„Rheuma“ ist keine „Alte-Leute-Krankheit“, sondern betrifft auch Kinder und junge Erwachsene. Für Betroffene geht die Erkrankung häufig mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in den Gelenken einher. Ursache der Autoimmunerkrankung ist eine Entzündung, die Gelenke, Knochen und die inneren Organe angreift. „Hinter Rheuma verbirgt sich kein eigenständiges Krankheitsbild“, erklärt Dr. Ingo Hartig, Chefarzt der Rheumatologie an der Helios Klinik Cuxhaven. „Vielmehr verstecken sich dahinter mehr als 100 verschiedene rheumatische Erkrankungen.“
Die entzündlichen rheumatischen Erkrankungen können in vier Bereiche eingeteilt werden: „Gelenkrheuma“, wie beispielsweise der rheumatoiden Arthritis, entzündliches Weichteilrheuma, dem man beispielsweise den systemische Lupus erythematodes zuordnen kann, Gefäßrheuma, mit der Arteriitis temporalis als Vertreter und die Fiebersyndrome. Rheuma ist also nicht gleich Rheuma. Am häufigsten unter ihnen ist die rheumatoide Arthritis anzutreffen. Meist schleichend, über Jahre hinweg, werden im Krankheitsverlauf – insbesondere unbehandelt - die Gelenke zerstört oder, im Extremfall auch andere Organe wie beispielsweise die Lunge. Ca. 550.000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen.
Je früher die Diagnose, desto größer die Langzeiterfolge
Neue Klassifikationskriterien ermöglichen es, eine rheumatoide Arthritis heute früher zu erkennen. Ziel der Rheumatherapie ist ein entzündungsfreier Zustand, auch Remission genannt, der dank der zur Verfügung stehenden hochwirksamen Medikamente besser erreicht werden kann. „Heilbar ist die Erkrankung jedoch in nicht“, betont der Rheumatologe ausdrücklich. Wird Rheuma diagnostiziert, ist ein rascher Therapiebeginn entscheidend. Zu Beginn werden schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente eingesetzt. „Der frühestmögliche Beginn der Basistherapie bewirkt einen Rückgang der Gelenkentzündung und damit den Erhalt der Gelenkfunktion. Die Zerstörung der Gelenke wird verhindert“, sagt Dr. Ingo Hartig. Die häufig bei Rheumaerkrankten vorkommenden Herzkreislauferkrankungen seien durch die Behandlung der Grunderkrankung besser behandelbar und die Lebenserwartung der Betroffenen entspricht mittlerweile der der allgemeinen Bevölkerung.
Die positive Entwicklung ist nicht nur der Pharmazieforschung zu verdanken, sondern auch der Weiterbildung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, werden je 100.000 erwachsener Einwohner mindestens zwei internistische Rheumatologen in der ambulanten Versorgung gebraucht. Dies entspricht 1350 Rheumatologen in Deutschland. Tatsächlich praktizieren derzeit jedoch nur 712. Fast die Hälfte des Mindestbedarfs in der Versorgung betroffener Patienten ist damit nicht gedeckt.
Zeigen die medikamentöse Basistherapie und regelmäßige physikalische Therapie nicht den gewünschten Erfolg, sollte über eine orthopädisch-operative Behandlung nachgedacht werden. „Wichtig ist es, den Zeitpunkt zu erkennen, wann operative Maßnahmen notwendig sind. Das können Eingriffe, wie die Entfernung einer entzündlich veränderten Gelenkschleimhaut zum Schutz befallener Gelenke und Sehnen, wiederherstellende Eingriffe oder sogar ein Gelenkersatz sein, wenn es bereits zu bleibenden Schäden gekommen ist“, erklärt Dr. Hartig.
Worin sieht Dr. Ingo Hartig die Herausforderung für die zukünftige Rheumatherapie?
„Da es trotz gezieltem Einsatz der verschiedenen Medikamente nicht gelingt bei jedem Patienten die Entzündungsaktivität der Erkrankung zu stoppen, muss die Wissenschaft weiterentwickelt werden. „Und natürlich hoffe er auf ein „höheres“ Ziel: die Heilung dieser Erkrankungen.“ Bis dahin widmen sich Dr. Hartig und seine Kolleginnen und Kollegen seinen Patientinnen und Patienten, damit deren Leben weiterhin so uneingeschränkt und lebenswert wie möglich ist.