Das Leid der Menschen in der Ukraine lässt Jürgen Klopf nicht kalt. Wie Millionen Deutsche verfolgt der Leipziger die Geschehnisse des Krieges von Beginn an. Seine Wut darüber bringt Klopf allerdings nicht nur mit Worten zum Ausdruck. Kurz entschlossen und mit Enthusiasmus beseelt setzte er stattdessen gemeinsam mit seinem Freund Mike Wüstemann, dessen Frau Oxana aus der Ukraine stammt, die Idee eines Hilfskonvois um. Tatkräftig zur Hand geht ihnen dabei Klopfs Sohn Kevin Teichmann. Der 19-Jährige befindet sich im dritten Ausbildungsjahr zum Gesundheits- und Krankenpfleger im Herzzentrum Leipzig.
Jürgen Klopf und Kevin Teichmann wollen den Opfern des Krieges Mut machen. „Es braucht nicht viel Empathie um zu erkennen, wie es den Menschen dort im Augenblick geht, wie sie leiden“, gibt Klopf Einblick in seine Gedankenwelt. Decken, Lebensmittel, Medikamente – das, worauf es in einem Kriegsgebiet am Nötigsten ankommt, war schnell organisiert. Als ehemaliger Busfahrer kann Klopf auf ein weit gespanntes Netzwerk verweisen. „Dieses zu aktivieren, war kein Problem. Viele wollen helfen”, sagt er und verweist damit auf die Anfänge einer Hilfsaktion, für die sich inzwischen sogar die New York Times interessiert.
Womit Mike Wüstemann, Kevin Teichmann, Jürgen Klopf und dessen Frau Elisabeth, die in das Projekt ebenso involviert ist, allerdings nicht gerechnet hatte, war die Welle der Hilfsbereitschaft. Eine Spendenbüchse etwa, die Klopf als Stammfahrer der Icefighters Leipzig bei einem Heimspiel durch die Zuschauerränge wandern ließ, brachte innerhalb einer halben Stunde über 1.000 Euro ein. Auch das Angebot materieller Dinge überstieg die Erwartungen bei Weitem. Der für den Transport in die Ukraine angedachte Transporter samt Hänger reichten da längst nicht mehr.
Es galt daher umzudenken, die Maßstäbe größer zu setzen. Warum nicht gleich einen oder mehrere Busse chartern und auf der Rücktour Geflüchtete mit nach Deutschland nehmen, fragten sich die drei Männer. Da sowohl Klopf als auch Wüstemann die entsprechende Befähigung als Busfahrer besitzen, war der Plan keineswegs abwegig. Und auch dieses Mal fiel das Angebot größer als erwartet aus. „Letztendlich sind wir am 4. März im Konvoi mit fünf Reisebussen und vier Transportern ostwärts gefahren. An Bord hatten wir medizinische Hilfsgüter, Lebensmittel, Hygieneartikel und Babynahrung”, berichtet Klopf. Kleidung wurde bewusst nicht mitgenommen. Die, so der schlüssige Gedanke, benötigen die Geflüchteten vielmehr hier, wenn sie zwar in Sicherheit sind, dabei aber oft nichts als die Kleider am Leib mit sich führen.
Erstes Reiseziel des Tross‘ war die polnische Stadt Krakau. Ein polnischer Bekannter Mike Wüstemanns hatte dort bereits Lastzüge bereitstellen lassen, in die alle aus Deutschland mitgeführten Waren binnen kürzester Zeit umgeschlagen wurden. Die Lkw wiederum brachten die Fracht weiter nach Bilazerkwa, einer Stadt etwa 80 Kilometer südlich von Kiew gelegen. Einwohner des Ortes und ein Krankenhaus erwarteten bereits sehnlich die Hilfsgüter. „Wir sind mit den Bussen dann zwar weiter bis an die ukrainische Grenze gefahren, allerdings wäre das Umfrachten der Ware dort logistisch deutlich schwerer gewesen. Der von uns eingeschlagene Weg hat sich dafür umso mehr als richtig herausgestellt”, betont Jürgen Klopf.
An der Grenze, genauer gesagt im polnischen Grenzort Przemysl, wurden 200 sichtlich traumatisierte Passagiere aufgenommen, um sie ohne Verzögerung eilends nach Deutschland zu bringen. In Taucha bei Leipzig hatte man die Busse bereits erwartet. Sogar Bürgermeister Tobias Meier war vor Ort und half persönlich mit, kurzzeitig etwa 60 Ukrainer:innen bei Familien in Taucha unterzubringen. Der Großteil der geretteten Personen reiste indes selbständig zu Verwandten innerhalb Deutschlands weiter.
Der Erfolg der Aktion beflügelte deren Organisatoren. „Für uns stand schnell fest, dass es eine Fortsetzung geben wird”, betont Kevin Teichmann. Bereits am 12. März ging der nächste Konvoi auf Reisen, wieder über 880 Kilometer bis zur polnisch-ukrainischen Grenze, mit Zwischenstopp in Krakau. Mitarbeiter der Kirche in Bilazerkwa erstellen inzwischen Listen mit Personen, die nach Deutschland möchten. Diese Hilfe erleichtert den Prozess an der Grenze ungemein, sagt Teichmann und verweist darauf, dass viele Ukrainer viel lieber in Polen bleiben möchten. In sich tragen sie die Hoffnung, nach dem Ende des Krieges so schneller wieder in die vertraute Heimat zu kommen.
Inzwischen ist allen Mitwirkenden des Leipziger Teams auch klar, dass sie die erforderliche Power für solche Aktionen nicht dauerhaft aufbringen können. „Man wächst zwar an seinen Aufgaben, aber auch der Alltag fordert natürlich von jedem von uns seinen ganz normalen Tribut”, verdeutlicht Jürgen Klopf. Schon jetzt gibt es Gespräche mit Orten in Nord-Sachsen, Torgau und Delitzsch über die Aufnahme Geflüchteter. Auch Hotels in Leipzig werden gezielt angefragt, ob sie kurzzeitig aushelfen können und Übernachtungsmöglichkeiten bereitstellen.
Um die begonnene Arbeit langfristig auf solide Füße zu stellen, ja vielleicht eines Tages sogar m Wiederaufbau des geschundenen Landes mitwirken zu können, soll dieser Tage ein Verein gegründet werden, dessen Name eventuell „Help for Ukraine” lauten wird. Zu dessen Gründungsmitgliedern zählt selbstverständlich auch Kevin Teichmann. Als Mitarbeiter des Herzzentrum Leipzig und aktives Mitglied des Katastrophenschutzes des DRK Leipzig ist er sich der Bedeutung seiner ehrenamtlichen Arbeit durchweg bewusst. Schließlich gibt es nichts Edleres als zu helfen.