Eine Entartung der Aderhaut führt zum häufigsten bösartigen Tumor, der direkt im Auge entsteht: dem Aderhautmelanom. Aderhautmelanome sind selten. Statistisch betrifft diese bösartige Krebserkrankung, die zu starken Seheinschränkungen führen kann und oft im Körper streut, sechs bis zehn Patientinnen und Patienten von 1.000.000 Menschen pro Jahr. „Bei den Betroffenen ist nicht nur das Sehorgan, sondern bei einer Streuung von Tumorzellen auch das Leben bedroht. Speziell die Ansiedlung von Tumorzellen (Metastasen) in der Leber, aber auch in anderen Organen ist nur schlecht einer onkologischen Therapie zugänglich. Das oberste Ziel ist das Leben zu schützen, gefolgt vom Ziel der Erhaltung des Auges als Organ und des Sehens“, sagt Priv.-Doz. Dr. Ira Seibel, Chefärztin der Augenklinik im Helios Klinikum Berlin-Buch. Eine frühzeitige Therapie und eine sichere Tumorkontrolle seien daher die Priorität und höchst bedeutsam für die Patientinnen und Patienten.
Bis Ende der 90er Jahre war die operative Entfernung des erkrankten Auges (Enukleation) die vorherrschende Therapie- Option, die behandelnde Ärztinnen und Ärzte zur Inaktivierung des Tumors nutzten. Zu groß war die Angst, durch den Wunsch das Auge zu erhalten, das Überleben zu gefährden. Erst 2001 nach Veröffentlichung einer prospektiv angelegten Vergleichsstudie hinsichtlich des Überlebens der Patientinnen und Patienten aufgeteilt auf die Methoden der Brachytherapie und der Enukleation, die keinen Unterschied im Langzeitüberleben aufzeigte, konnte diese Sorge aus der Welt geräumt werden. Daher gilt heute meist, wenn der Tumor gut mit einer Bestrahlung behandelt werden kann und eine sichere Tumorkontrolle gewährleistet ist, eine augenerhaltende Therapie vorzuziehen. Im Helios Klinikum Berlin-Buch steht für Patientinnen und Patienten mit Aderhautmelanomen die Behandlung mit Rutheniumapplikatoren bei uvealen Melanomen bis zu einer Tumordicke von sechs Millimetern zur Verfügung. Ab sechs Millimeter Prominenz bieten die Klinik für Strahlentherapie und die Augenklinik gemeinsam weitere Verfahren wie die Intensitätsmodulierte Strahlentherapie oder auch die Stereotaktische Bestrahlung an.
Um einen Tumor, wie den von Sieglinde Imm zu behandeln, leitet die Klinik für Augenheilkunde eine sogenannte Brachytherapie ein. Diese spezielle Form der Strahlentherapie ist bei kleinen bis mittelgroßen Tumoren, die eine Höhe von sechs Millimetern nicht überschreiten, die am häufigsten angewandte Therapieform. Ziel ist es, den primären Tumor zu zerstören, das gesunde Gewebe sowie die Sehfähigkeit möglichst zu schonen und das Auge zu erhalten. „Bei dem rund halbstündigen Eingriff nähen wir ein kleines strahlendes Metallscheibchen (den Applikator) außen auf das erkrankte Auge auf – genau dort, wo sich an der Augeninnenseite der Tumor befindet. Die einen Millimeter dicken Applikatoren sind an ihrer Innenseite mit dem Element Ruthenium-106 beschichtet und mit Silber ummantelt. Das radioaktive Ruthenium sendet auf diese kurze Entfernung Betastrahlen aus, die zur Zerstörung der Krebszellen führen“, erklärt Frau Dr. Seibel. Der Hersteller bietet unterschiedliche Größen dieser Augenapplikatoren an, entsprechend der Größe des Tumors. Der operative Eingriff kann unter lokaler Anästhesie oder Vollnarkose durchgeführt werden.
Der Ruthenium-Applikator verbleibt für die zuvor berechnete Dauer auf dem Auge und gibt im Tumor die nötige Dosis ab. Nach zwei bis fünf Tagen wird der Applikator in einem erneuten Eingriff wieder entnommen. Nach der Behandlung wird die Patientin/ der Patient weiter betreut.
In der Regel können nach zwei bis drei Monaten die Auswirkungen der Bestrahlung auf den Tumor beobachtet werden. Eine Strahlennarbe bildet sich in dieser Region aus. „Zusätzlich kontrollieren wir, ob der Tumor an Dicke verliert. Wenn die Strahlennarbe den Tumor umschließt und der Tumor nicht weiterwächst, beziehungsweise sogar schrumpft, ist es ein gutes Zeichen dafür, dass die Behandlung funktioniert hat“, erläutert Frau Dr. Seibel.
Bei Frau Imm ist der Tumor noch im Anfangsstadium, als dieser per Zufallsbefund durch den niedergelassenen Augenarzt entdeckt wurde. „Frau Imms behandelnder Augenarzt hat wirklich sehr gut geschaut und untersucht. Das ist für das Auge und in diesem Falle auch für das Überleben der Patientin das absolut Entscheidendste. Der Tumor wurde sehr früh entdeckt, ist nicht sehr groß im Durchmesser und von der Tumoranatomie her besteht ein geringes Metastasierungsrisiko - daher für Frau Imm absolut positiv in der Prognose“, betont Frau Dr. Seibel. Frau Imm entschloss sich gegen eine Tumorbiopsie. Anhand einer genetischen Untersuchung des Tumorgewebes, kann eine noch sicherere Prognose für das Auftreten von Metastasen gegeben werden als es die rein anatomischen Hinweise geben. Diese Option wird mit jedem Patienten individuell besprochen.
Frau Imm arbeitete 36 Jahre als Kindergärtnerin. Sie ist Mutter zweier Kinder. Ihre Tochter verstarb 2020 an einem Aneurysma. Ein halbes Jahr später verstarb auch Frau Imms Ehemann, der den Tod der Tochter nicht verwunden hatte. Zwei Schicksalsschläge so nah beieinander. Und dann kam noch die Erkrankung des Auges dazu. Doch Frau Imm ist tapfer: „Da muss man irgendwie mit fertig werden und dann heißt es positiv denken. Sonst wird man so runtergezogen.“ Sie wohnt mit ihrem Sohn und der Schwiegertochter zusammen in einem Haus. Drei Enkelkinder und vier Urenkelkinder hat sie, alle verstreut in Deutschland. Frau Imm hält sich fit, indem sie jeden Tag eine Runde spazieren geht durch den Wald. Und einmal pro Woche werden die Lieben auf dem Friedhof besucht, „damit sie nicht vergessen werden!“
Am 4. Februar 2022 findet zum 22. Mal der Weltkrebstag statt. Das Motto der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (UICC) dazu lautet „Versorgungslücken schließen“. Die Deutsche Krebshilfe nimmt den Weltkrebstag zum Anlass, verstärkt über die Möglichkeiten der Krebsprävention und der -früherkennung sowie die aktuellen Entwicklungen auf den Gebieten der Diagnose, Therapie und Nachsorge zu informieren. Weitere Information: Weltkrebstag 2022