Es ist ein außergewöhnlicher Fall, den selbst erfahrene Gynäkologen nur sehr selten erleben: Bei einer schwangeren Frau entfernten Ärztinnen und Ärzte der Helios Kliniken Mittelweser in Nienburg ein sogenanntes „Teratom“ – medizinisch eine Dermoidzyste des Eierstocks – ohne die Schwangerschaft zu gefährden.
Kim Schäfer befindet sich am Anfang ihrer Schwangerschaft, als Routineuntersuchungen zunächst eine ungewöhnliche Diagnose ergaben. „Bereits einige Wochen vor der Schwangerschaft hatte ich immer wieder Bauchschmerzen, habe dem aber keine große Bedeutung beigemessen“, erzählt die dreifache Mutter. Bei einer Kontrolle beim Frauenarzt wurde schließlich eine zehn Zentimeter große Ovarialzyste entdeckt.
Zur weiteren Abklärung wurde sie an Dr. Mathias Uhlig, Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe an den Helios Kliniken Mittelweser, überwiesen. Akuter Handlungsbedarf bestand nicht: „Solange die Zyste stabil blieb und keine Beschwerden machte, sollte sie vom niedergelassenen Frauenarzt weiter sonographisch kontrolliert werden“, so Uhlig.
Mit starken Schmerzen ins Krankenhaus
Doch in der 17. Schwangerschaftswoche traten plötzlich starke Schmerzen auf. „Es fing mittags an, dann wurde mir schlecht, ich musste mich erbrechen – die Schmerzen waren kaum auszuhalten“, erinnert sich die Patientin.
Im Krankenhaus wurde schnell klar, dass es sich um eine Stieldrehung des gesamten Eierstocks handelte – die Zyste hatte sich um ihre eigene Achse gedreht und so die Blutzufuhr abgeschnürt. „In solchen Fällen hilft nur eine Operation“, erklärt Uhlig. „Eine Rückdrehung war intraoperativ wegen der vergrößerten Gebärmutter nicht möglich. Die Herausforderung war, nun den Tumor vollständig, ohne das er platzt, zu entfernen und die Gebärmutter nicht zu irritieren, um keine vorzeitigen Wehen auszulösen und damit die Schwangerschaft zu gefährden“.
Das Ärzteteam entschied sich für eine Bauchspiegelung (Laparoskopie). „Diese minimalinvasive Methode ist schonend, aber bei einer schwangeren Patientin mit einem zehn Zentimeter großen Tumor technisch höchst anspruchsvoll“, betont Uhlig. „Komplizierend kam hinzu, dass die Patientin bereits zuvor zwei Kaiserschnitte hatte. Wir konnten den Tumor vollständig entfernen, und das Kind war danach weiterhin wohlauf.“
Die spätere feingewebliche Untersuchung ergab: Es handelte sich um ein Teratom, einen seltenen gutartigen Tumor, der aus Zellen entsteht, die theoretisch alle Gewebearten bilden können. Typischerweise enthalten solche Tumoren Haare, Talg, manchmal sogar Zahn- oder Knochenanteile. Aus diesem Grunde nennt der Volksmund diese Tumorart auch gerne „falscher Zwilling“.
Kein Zwilling – auch bei Männern möglich
„Der Name stiftet Verwirrung, denn tatsächlich ist dies kein Zwilling, sondern genau genommen ein Stück von einem selbst: Pluripotente Stammzellen, welche sich an einem untypischen Ort – wie hier am Eierstock – zu einer Zyste entwickeln. Das Vorkommen ist selten, ist aber auch bei Männern möglich“, erklärt der Chefarzt.
Der „falsche Zwilling“ war bis zum Eintreten der Schwangerschaft unentdeckt geblieben, wuchs unter den Schwangerschaftshormonwirkung langsam weiter, während sich auch die Schwangerschaft weiter unauffällig entwickelte. „Dass unter diesen durchaus als schwierig zu bezeichnenden Bedingungen der Tumor auch noch erfolgreich entfernt werden konnte, ohne Mutter und/oder Kind zu schaden – das ist eine absolute Besonderheit“, so Uhlig.
Nach dem Eingriff war die Erleichterung groß. „Die Schmerzen waren sofort weg, nur drei kleine Schnitte – erst am nächsten Morgen habe ich realisiert, was da eigentlich passiert ist“, erzählt Kim Schäfer. Ihr Mann Florian Szparaga ergänzt: „Das war ein riskanter Eingriff, aber wir wussten, dass wir in besten Händen sind. Wir sind unglaublich dankbar für die schnelle und sichere Behandlung.“
Glücklicher Ausgang
Die restliche Schwangerschaft verlief komplikationslos, auch wenn Kim Schäfer sich schonen musste. „Mit drei Kindern, drei Pferden und vier Hunden war das gar nicht so einfach“, sagt Szparaga lachend. „Aber wir haben als Familie zusammengehalten.“
Nach einer geplanten Kaiserschnittgeburt kam schließlich Töchterchen Frida gesund mit 3.370 Gramm zur Welt. „Wir sind einfach dankbar – für die großartige Betreuung und unser gesundes Baby“, freut sich die Mutter.
Auch Dennis Holtz, Standortleiter der Helios Kliniken Mittelweser, würdigt den Einsatz des Teams: „Dieser Eingriff zeigt eindrucksvoll, welche medizinische Kompetenz und Präzision hier in Nienburg vorhanden ist. Mein Dank gilt Dr. Uhlig, der Anästhesie und dem gesamten Team der Geburtshilfe und Gynäkologie für ihren hervorragenden und hochprofessionellen Einsatz. Das war eine außergewöhnliche Teamleistung – und am Ende ein kleines Wunder.“