Der Platz, den es braucht, um sich zurückzuziehen und die Gedanken zu sammeln, ist begrenzt. Nancy Sander hat ihn dennoch gefunden. In einem kleinen Winkel der einhundertzehn Quadratmeter großen Wohnung richtete sich die 35-Jährige ihr eigenes Nähstübchen ein. Hier sitzt die junge Frau inmitten vieler Stoffe, Knöpfe und anderer Utensilien und findet trotz räumlicher Enge Zeit, Raum und Muße zur Entspannung.
Ihre größte Aufmerksamkeit, ihr Herz und ihre Liebe gehören aber ausnahmslos der Familie. Vor allem den sechs Kindern Justin (19), Saskia (16), Lina (13), Tyson (12), Neo-Joel (9) und Nesthäkchen Renesmee (1). Den Wunsch nach Kindern habe sie schon immer mit sich getragen.
Immerhin, fügt sie an, jeder leiste im Haushalt seinen Beitrag, trage so zur Organisation des familiären Betriebes bei. Dass sich Reibung dabei nicht immer vermeiden lässt, sei nicht ungewöhnlich. Trotzdem halten die acht eng zusammen, bilden eine homogene Einheit.
Keine Muttischicht
Sie selbst kenne im persönlichen Umfeld niemanden, der ähnlich viele Kinder hat, sagt Nancy Sander. Und fügt bedauernd an, dass sie für manch einen schnell in eine bestimmte Schublade gesteckt werde. Doch diesen Schuh muss und will sich die Leipzigerin nicht anziehen. Ihren Kindern gehe es gut, es fehle ihnen an nichts, sagt sie. Zugleich schafft es die junge Mutter, im Herzzentrum Leipzig als Gesundheits- und Krankenpflegerin zu arbeiten. Im Dreischichtsystem. Für ihre Kollegen auf der Station sei diese, ihre Situation, längst Normalität. „Ich komme nicht später, gehe nicht früher als andere und habe auch sonst keinen Sonderstatus“, betont sie.
Dass sich jedoch nicht jeder Job mit einem solchen Kinderreichtum vereinbaren lässt, erfuhr Nancy Sander im Verlaufe ihrer ersten beruflichen Tätigkeit. Als gelernte Rettungsassistentin nahm sie bis 2013 regelmäßig im Rettungsfahrzeug Platz. Eine Arbeit, die ihr Spaß bereitete, die sich wegen der 24-Stunden-Schichten aber kaum mit ihrer Rolle als Mutter vereinbaren ließ.
Jeder fasst mit an
Eigentlich, bekennt sie, habe sie aber schon immer Krankenschwester werden wollen. Seinerzeit sei dies aber ein überlaufener Beruf gewesen, sprich die Chance einen Ausbildungsplatz zu erhalten, war vergleichsweise gering. Angesichts des heutigen Personalmangels eine kaum vorstellbare Situation.
Der Wechsel vom Rettungsdienst ins Herzzentrum kam Nancy Sander also nicht ungelegen. Wenngleich auch damit weitere Hürden verbunden sind. Von ihrer Wohnung am Leipziger Stadtrand bis ins Herzzentrum braucht sie mit dem Auto fast eine Stunde. Für eine Distanz von gerade einmal 15 Kilometer. Bus- und Bahnverbindungen seien noch schlechter, ergänzt sie. Umso wichtiger sei deshalb, dass die Kinder soweit es geht, ihre Aufgaben selbständig erledigen und im Haushalt aktiv eingreifen. Wenn doch einmal Hilfe benötigt wird, zumal auch ihr Ehemann in Schichten arbeiten geht, dann würden ihre Schwiegereltern aushelfen, die in unmittelbarer Nähe wohnen, sagt Nancy Sander.
Von den Großen lernen
Die aktuelle Corona-Situation erschwert der achtköpfigen Familie das Leben zusätzlich. Vor allem das Homeschooling, das es seit Monaten zu meistern gilt. Gleichwohl ist Nancy Sander stolz auf die Leistungen ihrer Kinder. Justin, ihr Ältester, absolviert gegenwärtig ein duales Studium zum Gießereimechatroniker. Den Jüngeren im Hause Sander ist er damit ein gutes, richtungweisendes Vorbild.
Dass sie ihrer Mutter aber zum Muttertag, und nicht nur da, eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen, wissen alle sechs. Verdient hat es die junge Frau allemal.