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„Wir schauen nicht beim Sterben zu“: Gabi aus Mackenzell begleitet unheilbar kranke Menschen

Das Sterben ist ein äußerst unangenehmes Thema – für viele ein Tabuthema. Dabei können auch unheilbar kranke Menschen auf eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität hoffen. Gabi ist Ehrenamtliche des Ökumenischen Hospizvereins Hünfeld und hilft ihnen dabei.
11. Oktober 2023
„Wir schauen nicht beim Sterben zu“: Gabi aus Mackenzell begleitet unheilbar kranke Menschen

„Viele Menschen sagen mir: ‚Was du machst, das könnte ich nicht.‘ Für mich ist das, was ich mache, aber sehr schön.“ Das sagt Gabi Mundt-Eydt. Sie begleitet Menschen, die unheilbar krank sind. Unter anderem welche, die aktuell auf der Palliativstation in der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld betreut werden. Dort arbeitet ein multiprofessionelles Team. Unter anderem stellen wir die psychologische Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen sicher, helfen mit Physio- und Musiktherapie.

„Die Palli ist nicht automatisch eine Sterbestation“, betont Gabi. „Auch, wenn dort natürlich immer wieder Menschen sterben.“

Das Sterben eines geliebten Menschen hat die Mackenzellerin vor einigen Jahren aus unmittelbarer Nähe erlebt. Als Gabis Mann unheilbar an Krebs erkrankt gewesen ist, hat sie sich um ihn gekümmert. Dabei hat eine Hospizhelferin sie unterstützt. So konnte sich Gabi dann und wann eine Auszeit nehmen und zumindest ein wenig durchschnaufen.

„Damals ist es das erste Mal gewesen, dass ich mit einem Palliativnetzwerk konfrontiert gewesen bin“, erzählt sie. „Vorher wusste ich gar nicht, dass es so etwas gibt.“

Auf der Palliativstation und daheim: „Wir lachen viel zusammen, wir unterstützen sie“

Diese Erfahrung ist für Gabi der Auslöser gewesen, sich im Ökumenischen Hospizverein Hünfeld zu engagieren. Das Hospiz-Team ist eine wichtige Ergänzung zu unseren Kollegen auf der Palliativstation in Hünfeld. Die Ehrenamtlichen des Vereins begleiten Menschen nicht nur dort, sondern auch daheim. Für Gabi ist dieses Ehrenamt eine besonders wertvolle Aufgabe. „Wir schauen den Menschen nicht beim Sterben zu, wir begleiten sie durch diese Phase des Lebens“, sagt sie. „Wir lachen viel zusammen, wir unterstützen sie.“

So ist es auch mit einer Dame gewesen, die Gabi über ein halbes Jahr begleitet hat – eine Langzeitbegleitung sozusagen. „Das ist bisher die einzige Person gewesen, die ich bis zum Ende begleitet habe.“

Auf den Ehrenamtlichen des Ökumenischen Hospizvereins Hünfeld lastet viel Verantwortung. Um diese schultern zu können, absolvieren alle eine Ausbildung, bevor sie mit diesem herausfordernden Engagement beginnen. Schon zuvor gibt es Infoveranstaltungen. Alles ist unverbindlich. Wer merkt „Puh, das ist doch nichts für mich, dem bin ich nicht gewachsen“, kann das jederzeit sagen. Niemand ist verpflichtet, einen sterbenden Menschen zu begleiten – auch nicht jene, die bereits als Ehrenamtliche aktiv sind.

Vorbereitung auf verantwortungsvolle Aufgabe

Gabi hat erst einmal ihre Trauer bewältigt – so gut es ihr möglich gewesen ist. Erst später hat sie mir ihrer Qualifizierung genannten Ausbildung begonnen. Genauso sollte es sein. „Es sollte mindestens ein Jahr zwischen einer Verlusterfahrung und dem Beginn des Qualifizierungskurses liegen“, sagt Sabine Ilsemann. Ilsemann ist eine von drei Hauptamtlichen im Hünfelder Hospizverein. Als Koordinatorin kümmert sie sich unter anderem um die Belange der Ehrenamtlichen des Vereins. Sie begleitet sie, organisiert Qualifizierungen und Schulungen, stellt Kontakte zu sterbenden Menschen her.

„Die Qualifizierung dauert ein halbes Jahr, sie besteht aus Grundkurs, Praktikum und Vertiefung“, sagt Ilsemann. „Bevor die Qualifizierung beginnt, finden ein Infoabend und zwei Workshops statt.“ Dort gewinnen Interessierte erste Eindrücke von den Inhalten der Qualifizierungskurse.

„Im Grundkurs geht es unter anderem um den Umgang mit Betroffenen, Angehörigen und sich selbst“, sagt die Koordinatorin des Vereins. „Anschließend, während des 30-stündigen Praktikums, begleiten die Kursteilnehmer einen geeigneten und gewillten Patienten. Diese 30 Stunden können sich die Teilnehmer über etwa drei Monate selbst einteilen.“ Abschließend, im Rahmen der Vertiefung, nehmen sie sich selbst in den Blick. Welche Motivation habe ich? Welche Situationen stressen mich? Welche Emotionen habe ich während des Praktikums empfunden? Wie gehe ich damit um?

Auf der Palliativstation in Hünfeld ist Gabi am liebsten

Gabi hat ihre Qualifizierung 2018 absolviert. „Wir sind ein kleiner Kurs mit fünf Personen gewesen“, erzählt sie. „Das ist richtig toll gewesen. Es gab viel Raum für Gespräche, alle haben ihre Trauer aufgearbeitet, wir haben viel gelacht und geweint.“ Auch das Praktikum auf der Palliativstation in Hünfeld hat sie in besonderer Erinnerung. „So etwas hatte man noch nicht gemacht“, sagt die Ehrenamtliche. „Der Umgang mit fremden sterbenden Menschen.“ Seit dem Praktikum fühlt sie sich auf der Station wie zuhause. „Auf der Palli bin ich am liebsten, sie ist mein Herzstück.“

Das liegt auch am Umgang und der guten Zusammenarbeit zwischen den Ehrenamtlichen und dem Team der Palliativstation der Helios St. Elisabeth Klinik. „Auf der Station erhalten wir immer große Unterstützung“, sagt Sabine Ilsemann. „Die Zusammenarbeit ist richtig gut, wir gehen wirklich gerne dorthin.“ Und auch das Stations-Team ist glücklich über die Unterstützungen durch die Ehrenamtlichen.

„Wir hören immer wieder liebe Worte wie ‚Schön, dass du da bist, was würde ich ohne dich tun‘“, erzählt Elisabeth Möller, wie Gabi ehrenamtlich im Verein aktiv. „Und auf der anderen Seite gibt es ganz viel Lob von den Angehörigen für die Station.“

„Sie sind froh, wenn jemand nicht immer nur traurig guckt“

Die Sterbebegleiter des Hospizvereins sind sehr eng in die Aktivitäten der Hünfelder Palliativstation eingebunden. Dort erfahren sie, wie es den Patienten geht, welche Bedürfnisse diese und deren soziales Umfeld haben. „Das ist ein besonders wichtiger Aspekt“, findet Koordinatorin Ilseman. „Auch die Angehörigen leiden mit, sie kämpfen, weinen, hadern, benötigen Unterstützung.“

Wie genau die Begleitung eines unheilbar kranken Menschen aussieht? Dafür gibt es kein Schema F. Jeder Mensch hat schließlich persönliche Bedürfnisse – ob krank oder gesund. Vieles findet auf einer emotionalen Ebene statt, die Ehrenamtlichen müssen sich auf den Menschen einlassen. Begleitung besteht häufig aus vielen kleinen Dingen. Die Hand halten, Beistand leisten, Schweiß von der Stirn wischen – oder einfach nur da sein.

Besonders wichtig dabei: Die begleiteten Personen nicht nur als Patienten zu betrachten. „Sie wollen nicht nur über ihre Krankheit sprechen“, sagt Sabine Ilsemann. „Gerne erzählen die Betroffenen auch von schönen Dingen, zum Beispiel von Hobbys, Erfüllung im Beruf, Familie und Freunden. Aber auch Versäumnisse und Zerbrochenes werden angesprochen. Logisch: Schließlich haben auch die Menschen, die die Ehrenamtlichen des Hospizvereins begleiten, ein Leben gelebt, sind jung gewesen, haben viel erlebt. Sie auf das Dasein als kranke Person zu reduzieren, wird ihnen nicht gerecht.

Sterbebegleiterin Gabi ist total gerührt – von einem kleinen Wunsch

„Für Außenstehende wirkt es oft so, als würde ganz viel Schreckliches über uns hineinbrechen“, sagt Sterbebegleiterin Gabi. „Das ist aber nicht so.“ Mit der Dame, die sie über ein halbes Jahr begleitet hat, hat Gabi viele schöne und berührende Momente erlebt. „Ich hatte ihr erzählt, dass ich meiner Mutter immer mal eine Maniküre gemacht habe“, sagt die Mackenzellerin. „Da fragte sie: ‚Kannst du das auch bei mir machen? Und auch meine Nägel lackieren?‘ Danach ist sie richtig stolz gewesen.“

Die Erfüllung solcher kleinen Wünsche zählt zu den Aufgaben der Ehrenamtlichen während einer Begleitung – insbesondere dann, wenn sich das Leben dem Ende zuneigt. „Manche möchten noch einmal ein Glas Bier oder einen Sekt trinken, manche haben Lust auf ein Stück Torte“, erzählt Gabi. „Der Wunsch der Dame, die ich so lange begleitet habe, hat mich total gerührt. Als sie für ihre letzten Tage auf die Palliativstation gekommen ist und gefragt wurde, ob sie einen kleinen Wunsch habe, sagte sie: ‚Ja, Gabi soll kommen.‘“

Gabi ist damals im Urlaub gewesen. Als sie die Nachricht erhalten hat, ist sie sofort abgereist und nach Hünfeld gekommen. „Wir sind Menschen, die gerne helfen“, sagt sie. „Da muss man aufpassen, dass man sich nicht selbst vergisst.“

Niemand muss sich mit dem Ehrenamt überlasten

Das Thema Selbstfürsorge nimmt deswegen bereits während der Qualifizierung viel Raum ein. Die Teilnehmer machen sich bewusst, welche Ressourcen sie haben, um mit Stress und belastenden Erlebnissen umzugehen. Das können Hobbys sein, Freunde oder Familie. Zudem findet später regelmäßig eine Supervision statt. Dort sprechen die Ehrenamtlichen alles an, was sie beschäftigt.

„Es kann sein, dass man während einer Begleitung merkt, dass diese einen überfordert“, sagt Gabi. „Auch dann ist ein Abbruch möglich. Man muss bei uns nichts durchstehen, was man nicht kann. Außerdem dürfen wir eine Begleitung immer ablehnen.“ Zudem kann jeder, der das Gefühl hat, überlastet zu sein oder nicht genug Zeit zu haben, eine Auszeit vom Ehrenamt nehmen.

Das ist auch im Sinne der Begleiteten. Die befinden sich in einer besonders aufreibenden Phase ihres Lebens – ob sie daheim oder auf der Palliativstation begleitet werden. Damit die Ehrenamtlichen ihnen und ihren Angehörigen eine Stütze sind, müssen alle ein gutes Gefühl miteinander haben.

Lieber frühzeitig Hospizverein und Palliativstation kontaktieren

„Wir begleiten viele betagte und hochbetagte Menschen“, sagt Sabine Ilsemann. „Auch Menschen ab 66 Jahren, junge aber weniger.“ Häufig würden die Ehrenamtlichen des Vereins zu spät angefordert, sagt sie. Dabei sei es wichtig, den Patienten frühzeitig kennenzulernen. „Einige bauen mit der Zeit ab, zum Beispiel durch Demenz“, erzählt die Koordinatorin. „Dann erfährt man relativ wenig von ihnen.“ Dabei ist es wichtig zu wissen, was einem Patienten guttut, auch wenn er sich dazu nicht mehr äußern kann.

Zeit ist auch ein wesentlicher Faktor, wenn es um einen möglichen Aufenthalt auf einer Palliativstation geht. „Es ist wichtig, früh genug dort zu sein, um die Lebensqualität verbessern zu können“, sagt Gabi. Das Palliativ-Team hilft den Betroffenen auf verschiedenen Wegen. Es kann die Medikation um- oder neu einstellen, um zum Beispiel Schmerzen zu lindern. Es hilft dabei, einen Pflegegrad festzustellen. Es entlastet Angehörige, sollten sie mit der Betreuung daheim überfordert sind. Zudem bietet die Station eine Zwischenlösung während der Wartezeit auf einen Heimplatz.

Stille im Raum

„Natürlich ist es oft so, dass sich der Zustand während der Zeit auf der Station verschlechtert“, sagt Gabi aus Mackenzell. „Aber viele Menschen kommen nach einem Aufenthalt auf der Palli auch wieder nach Hause.“

Die Dame hingegen, die Gabi so lange begleitet hat, hat auf der Palliativstation in Hünfeld die letzten Tage ihres Lebens verbracht. „Sie hat vielleicht noch drei Tage gelebt, nachdem ich den Urlaub abgebrochen habe und zur ihr gekommen bin“, erzählt die ehrenamtliche Sterbebegleiterin. „Ich habe stundenlang an ihrem Bett gesessen und ihre Hand gehalten. So lange sie noch konnte, haben wir uns unterhalten.“

Die letzten Stunden dieses Lebens hat Gabi gemeinsam mit den Söhnen der Dame auf ihrem Zimmer verbracht. „Dann kam der letzte Atemzug, der letzte Seufzer.“ Und schließlich war Stille im Raum.

Informationen zum Ökumenischen Hospizverein Hünfeld

Den Ökumenischen Hospizverein gibt es seit 2005. Aktuell engagieren sich drei Haupt- und 28 Ehrenamtliche für unheilbar kranke Menschen. Da die Förderungen durch die Krankenkassen die Kosten des Vereins nicht decken, ist er auf Spenden angewiesen.

Spenden können Sie an folgendes Konto:

Ökumenischer Hospizverein Hünfeld
Sparkasse Hünfeld
IBAN: DE57 5305 0180 0070 0705 27
BIC: HELADEF1FDS

So erreichen Sie den Ökumenischen Hospizverein Hünfeld:

Mackenzeller Straße 19
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/9670-16
Fax: 06652/9670-72
E-Mail: hospiz@drk-huenfeld.de
Internet: https://hospizverein-huenfeld.de/wordpress/