Suchen
Menü
Schließen

Viel mehr als nur Schmerzlinderung

„Ich weiß gar nicht, was Du hast, Du siehst doch gut aus.“ Diesen Satz haben Michaela Bergholz und Anke Weihs in ihrem Leben schon oft gehört – denn ihre chronischen Schmerzen sieht man ihnen nicht an. Unter ihren Erkrankungen und ihren dadurch bedingten Schmerzkarrieren hat sich ihr ganzes Leben verändert. Teilweise Arbeitsunfähigkeit, Unverstandenheit von Freunden und Familie sowie das ständige Leben mit dem Schmerz haben die beiden Frauen in eine Isolation gedrängt. Ein Lichtblick ist die multimodale Schmerztherapie in Stolzenau, in der sie nicht nur Linderung und Verständnis erfahren, sondern auch lernen, ein lebenswertes Leben mit den Schmerzen zu führen.
09. Februar 2023

Vor acht Jahren fängt alles an – da spürt Michaela Bergholz plötzlich ein Taubheitsgefühl in ihrem Arm, ihren Fingern und in der linken Gesichtshälfte. Alle Alarmglocken für einen Schlaganfall läuten bei der heute 42-Jährigen. Doch nach zahlreichen, sich über Monate hinweg erstreckenden Untersuchungen stellt sich schließlich heraus, dass sie unter der sog. Small Fiber Neuropathie leidet – eine Erkrankung, die sich u.a. in starken Sensibilitätsstörungen äußert. „Ich fühle rund um die Uhr ein brennendes Stechen in den betroffenen Gliedmaßen. Es sind Schmerzen, die einen fast verrückt werden lassen“, beschreibt die zweifache Mutter. Das relativ jung erforschte Erkrankungsbild wird von vielen nicht ernstgenommen. „Ein Neurologe sagte zu mir, ich sei jung, ich könne damit leben. Aber so möchte ich damit nicht leben“, so Bergholz. Die Erkrankung zwingt sie, ihre Arbeit als PTA aufzugeben. Auch Haushalt und Familie werden zu einer immer größeren Belastung. Freundschaften zerbrechen. „Leider hatten viele meiner Freunde kein Verständnis für meine Erkrankung. Man kann mir meine Erkrankung nicht ansehen, daher wurde sie von vielen einfach so abgetan“, beschreibt sie. 

Ähnliches musste auch Anke Weihs erleben. Die 59-Jährige leidet seit sieben Jahren unter starken Gelenk- und Rückenschmerzen. Auch einige Operationen hat sie hinter sich. „Zuerst habe ich eine neue Hüfte bekommen, dann eine Versteifung am Lendenwirbel. Geholfen hat eigentlich gar nichts. Ich lebe konstant mit Schmerzen“, beschreibt die Wunstorferin. Im Gegensatz zu ihrer Mitpatientin kann sie ihre Arbeit noch ausüben – aber beschwerlich. „Ich arbeite in der Poststelle einer Versicherungsagentur. Meine Kolleginnen haben großes Verständnis für mich und lassen mich schon gar keine schweren Dinge mehr tragen. Doch mir ist das natürlich sehr unangenehm – und Schmerzen habe ich trotzdem immer nach der Arbeit, vor allem in Schulter und Nacken.“ Auch Weihs meidet zunehmend soziale Kontakte, igelt sich ein. 

Einen Hoffnungsschimmer gibt es für beide Frauen, als sie zum ersten Mal von der multimodalen Schmerztherapie am Stolzenauer Standort der Helios Kliniken Mittelweser hören. „Wir dachten, wir probieren es einfach mal aus“, so die Patientinnen. 

„Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz“, erläutert Christiane Hermann-Böhlke, Pain Nurse in der Schmerzklinik. Bevor jemand eine stationäre Therapie bekommt, findet ein ausführliches Assessment statt. Schnell wird dabei klar: Wer hier rein ausschließlich eine medikamentöse Behandlung sucht, ist an der falschen Stelle. 

„Schmerzbewältigung ist das zentrale Thema. Es geht vor allem darum, trotz der chronischen Schmerzen ein lebenswertes Leben zu führen“, ergänzt Bernd Goevert, leitender Arzt der Schmerztherapie. In einem fächerübergreifenden Team – bestehend aus Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und speziell ausgebildeten Schmerz-Pflegekräften wird daher für jede Patientin und jeden Patienten ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet. Dieses wird ständig an die Behandlungsfortschritte angepasst. 

Was für Michaela Bergholz und Anke Weihs besonders wichtig ist: Sie werden ernstgenommen. „Das zieht sich durch jede Berufsgruppe der Schmerzklinik, alle sind sehr verständnisvoll. Besonders schön ist auch, dass wir hier Mitpatientinnen und –patienten kennenlernen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Man fühlt sich einfach nicht mehr so alleine auf dieser Welt.“  

Eine Herausforderung gibt es jedoch auch, und zwar für die Zeit nach der Behandlung. „Hier in der Schmerzklinik konzentrieren wir uns voll und ganz auf uns. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dies alles auch im normalen Umfeld – in dem naturgemäß so viele mehr Störungen bestehen – umzusetzen. Wir lernen daher viele Methoden und Techniken, um mit unserem Schmerz umzugehen, die wir auch Zuhause anwenden können“, so Weihs. Michaela Bergholz hat durch die Schmerzklinik gleich doppelt profitiert, denn über Bernd Goevert hat sie auch Kontakt zu Dr. Martin Bästlein bekommen, Chefarzt der Neurologie der Helios Kliniken Mittelweser. „Bei Herrn Dr. Bästlein stelle ich mich ebenfalls regelmäßig im medizinischen Versorgungszentrum vor. Er und Herr Goevert stehen in enger Abstimmung im Hinblick auf meine Medikamenteneinstellung.“ 

Die beiden Patientinnen empfehlen die stationäre Therapie uneingeschränkt weiter. „Hier können wir unsere Reserven wieder auftanken. Das Team ist einfach so toll, dass Patienten hier motiviert und zuversichtlich rausgehen“, freuen sich die Patientinnen.
 

Foto: v.l. Physiotherapeutin Bianca Burmester, Patientin Anke Weihs, Patientin Michaela Bergholz, Pain Nurse Christiane Hermann-Böhlke, Bernd Goevert 

Viel mehr als nur Schmerzlinderung