Mehrere Operationen liegen hinter dem tapferen Jungen. Trotzdem strahlt Baktasch glücklich in die Kamera. Die Unfallchirurgen am Hanseklinikum um Chefarzt Dr. Bernhard Fortmeier haben dem Neunjährigen die Hoffnung auf ein normales Leben zurückgegeben. Durch eine chronische Entzündung im Unterschenkel, sogenannte Osteomyelitis, konnte Baktasch nicht mehr laufen und drohte, sein Bein zu verlieren. Mehrere erfolglose Voroperationen in seinem Heimatland haben das Problem verschlimmert. Seine letzte Chance war eine Behandlung in Deutschland.
„Solche Erkrankungen sehen wir heute in Deutschland eigentlich nicht mehr. Wir können früh mit den richtigen Antibiotika behandeln, sodass es gar nicht erst zur Operation kommen muss. Bei Baktasch war es allerdings schon zu spät“, sagt der Chefarzt. Die Entzündung war weit fortgeschritten. Eitrige Fisteln hatten sich gebildet, das rechte Bein des Jungen war bereits einen Zentimeter kürzer gewachsen als das andere. Er konnte nur mit Krücken und unter Schmerzen gehen. „Wir haben die Entzündung zum Glück relativ schnell in den Griff bekommen“, resümiert der Chefarzt nach knapp fünfmonatiger Behandlung.
In einem ersten Schritt hat Dr. Fortmeier den Knochen ausgefräst und einen Platzhalter aus Knochenzement in den Unterschenkel eingebracht. Das füllt den Knochen auf und das enthaltene Antibiotikum bekämpft die Entzündung. Doch das Medikament wirkt nur vier bis sechs Wochen, danach ist eine erneute Operation notwendig. zwei hat Baktasch schon hinter sich gebracht und in der dritten wurde der Platzhalter entfernt. Und es sieht gut aus. Der Junge kann für drei Monate ins Friedensdorf, anschließend kehrt er zur Kontrolle nach Stralsund zurück. Im Klinikum wird er dann freudig erwartet werden. Baktasch ist den Mitarbeitern im Hanseklinikum richtig ans Herz gewachsen. Inzwischen versteht er fast alles und spricht schon recht gut Deutsch.
Mit seiner aufgeschlossenen Art sorgt Baktasch bei den Kollegen für gute Stimmung. Die Mitarbeiter kümmern sich nicht nur um sein medizinisches Wohl. In ihrer Freizeit unternehmen die Schwestern der Kinderstation und die Erzieherin Sylvia Schmidt mit ihm Ausflüge ins Museum, gehen zum Strand und besuchen den Stralsunder Zoo. „Wir versuchen, es Baktasch hier so schön wie möglich zu machen“, sagt Kinderkrankenschwester Anja Below. Denn die Kinder sind über den gesamten Zeitraum ohne Eltern in Deutschland. „Es ist für uns wahrscheinlich kaum vorstellbar, sein Kind für so viele Monate wegzugeben, aber es ist die einzige Chance, ihnen ein gesundes Leben zu ermöglichen“, verdeutlicht Dr. Fortmeier.
Baktaschs Eltern müssen in Afghanistan arbeiten und ihre anderen Kinder versorgen. Für alle keine leichte Zeit. Auch wenn der Heilungsverlauf bislang sehr gut verläuft, bereitet Dr. Fortmeier ein anderes Problem noch Sorgen: Die Wachstumsfugen im rechten Bein des Jungen sind teilweise verkalkt und könnten das Wachstum beeinträchtigen. „Wir hoffen, dass die Natur das von selbst richtet. Falls nicht, müssen wir das Bein künstlich verlängern“, erklärt Dr. Fortmeier. Bedeutet: wieder Operation. Das Bein müsste gebrochen und verlängert werden, damit es im Erwachsenenalter angeglichen ist.
Baktasch ist im Februar auf Initiative des Friedensdorf International nach Deutschland gekommen. Seit über 50 Jahren engagiert sich die Hilfsorganisation für verletzte Kinder in Krisengebieten, um ihnen eine oftmals lebensrettende Behandlung in deutschen Krankenhäusern zu ermöglichen. Das Helios Hanseklinikum Stralsund unterstützt die Tätigkeit der Organisation durch die Aufnahme und Behandlung von Kindern seit 2013.