Wie wurden Sie auf die Problematik der Emissionen von Narkosegasen aufmerksam?
Mein Team und ich wurden durch die wissenschaftliche Literatur darauf aufmerksam. Insbesondere die Initiativen der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin zeigten uns, dass Narkosegase erhebliches Klimaschädigungspotential haben. Denn jede Narkose stößt bis zu 118 Kilogramm CO2-Äquivalente aus, die klimaschädlichen Emissionen einer siebenstündigen Operation mit dem Narkosegas Desfluran entsprechen einer Autofahrt von 8.000 Kilometern. Insgesamt machen OPs rund 35 Prozent der Emissionen einer Klinik aus.
Was war Ihre Motivation, ein Pilotprojekt für das Narkosegasrecycling zu starten?
Wenn man das Problem der Klimakrise und die Auswirkung der Treibhausgase auf unser Klima erkennt, stehen wir alle in der Verantwortung, die Gefahr und die Emissionen möglichst niedrig zu halten.
Nach unserer Recherche über Narkosegase und deren Klimawirkung stießen wir auf eine Firma, die ein Verfahren für das Recycling von Narkosegas entwickelt hat. Ich selber habe mir das Prozedere vor Ort im Berliner Umland angeschaut - und war beeindruckt. Zugleich hat mich der Besuch dort überzeugt, dass wir jetzt handeln sollten!
Wie genau läuft das Recycling in den Kliniken ab?
Verwendet werden Aktivkohlefilter, die am Narkosegerät angebracht werden – genau dort, wo sonst der Abluftschlauch für das Narkosegas befestigt ist. In diesen Filtern werden die Gase abgefangen. Diese Filter dann in den Kliniken abgeholt und die enthaltenen Gase zum Großteil wiederaufbereitet, bevor sie wieder für Narkosen eingesetzt werden – ganz im Sinne der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft!
Insgesamt können so 90 Prozent der Gase, die normalerweise in die Umwelt gelangen, angemessen recycelt und bei uns wiederverwendet werden.
Welche Kliniken in Deutschland sind in diesem Gebiet Vorreiter?
In Baden-Württemberg gibt es bereits klare politische Vorgaben zum Narkosegasrecycling: Hier müssen sich Unikliniken mit der Thematik auseinandersetzen. Dennoch gibt es meines Wissens in Deutschland noch nicht viele Kliniken, die im großen Stil ihre Narkosegase recyceln. Somit wäre Helios hier weit vorn und könnte einen wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit gehen.
Hat die Fachgruppe Anästhesie weitere Schritte unternommen, um den Ausstoß von Treibhausgasen aus den OPs zu reduzieren?
Ja. In einem Fachgruppenbeschluss vom März 2022 haben wir vereinbart, besonders klimaschädliche Narkosegase durch intelligente Verringerung der Gaszufuhr in das Narkosegerät so weit wie möglich zu reduzieren. Der Beschluss trägt bereits Früchte: Lachgas, das klimaschädlichste Narkosegas, verwenden wir seitdem gar nicht mehr. Und den Einsatz von Desfluran– ebenfalls ein sehr schädliches Gas – konnten wir bereits um 40 Prozent reduzieren. Ziel ist es, bis Ende des Jahres auf 50 Prozent Reduktion zu kommen. Eine weitere gute Nachricht: Trotz der Reduzierung dieser beiden Gase müssen wir zur Kompensation keine anderen Gase nutzen – der Einsatz anderer Gase wie Servofluran muss nicht erhöht werden. Damit haben diese Ad-Hoc Maßnahmen schon jetzt eine große positive Klimawirkung!
Wir alle erkennen unsere Verantwortung, etwas gegen die Klimakrise zu tun und gleichzeitig das Wohl unserer Patient:innen nie zu vernachlässigen. Uns war wichtig, dass unser Fachgruppenbeschluss keine negativen Auswirkungen auf unsere Arbeit oder gar unsere Patientinnen und Patienten hat.
Wie läuft das weitere Prozedere des Recyclings bei Helios nun ab?
Nach Beschluss des Helios Nachhaltigkeitsboards starten wir im November das Recycling-Pilotprojekt in Schwelm und Bad Saarow für drei Monate – also bis Februar 2023. Getestet werden das Prozedere und die Effektivität der Maßnahme. Schwelm das Recycling bereits in einem OP getestet hat. Dabei wurde die technische Umsetzung und die Prozessgestaltung analysiert. Bad Saarow ist ein geeigneter Teststandort, da die Klinik alle technischen Anforderungen erfüllt. Nach der Testphase wird das Helios Nachhaltigkeitsboard die Ergebnisse des Piloten auswerten über die weiteren Schritte beraten.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Quellen: