Frage: Herr Prof. Dr. Yilmaz, welche Schwerpunkte setzt die Kardiologie in Attendorn?
Antwort: Unser Grundsatz lautet: Struktur und Verlässlichkeit. Auch wenn Notfälle Abläufe immer wieder verändern können, gilt bei uns: Ein Termin ist ein Termin. Kein Patient soll wochenlang auf Hilfe warten müssen, wenn sie notwendig ist. Akute Beschwerden behandeln wir rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Für ambulante Termine gilt ein klares Ziel: maximal vier Wochen Wartezeit. Bei Bedarf erhöhen wir kurzfristig die Kapazitäten – das gelingt uns in den meisten Fällen sehr gut.
Frage: Dabei sehen Sie sich nicht nur als medizinische Anlaufstelle für Attendorner?
Antwort: Unser Einzugsgebiet geht längst über Attendorn hinaus – bis nach Lüdenscheid und Hagen. Kein Patient wird bei uns abgewiesen, auch wenn er nicht in Attendorn wohnt. Wir verstehen uns als Klinik auf dem Land – für das Land. Gleichzeitig investieren wir viel Energie in Austausch und lokale Präsenz, etwa bei den Herztagen oder in Kooperationen mit den großen Helios-Krankenhäusern in Wuppertal und Siegburg.
Frage: Gibt es Leistungsbereiche, auf die Sie besonders stolz sind?
Antwort: Wenn wir ganz unspektakulär Leben retten, haben wir genug Anlass, stolz zu sein. Wir sind keine Hightech-Spezialklinik, sondern Spezialisten für akute, zeitkritische Fälle – zum Beispiel den klassischen Herzinfarkt. Der Patient muss innerhalb von 30 Minuten bei uns sein, und 30 Minuten später muss das verschlossene Gefäß wieder geöffnet werden. Das funktioniert nur wohnortnah – nicht, wenn man erst hundert Kilometer fahren muss.
Frage: Trotzdem stehen Sie Innovationen offen gegenüber, wenn sie sich bewährt haben?
Antwort: Richtig. Wir haben das LAA-Occluder-Verfahren zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern bereits fest etabliert. Ab dem kommenden Jahr bieten wir zudem die Thrombektomie bei Lungenembolien an – damit können Blutgerinnsel in der Lunge abgesaugt werden. In Planung ist außerdem die Einführung des sogenannten Leadless Pacemakers – ein kabelloser Minischrittmacher, der vor allem für Menschen geeignet ist, bei denen klassische Systeme mit Sonden risikobehaftet wären.
Frage: Wann kommen Sie in Attendorn an Ihre Grenzen?
Antwort: Bei hochkomplexen Eingriffen wie dem Herzklappenersatz arbeiten wir eng mit spezialisierten Partnerkliniken zusammen. Wichtig ist: Patientensicherheit geht vor Experimenten.
Frage: Welche Rolle spielen neue Methoden wie Künstliche Intelligenz künftig in der Kardiologie?
Antwort: Eine große – als Unterstützung, jedoch niemals als Ersatz für humanmedizinische Fachkompetenz. Spezielle EKG-Geräte können Herzinfarkte heute bereits automatisch erkennen. Künftig wird das auch bei Röntgenbildern möglich sein. Das entlastet die Teams, schafft ein Vor-Screening und erhöht die Geschwindigkeit der Versorgung. Der Arzt aus Fleisch und Blut bleibt jedoch in jedem Fall unverzichtbar.
Frage: Welche Herzerkrankungen sehen Sie in der Praxis am häufigsten?
Antwort: Am meisten begegnen wir koronaren Herzerkrankungen, Herzinfarkten, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen – insbesondere Vorhofflimmern – sowie Blutdruckentgleisungen. Dazu kommen viele allgemein-internistische Fälle wie Lungenentzündungen, Nierenerkrankungen, Ohnmachtsanfälle oder Schwindel, bei denen wir kardiale Ursachen ausschließen müssen.
Frage: Am 26. November halten Sie an der Helios Klinik einen Vortrag zum Thema Angina pectoris. Warum ist diese so gefährlich?
Antwort: Angina pectoris ist nicht „nur Brustschmerz“, sondern ein SOS-Signal des Herzens – es warnt davor, dass ein Herzinfarkt droht und Herzmuskel unwiederbringlich geschädigt werden kann. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend: Pro Stunde sterben bis zu zehn Prozent des Herzmuskels irreversibel ab. Darum ist es so wichtig, Symptome früh zu erkennen.
Frage: Wie nutzt man die knappe Zeit, die zur Verfügung steht, angemessen?
Antwort: Alles beginnt mit einem aufmerksamen Gespräch. Die richtigen Fragen führen uns in 80 Prozent der Fälle auf die richtige Spur – noch bevor ein EKG geschrieben wird. Sprache, Gestik und unbewusste Bewegungen sind wichtige Signale. Dafür braucht es Zeit und Aufmerksamkeit – das gelingt nicht im Fließband-Takt.
Frage: Wie steht es aktuell um die Vorsorge?
Antwort: Gemeinsam mit einer regionalen Facharztpraxis führen wir derzeit eine Vorsorgestudie durch. Die Studie läuft noch, doch es zeigt sich bereits: Es gibt viele gesundheitsbewusste Menschen – aber ebenso viele, die Präventionsangebote kaum nutzen. Kritisch sehe ich außerdem, dass Nichtraucherschutz und Aufklärung beim Thema Rauchen an Dynamik verloren haben. Hier müssen wir wieder lauter werden – in diesem Bereich waren wir schon deutlich weiter.
Frage: Welche Entwicklungen werden die Zukunft der Kardiologie prägen?
Antwort: Vernetzung und Kooperation. Nicht jedes Krankenhaus kann und muss alles machen. Die aktuelle Krankenhausreform bestätigt unseren Helios-Weg: Akutversorgung geschieht wohnortnah, hochspezialisierte Medizin in unseren Partnerzentren.