Davor hatte Sie sich bereits bei 36 medizinischen Einrichtungen in ganz Sachsen beworben. „Niemand wollte mich haben“, berichtet die 22-Jährige, die mittlerweile verschmitzt lachend darüber nur den Kopf schütteln kann. Ihr Handicap: Sie verlor ihren linken Oberschenkel wegen einer Krebserkrankung. Während ihrer vielen Krankenhausaufenthalte wuchs bei ihr der Wunsch, nach der Schule einen Beruf in der medizinischen Pflege zu ergreifen.
Jessica Rudolph ist derzeit eine von 47 als schwerbehindert eingestuften Pflegekräften, die täglich ihre Frau und ihren Mann im Pirnaer Helios Klinikum stehen. „Die Behinderungen sind sehr vielfältig und reichen unter anderem von Migräneanfällen, Herz-Kreislauferkrankungen, Rückenleiden, Hör- und Sehbeeinträchtigungen bis hin zu psychischen Erkrankungen“, erläutert Denise Juraneck. Als gewählte Schwerbehindertenvertreterin ist sie quasi das Scharnier zwischen der Geschäftsführung, Pflegedirektion und Personalabteilung sowie den betroffenen Kolleginnen und Kollegen.
Denise Juraneck begleitet und berät zum Beispiel Einstellungsverfahren des Klinikums und achtet auf benachteiligungsfreie Auswahlverfahren bei entsprechender oder gleicher Eignung Schwerbehinderter bei einer Stellenbesetzung. Als Vertrauensperson ist ihr die individuelle Beratung und Betreuung aller schwerbehinderten Beschäftigen sehr wichtig. Die ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin unterstützt ebenso auf Wunsch (Folge)Anträge auf Schwerbehinderung oder berät bei der Ausstattung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte.
Im Mittelpunkt steht dabei, mitzuhelfen, für ein selbstverständliches Miteinander im Arbeitsalltag der schwerbehinderten Kolleg:innen zu sorgen und nach Lösungen zu suchen, wenn dieser individuell angepasst werden muss. „Ich kann dabei deutschlandweit auf die Expertise und Erfahrungen der anderen Schwerbehindertenvertreter:innen im Helios Netzwerk zurückgreifen“, sagt Denise Juraneck.
Jessica Rudolph bewältigt heute ihren beruflichen Alltag mitsamt allen Herausforderungen im Helios Klinikum Pirna genauso wie die anderen Auszubildenden - auf einem gesunden Bein und einer Beinprothese: „Viele Patienten bemerken noch nicht einmal, dass ich eine Beinprothese trage.“ Sie durchläuft dabei alle Fachbereiche der Klinik und absolviert gerade ihren externen Einsatz in einer Pflegeinrichtung.
Neben ihrer Ausbildung engagiert sie sich ehrenamtlich für krebskranke Kinder und Jugendliche im Mentorenprogramm des Sonnenstrahl e. V. in Dresden. Sie hatte damals selbst eine ehemals an Krebs erkrankte Mentorin. Sie weiß, wie hilfreich es sein kann, über die Erkrankung mit jemandem außerhalb der Familie zu reden. Ihre eigenen Erfahrungen helfen ihr dabei, die Sorgen und Ängste der jungen Betroffenen nachzuvollziehen, Ratschläge zu geben und Mut zu machen.
Ihre Krebserkrankung gehört heute zu ihrer Vergangenheit. Nun konzentriert sich die Einserschülerin voll und ganz auf Ihre Ausbildung, die sie sich erkämpft hat. Es braucht also nicht immer zwei gesunde Beine, um fest im Berufsalltag einer Klinik zu stehen.