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Eine neue Zeitrechnung nach “Uschi”: Wie Grit Müller ihren Brustkrebs überstand und heute anderen Betroffenen Mut macht

Ein Routinebesuch stellt das Leben von Grit Müller schlagartig auf den Kopf. Diagnose Brustkrebs – mit 48 Jahren. Für die Diplomingenieurin für Lebensmitteltechnologie und Wirtschaftsfachwirtin bei der IHK bricht eine Welt zusammen. Heute, neun Jahre später, kann sie mit Stärke auf die Zeit zurückblicken, auch dank der Unterstützung ihres Umfelds und der Verarbeitung ihrer eigenen Krankengeschichte in einem Buch.

05.12.2025 Lesedauer: - Min.

Als Grit Müller im Oktober 2016 zu einer Routineuntersuchung zum Frauenarzt geht, denkt sie an alles, nur nicht an Krebs. „Ich wollte das einfach abhaken“, erinnert sich die heute 57-Jährige. „Dann sagte die Ärztin plötzlich: ‚Da ist etwas, das wir uns genauer ansehen müssen.‘ Die Tage danach sind von zunehmender Unsicherheit geprägt.“

 

Die Diagnose folgt schnell: ein fünf Millimeter großer, triple-negativer Tumor. Dieser hochaggressive Krebs muss sofort behandelt werden. Sie kommt in das zertifizierte Brustzentrum des Helios Hanseklinikum Stralsund, damals unter der Leitung von Dr. Frank Ruhland. Jedes Jahr betreut das Team rund 180 Brustkrebspatientinnen in der Region Vorpommern-Rügen bis Usedom. „Die Diagnose Brustkrebs ist für jede Frau ein schwerer Einschnitt. Als zertifiziertes Brustzentrum legen wir großen Wert darauf, unsere Patientinnen in allen Phasen der Therapie – von der Diagnose über die Therapie bis zur Nachsorge – optimal zu begleiten. Unser Ziel ist es nicht nur, den Frauen medizinisch, sondern auch emotional zur Seite zu stehen“, sagt die heutige Chefärztin der Frauenklinik, Constanze Robinson.

 

Ein Kampf, der alle Kräfte fordert

Grit Müllers Therapie startet rasch. Neun Chemotherapien, die Teilnahme an einer Studie und Belastungen, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. „Ich musste mir unter anderem eigenständig ein Serum spritzen, welches die Bildung der Immunzellen fördert. Die Nebenwirkungen der Therapie waren heftig. Ich fühlte mich wochenlang wie mit einer schweren Grippe, aber einer, die einfach nicht weggeht. Ich konnte kaum aufstehen. Manchmal haben mir Podcasts durch den Tag geholfen, weil sie mich zumindest gedanklich weggetragen haben.“

 

Bei der Chemotherapie steht das Ziel im Vordergrund, den Tumor zu verkleinern, aber die Begleiterscheinungen sind insbesondere für Frauen gravierend – nicht nur die Schmerzen und körperlichen Veränderungen, sondern auch der Verlust der Haare. Doch Grit Müller beißt sich durch, auch dank ihrer Familie, die ihr immer zur Seite steht, und eines guten sozialen Umfelds, welches ihr Kraft gibt. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand. „Ich wollte nicht warten, bis die Chemo mir alle Haare nimmt. Ich wollte selbst entscheiden. Also habe ich mir die Haare wie in dem Film ‚Die Akte Jane‘ selbst abrasiert.“

 

Nach der Chemotherapie folgt die Operation. Die Ärzte empfehlen, das betroffene Gewebe zu entfernen, doch Grit Müller geht viel weiter und setzt sich durch. „Ich wollte Klarheit. Ich wollte Sicherheit. Deswegen habe ich gesagt: Ich möchte eine einseitige Mastektomie und einen Brustaufbau und kann so neu beginnen.“

 

Vom Tagebuch zum Buch – ein langer Weg nach innen

Grit Müller besiegt den Krebs. Etwa ein Jahr nach der Diagnose steigt sie im Hamburger Modell bei ihrem langjährigen Arbeitgeber, der IHK, wieder als Referentin für Wirtschaftsförderung ein. „Ich habe gedacht, dass nach der Behandlung und Regeneration alles wie vorher weitergehen könnte, aber der Krebs hat alles verändert und für mich hat eine neue Zeitrechnung nach „Uschi“ begonnen.“ „Uschi“, diesen Namen hat sie ihrem Krebs gegeben. Seit Jahren schreibt Grit Müller für sich Tagebuch, doch sie merkt, dass es nicht reicht, um die Erfahrungen zu verarbeiten. Eine Bekannte bringt sie schließlich auf die Idee, ihre Geschichte aufzuschreiben. Nicht nur als Selbsttherapie, sondern vielleicht auch für andere.

 

Im Zeitraum von 2018 bis 2021 entsteht ihr Manuskript „Und dann kam Uschi – Psychogramm einer Brustkrebsbehandlung“. „Ich habe während des Schreibens verstanden: Krebs betrifft nicht nur ein Organ. Er erfasst dein ganzes Leben – deinen Körper, deine Gedanken, deine Beziehungen. Sich noch mal mit dieser Zeit intensiv zu befassen, hat einiges aufgewühlt.“

 

Ihr Buch erscheint im Sommer 2023 im Stralsunder Verlag edition Pommern und sorgt bei Lesungen für tief berührende Begegnungen für beide Seiten. „Viele Frauen haben gesagt: ‚Endlich jemand, der ausspricht, wie es wirklich ist.‘ Das hat mir Mut gemacht.“

 

Das Lächeln kommt zurück

Heute geht es Grit Müller gut. Achtsamkeit ist zu ihrem Leitprinzip geworden. „Ich schiebe nichts mehr auf. Wenn ich reisen möchte, reise ich. Wenn ich eine Pause brauche, mache ich sie. Der Körper gibt den Takt vor – und ich höre zu.“ Grit Müller ist mit Ihrer Erkrankung nicht allein. „Brustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau. Statistisch erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs“, ordnet die Chefärztin ein.

 

Mit ihrer Geschichte möchte Grit Müller anderen betroffenen Frauen Hoffnung und eine Stimme geben. „Wenn ich eines gelernt habe, dann das: Du bist stärker, als du denkst. Und du darfst Hilfe annehmen. Du musst die Krankheit nicht allein durchstehen.“

 

Ihr Weg zeigt, wie sehr eine Krebserkrankung das Leben verändert, aber auch dass aus dieser Veränderung neue Kraft entstehen kann.

Grit Müller hat den Brustkrebs besiegt