Als Friedrich Hill das Helios Klinikum Hildesheim aufsuchte, tat er das voller Sorge. Er litt an einer schweren peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK); einer Erkrankung, bei der die Blutgefäße in den Beinen durch Ablagerungen so stark verengt oder verschlossen sind, dass die Muskeln und Haut kaum noch Blut enthalten und das Gewebe nicht mehr ausreichend versorgt wird.
Bei dem 81-Jährigen war bereits das schwerste Stadium erreicht. Offene Wunden, starke Schmerzen und abgestorbenes Gewebe am Fuß bestimmten seinen Alltag.
Nach seiner ersten Beratung, bei der man ihm zu einer Majoramputation geraten hatte, einer größeren Amputation im Bereich des Unter- oder Oberschenkels, wollte der Nordstemmer eine Zweitmeinung einholen. „Mit dem Schicksal wollte ich mich nicht anfreunden. Ich wollte nicht glauben, dass das die einzige Möglichkeit sein sollte“, erzählt der Rentner und erinnert sich: „Ich brauchte eine andere Meinung und hier bekam ich einen Funken Hoffnung.“
Eine besonders komplexe Ausgangssituation
Bei der Untersuchung im Helios Klinikum Hildesheim zeigte sich, wie komplex der Fall war.
„Wir sahen langstreckige Verschlüsse und stark vorgeschädigte Arterien. Nur wenige Gefäße waren noch verwendbar“, erklärt der Chefarzt der Gefäßchirurgie, Dr. Mohamed Essa. Trotz dieser Ausgangslage entschied sich das Team bewusst für den Versuch, das Bein zu erhalten.
„Mobilität bedeutet Freiheit und Lebensqualität“, betont der Chefarzt. „Wenn wir eine realistische Chance sehen, dann kämpfen wir für unsere Patientinnen und Patienten.“
Ein Eingriff, der Präzision und Mut erforderte
In einem aufwendigen, stundenlangen Eingriff fertigte das Team einen sehr speziellen Composite-Bypass an. Ein ist eine Art maßgeschneiderte Umleitung für das Blut, die entsteht, wenn zwei unterschiedliche Gefäßmaterialien kombiniert werden. Bei dem Patienten setzte das Team auf eine biologische Gefäßprothese aus Rinderhalsschlagader sowie körpereigener Vene. Aus beiden entstand ein rund 80 Zentimeter langer Spezial-Bypass, der das Blut wieder bis in den Unterschenkel und Fuß leiten sollte, trotz der stark geschädigten Arterien. Gleichzeitig wurden vier Zehen amputiert, um infektiöses, abgestorbenes Gewebe zu entfernen. „Das war notwendig, um die Wundheilung überhaupt zu ermöglichen“, erklärt Dr. Essa. „Mir war klar, dass es ein Risiko gibt“, erinnert sich Hill. „Aber allein zu hören, dass man versucht, mein Bein zu retten. Das hat mir viel Mut gegeben, denn ich habe dem Team vertraut.“
Ein Ergebnis, das Hoffnung macht
Nach der Operation zeigte sich schnell: Der Eingriff war ein voller Erfolg. Die Durchblutung verbesserte sich deutlich, die Wunden begannen zu heilen und die ursprünglich empfohlene Amputation wurde überflüssig. „Der Moment, in dem wir gesehen haben, dass das Bein wieder gut durchblutet ist, war für das ganze Team etwas Besonderes. Der Fall zeigt eindrucksvoll, was moderne Gefäßchirurgie heute leisten kann“, sagt der Gefäßchirurg.
Für den Rentner ist das Ergebnis kaum in Worte zu fassen: „Mir wurde nicht nur die Beine gerettet, sondern mein Leben zurückgegeben. Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas möglich ist.“
Ein wichtiger Fortschritt für die Region
Nach aktuellem Stand handelt es sich um den ersten Eingriff dieser Art in Hildesheim und der gesamten Region, bei dem ein so langer Rinderhalsschlagader–Venen-Composite-Bypass erfolgreich zur Beinerhaltung eingesetzt wurde.
„Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, moderne Verfahren einzusetzen, um selbst in sehr schwierigen Situationen Gliedmaßen zu erhalten“, freut sich Dr. Mohamed Essa über den großen Erfolg. „Das ist das Ergebnis einer starken Teamleistung – von Chirurgie, Anästhesie, Pflege und vielen weiteren Beteiligten.“