21. November 2022
Interview mit Dr. Stefan Wirtz, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios Klinikum Bad Saarow und Leiter der Helios Fachgruppe Anästhesie zum Recycling von Narkosegas
Nicht jedem ist dieser Fakt bewusst: Im OP-Saal genutzte Narkosegase werden über das OP-Abluftsystem an die Außenluft abgegeben - und dort sind sie echte Klimakiller: Sie verursachen im Durchschnitt rund 35 Prozent aller Klimagas- Emissionen¹ einer Klinik.
Die Fachgruppe Anästhesie hat sich dieses Themas angenommen. Einem Beschluss im Helios Nachhaltigkeitsboard entsprechend beginnt im November in den Helios Kliniken Schwelm und Bad Saarow ein dreimonatiges Pilotprojekt zum Recycling von Narkosegas.
Mit Herrn Dr. Stefan Wirtz, Chefarzt der Anästhesie in Bad Saarow und Fachgruppenleiter Anästhesie, haben wir über die Dringlichkeit des Problems gesprochen - und über seine Motivation, es anzugehen:
Wie wurden Sie auf die Problematik der Emissionen von Narkosegasen aufmerksam?
Mein Team und ich wurden durch die wissenschaftliche Literatur darauf aufmerksam. Insbesondere die Initiativen der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin zeigten uns, dass Narkosegase erhebliches Klimaschädigungspotential haben. Denn jede Narkose stößt bis zu 118 Kilogramm CO2-Äquivalente aus, die klimaschädlichen Emissionen einer siebenstündigen Operation mit dem Narkosegas Desfluran entsprechen einer Autofahrt von 8.000 Kilometern¹. Insgesamt machen OPs rund 35 Prozent der Emissionen einer Klinik aus.
Was war Ihre Motivation, ein Pilotprojekt für das Narkosegasrecycling zu starten?
Wenn man das Problem der Klimakrise und die Auswirkung der Treibhausgase auf unser Klima erkennt, stehen wir alle in der Verantwortung, die Gefahr und die Emissionen möglichst niedrig zu halten.
Nach unserer Recherche über Narkosegase und deren Klimawirkung stießen wir auf eine Firma, die ein Verfahren für das Recycling von Narkosegas entwickelt hat. Ich selber habe mir das Prozedere vor Ort im Berliner Umland angeschaut - und war beeindruckt. Zugleich hat mich der Besuch dort überzeugt, dass wir jetzt handeln sollten!
Wie genau läuft das Recycling in den Kliniken ab?
Verwendet werden Aktivkohlefilter, die am Narkosegerät angebracht werden – genau dort, wo sonst der Abluftschlauch für das Narkosegas befestigt ist. In diesen Filtern werden die Gase abgefangen. Diese Filter dann in den Kliniken abgeholt und die enthaltenen Gase zum Großteil wiederaufbereitet, bevor sie wieder für Narkosen eingesetzt werden – ganz im Sinne der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft!
Insgesamt können so 90 Prozent der Gase, die normalerweise in die Umwelt gelangen, angemessen recycelt und bei uns wiederverwendet werden.