitus – und ihre Zahl nimmt Jahr für Jahr massiv zu. Groß ist auch die Dunkelziffer: Die Deutsche Diabetes Gesellschaft geht von mindestens zwei Millionen Betroffenen aus. Es sind Menschen wie Johannes Aiple, die mit Diabetes Typ 2 „unerkannt unterwegs“ sind.

Viele Komplikationen und Folgeschäden möglich

Diabetes ist eine Erkrankung des Stoffwechsels, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Wenn der Blutzucker über lange Zeit zu hoch ist, steigt das Risiko für viele andere Krankheiten im gesamten Körper, es können auch kurzfristig gefährliche Komplikationen auftreten. Folgeschäden betreffen unter anderem Nieren, Augen, Herz-Kreislaufsystem, Nerven und Blutgefäße an den Beinen. Oder eben auch die Füße.

Das diabetische Fußsyndrom ist eine der häufigsten Spätkomplikationen. Diese hat nun auch den Rottweiler getroffen. Durch die verringerte Wahrnehmung von Schmerzen und leichte Taubheitserscheinungen hat Johannes Aiple seine Entzündung im linken Fuß längere Zeit nicht behandeln lassen. Irgendwann hat es dann aber so schlimm ausgesehen, dass er sich auf den Weg in die Notaufnahme der Helios Klinik Rottweil machte.

„Drei Tage länger – und ich wäre gestorben“

Sein Diabetes-Verdacht hat sich bestätigt. Eine Insulin-Einstellung war dringend notwendig. Und er musste operiert werden – ein Zeh konnte nicht mehr gerettet und musste abgenommen werden. „Ich bin froh, dass es „nur“ ein Zeh ist, auch wenn es eigentlich schlimm genug ist. Aber im Verhältnis zu dem, was hätte passieren können… Der Arzt in der Notaufnahme hat zu mir gesagt: Hätte ich drei Tage länger gezögert, wäre ich gestorben“, sagt Johannes Aiple.

Was ihn heute ärgert: „Es wäre alles vermeidbar gewesen, wenn ich schon drei Tage früher gekommen wäre – oder am besten ganze fünf Jahre.“ Denn für Diabetes-Patienten gibt es heute viele Lösungen, auch wenn an einer konsequenten Ernährungsumstellung und Alltagsbewegung kein Weg vorbeiführt.

Mehr Energie und besserer Schlaf

Johannes Aiple blickt auf jeden Fall optimistisch in die Zukunft. „Seitdem ich hier bin, werden meine Werte jeden Tag besser. Am Anfang war mein Blutzucker bei mehr als 300, ich hatte einen hohen Blutdruck. Die Diabetesberaterin Larissa Strecker war von Anfang an am Start und hat mir einen Plan gegeben, an den ich mich halte. Das funktioniert! Ich habe auf einmal viel mehr Energie, ich schlafe wieder durch, ich schlafe gut ein. Und ich stelle fest, dass mein Hirn besser arbeitet – es ist, als hätte sich ein Schleier gelöst. Es ist ein anderes Lebensgefühl“, sagt er.

Vor jeder Mahlzeit muss er Blutzucker messen und Insulin spritzen. „Eventuell steige ich auf Tabletten um oder komme ganz von Insulin weg. Natürlich muss ich meine Lebensweise ändern. Hier in der Klinik geht alles glatt, ich habe gar kein Problem damit, ich werde ja rundum betreut. Aber ich denke an die Zeit nach dem Klinikaufenthalt, wenn der Alltag wieder da ist. Ich hoffe sehr, dass ich nicht in alte Muster verfalle. Ich hoffe, dass der Schlag so ausreichend war, dass ich das auch wirklich umsetze und durchziehe“, sagt Johannes Aiple. „Ja, es war ein deutlicher Warnschuss. Alles, was ich die letzten Jahre versäumt habe, hat mich eingeholt. Eigentlich gibt es keine Alternative mehr – mein Leben muss sich ändern. Ich sehe es als Riesenchance für mich“, zeigt er sich entschlossen.

Unterstützung gibt neue Lebenskraft

Bedanken möchte sich Johannes Aiple bei den Pflegekräften und dem ärztlichen Team der chirurgischen Station, aber auch bei allen anderen Berufsgruppen, die sich seit Wochen um ihn kümmern und zu seiner Genesung beitragen. Regelmäßig schauen auch Verwandte, Angehörige, Freunde und Band-Kollegen in der Klinik vorbei, schreiben ermutigende Nachrichten und Kommentare, und auch sein Zimmerkollege Markus unterstützt. „Ganz besonders möchte ich auch meiner Freundin Vivi danken, die ihr Studium in Köln unterbrochen hat, um hier zu sein. Und meiner Mutter natürlich. Sie kocht ab und zu lecker für mich und kümmert sich um alles andere“, sagt Johannes Aiple.

Diese große Unterstützung von allen Seiten macht Mut und gibt neue Lebenskraft. Denn noch verbringt Johannes Aiple die meiste Zeit in seinem Patientenzimmer, die Wunde am Fuß heilt nicht so schnell. „Ich werde schon daran zu knabbern haben, dass ich die Symptome so lange ignoriert habe“, weiß er. Aber er ist guter Dinge, dass er es packt.

„Es ist ein anderes Lebensgefühl“