Kornelia Gernert, gelernte Herrenschneiderin aus Sonneberg, war früher sehr sportlich, betrieb Kraftsport und Schwimmen. Im Laufe der Jahre nahm ihre Kondition jedoch deutlich ab, begleitet von Erschöpfung, Kurzatmigkeit und wiederkehrenden Ohnmachtsanfällen. Trotz zahlreicher Arztbesuche wurde zunächst keine Ursache gefunden und die Beschwerden wurden dem Stress durch die langjährige Pflege ihres damaligen schwerkranken Ehemanns zugeschrieben. Erst während eines Klinikaufenthalts wegen einer Darmerkrankung wurde ein EKG erstellt, das ein Brugada-Syndrom offenbarte. „Zuerst dachte ich: Muss ich jetzt sterben? Ich wusste nicht, was das ist. Aber plötzlich standen ganz viele Leute um mein Bett“, erinnert sich Gernert.
Schwachstelle im Bauplan des Herzens
Das Brugada-Syndrom ist eine seltene, erblich bedingte Störung der elektrischen Signalübertragung im Herzen. Statistisch wird etwa bei 1-2 von etwa 5.000 Deutschen das Brugada-Syndrom diagnostiziert, während Herzrhythmusstörungen insgesamt bei 20 bis 30 Prozent der Patienten auftreten. Prof. Dr. med. Daniela Husser-Bollmann, Professorin für Kardiogenetik am Herzzentrum Leipzig, erläutert:
Rhythmusstörungen vermutet, wo keine waren
Als das Syndrom 2019 bei Kornelia Gernert diagnostiziert wurde, gab es nur wenige Kliniken in Deutschland, die mit den Besonderheiten der Erkrankung vertraut waren. Gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann begab sie sich auf die Suche nach einer passenden Einrichtung und stellte sich schließlich im Herzzentrum Leipzig vor. Dort entschied sich Frau Gernert zunächst für die Implantation eines subkutanen Defibrillators, um Komplikationen wie Infektionen oder Gefäßverschlüsse zu vermeiden.
Der Eingriff verlief komplikationsfrei, doch das Gerät funktionierte nicht wie erhofft:
„Für mich war das gar keine Frage“, betont Kornelia Gernert. „Ich wusste, ich brauche doch meinen Schutzengel, damit mein Herz funktioniert. Und ich wollte unbedingt, dass die Implantation von demselben Team durchgeführt wird wie beim ersten Mal. Da habe ich mich gut aufgehoben gefühlt.“
Das Team der Rhythmologie um Privatdozentin Dr. Bode entschied sich für die Implantation eines neuartigen extravaskulären Defibrillators. Die Elektrode sitzt nicht direkt im Herzen, erfüllt aber alle notwendigen Funktionen: Sie kann kurzzeitig stimulieren wie ein Schrittmacher, einen Schock auslösen und auch eine Überstimulation ohne Schock generieren, die bei regelmäßigen Tachykardien ausreichend ist. Durch die gezielte Platzierung der Sonde erhielt das System ein störungsfreies Signal, sodass die Schutzfunktion zuverlässig arbeitet.
Ohnmachtsanfälle ernst nehmen
Heute geht es Frau Gernert deutlich besser. Sie steht weiterhin im Austausch mit dem Herzzentrum Leipzig, auch ihre Verwandtschaft hat sich dort vorgestellt:
Brugada-Syndrom in Leitlinien verankert
In den vergangenen Jahren wurden bei Diagnostik und Behandlung des Brugada-Syndroms wesentliche Fortschritte erzielt. Die Forschung hat die genetischen Ursachen der Erkrankung und deren Einfluss auf die elektrische Herzfunktion besser verstanden. Gleichzeitig hat sich die Diagnostik weiterentwickelt: Typische EKG-Veränderungen lassen sich heute durch Provokationstests präziser erkennen. Besonders relevant ist, dass das Brugada-Syndrom inzwischen in den medizinischen Leitlinien verankert ist, die klare Vorgaben zur Diagnostik, Risikoeinschätzung und Therapie – einschließlich der Entscheidung über die Implantation eines Defibrillators – geben. Damit ist die Erkrankung heute besser erforscht, sicherer behandelbar und stärker im Bewusstsein von Medizin und Öffentlichkeit verankert als noch vor wenigen Jahren.